Der zwey und funfzigste Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Johann Belford.
Da ich durch eine lange Folge ermüdender Ta- ge und schlafloser Nächte, und durch die Betrachtung der bloß auf Bitten und Betteln hinauslaufenden Verfassung, worinn ich mit mei- ner Geliebten stehe, müde und verdrieslich gemacht war: so fiel ich in tiefe Gedanken. Aus diesen ward ein Schlaf: und aus dem Schlafe ein Traum; ein glücklicher Traum, der meinem wirksamen Gemüthe, wie ich mir vorstelle, die Mittel zeigen wird, den gefälligen, aber zweyfa- chen Vorsatz, ins Werk zu richten, der mir itzo noch einmal so sehr am Herzen lieget.
Was ist doch der Genuß des schönsten Frau- enzimmers in der Welt, dieß habe ich oft erwo- gen; gegen die künstliche Erfindung, die ange- nehme Unruhe, die unerwarteten Veränderungen, und zuletzt den glücklichen Ausgang von einem wohlgespielten Streiche? - - Die reizenden Um- wege, wodurch man sich am nähesten geht, die Zweifel, die Furcht, das Herzklopfen, die vorgesetzten Siege, sind die Ergötzungen, welche uns das erwünschte Gut theuer und werth ma- chen. - - Denn was ist alles übrige? - - Was anders, als daß man einen Engel, nach der Ein- bildung, verschwunden, und, nach der wahren Be-
schaffen-
Der zwey und funfzigſte Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Johann Belford.
Da ich durch eine lange Folge ermuͤdender Ta- ge und ſchlafloſer Naͤchte, und durch die Betrachtung der bloß auf Bitten und Betteln hinauslaufenden Verfaſſung, worinn ich mit mei- ner Geliebten ſtehe, muͤde und verdrieslich gemacht war: ſo fiel ich in tiefe Gedanken. Aus dieſen ward ein Schlaf: und aus dem Schlafe ein Traum; ein gluͤcklicher Traum, der meinem wirkſamen Gemuͤthe, wie ich mir vorſtelle, die Mittel zeigen wird, den gefaͤlligen, aber zweyfa- chen Vorſatz, ins Werk zu richten, der mir itzo noch einmal ſo ſehr am Herzen lieget.
Was iſt doch der Genuß des ſchoͤnſten Frau- enzimmers in der Welt, dieß habe ich oft erwo- gen; gegen die kuͤnſtliche Erfindung, die ange- nehme Unruhe, die unerwarteten Veraͤnderungen, und zuletzt den gluͤcklichen Ausgang von einem wohlgeſpielten Streiche? ‒ ‒ Die reizenden Um- wege, wodurch man ſich am naͤheſten geht, die Zweifel, die Furcht, das Herzklopfen, die vorgeſetzten Siege, ſind die Ergoͤtzungen, welche uns das erwuͤnſchte Gut theuer und werth ma- chen. ‒ ‒ Denn was iſt alles uͤbrige? ‒ ‒ Was anders, als daß man einen Engel, nach der Ein- bildung, verſchwunden, und, nach der wahren Be-
ſchaffen-
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Der zwey und funfzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Johann Belford.
Da ich durch eine lange Folge ermuͤdender Ta-
ge und ſchlafloſer Naͤchte, und durch die
Betrachtung der bloß auf Bitten und Betteln
hinauslaufenden Verfaſſung, worinn ich mit mei-
ner Geliebten ſtehe, muͤde und verdrieslich gemacht
war: ſo fiel ich in tiefe Gedanken. Aus dieſen
ward ein Schlaf: und aus dem Schlafe ein
Traum; ein gluͤcklicher Traum, der meinem
wirkſamen Gemuͤthe, wie ich mir vorſtelle, die
Mittel zeigen wird, den gefaͤlligen, aber zweyfa-
chen Vorſatz, ins Werk zu richten, der mir itzo
noch einmal ſo ſehr am Herzen lieget.
Was iſt doch der Genuß des ſchoͤnſten Frau-
enzimmers in der Welt, dieß habe ich oft erwo-
gen; gegen die kuͤnſtliche Erfindung, die ange-
nehme Unruhe, die unerwarteten Veraͤnderungen,
und zuletzt den gluͤcklichen Ausgang von einem
wohlgeſpielten Streiche? ‒ ‒ Die reizenden Um-
wege, wodurch man ſich am naͤheſten geht,
die Zweifel, die Furcht, das Herzklopfen, die
vorgeſetzten Siege, ſind die Ergoͤtzungen, welche
uns das erwuͤnſchte Gut theuer und werth ma-
chen. ‒ ‒ Denn was iſt alles uͤbrige? ‒ ‒ Was
anders, als daß man einen Engel, nach der Ein-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/723>, abgerufen am 21.11.2024.
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