Siehst du aber nicht, daß die unversöhnliche Schöne gleichwohl bey dieser schlechten Erfin- dung, wie ein Mensch, der ersaufen muß, nur nach einem Strohhalm greife, sich zu retten! - - Sie soll finden, daß sie nur zu einem Stroh- halm ihre Zuflucht genommen habe.
Der ein und funfzigste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Dienstags, frühe, um zehne.
Jehr übel! - - Ausnehmend übel! - - wie mir Dorcas sagt, damit sie mich nicht se- hen und sprechen dürfe - - Jedoch in ihrem Ge- müthe mag sich die liebe Seele wohl so befinden - - Aber ist das nicht Zweydeutigkeit? - - Jn eines jeden Menschen eigner Brust wohnt eine oder die andere herrschende Leidenschaft, welche durch alle gute Grundsätze bricht und einen jeden hinreisset. Bey mir ist es Liebe und Rache, die mit einander abwechseln. Bey ihr ist es Haß - - Dieß ist noch mein Trost, daß der Haß, so bald er sich leget, ein Anfang zur Liebe ist; oder vielmehr, in diesem Fall, eine Erneue- rung der Liebe: wofern hier jemals Liebe Platz gehabt hat.
Allein wir wollen unsere Betrachtungen beyseite setzen. Du siehst, Bruder, ihr Anschlag
wird
Y y 3
Siehſt du aber nicht, daß die unverſoͤhnliche Schoͤne gleichwohl bey dieſer ſchlechten Erfin- dung, wie ein Menſch, der erſaufen muß, nur nach einem Strohhalm greife, ſich zu retten! ‒ ‒ Sie ſoll finden, daß ſie nur zu einem Stroh- halm ihre Zuflucht genommen habe.
Der ein und funfzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Dienſtags, fruͤhe, um zehne.
Jehr uͤbel! ‒ ‒ Ausnehmend uͤbel! ‒ ‒ wie mir Dorcas ſagt, damit ſie mich nicht ſe- hen und ſprechen duͤrfe ‒ ‒ Jedoch in ihrem Ge- muͤthe mag ſich die liebe Seele wohl ſo befinden ‒ ‒ Aber iſt das nicht Zweydeutigkeit? ‒ ‒ Jn eines jeden Menſchen eigner Bruſt wohnt eine oder die andere herrſchende Leidenſchaft, welche durch alle gute Grundſaͤtze bricht und einen jeden hinreiſſet. Bey mir iſt es Liebe und Rache, die mit einander abwechſeln. Bey ihr iſt es Haß ‒ ‒ Dieß iſt noch mein Troſt, daß der Haß, ſo bald er ſich leget, ein Anfang zur Liebe iſt; oder vielmehr, in dieſem Fall, eine Erneue- rung der Liebe: wofern hier jemals Liebe Platz gehabt hat.
Allein wir wollen unſere Betrachtungen beyſeite ſetzen. Du ſiehſt, Bruder, ihr Anſchlag
wird
Y y 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0715"n="709"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Siehſt du aber nicht, daß die unverſoͤhnliche<lb/>
Schoͤne gleichwohl bey dieſer ſchlechten Erfin-<lb/>
dung, wie ein Menſch, der erſaufen muß, nur<lb/>
nach einem Strohhalm greife, ſich zu retten!<lb/>‒‒ Sie ſoll finden, daß ſie nur zu einem Stroh-<lb/>
halm ihre Zuflucht genommen habe.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der ein und funfzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Dienſtags, fruͤhe, um zehne.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ehr uͤbel! ‒‒ Ausnehmend uͤbel! ‒‒ wie<lb/>
mir Dorcas ſagt, damit ſie mich nicht ſe-<lb/>
hen und ſprechen duͤrfe ‒‒ Jedoch in ihrem <hirendition="#fr">Ge-<lb/>
muͤthe</hi> mag ſich die liebe Seele wohl ſo befinden<lb/>‒‒ Aber iſt das nicht Zweydeutigkeit? ‒‒ Jn<lb/>
eines jeden Menſchen eigner Bruſt wohnt eine<lb/>
oder die andere herrſchende Leidenſchaft, welche<lb/>
durch alle gute Grundſaͤtze bricht und einen jeden<lb/>
hinreiſſet. Bey mir iſt es <hirendition="#fr">Liebe</hi> und <hirendition="#fr">Rache,</hi><lb/>
die mit einander abwechſeln. Bey ihr iſt es<lb/><hirendition="#fr">Haß</hi>‒‒ Dieß iſt noch mein Troſt, daß der <hirendition="#fr">Haß,<lb/>ſo bald er ſich leget, ein Anfang zur Liebe<lb/>
iſt;</hi> oder vielmehr, in dieſem Fall, eine <hirendition="#fr">Erneue-<lb/>
rung der Liebe:</hi> wofern hier jemals Liebe Platz<lb/>
gehabt hat.</p><lb/><p>Allein wir wollen unſere <hirendition="#fr">Betrachtungen</hi><lb/>
beyſeite ſetzen. Du ſiehſt, Bruder, ihr Anſchlag<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y y 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">wird</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[709/0715]
Siehſt du aber nicht, daß die unverſoͤhnliche
Schoͤne gleichwohl bey dieſer ſchlechten Erfin-
dung, wie ein Menſch, der erſaufen muß, nur
nach einem Strohhalm greife, ſich zu retten!
‒ ‒ Sie ſoll finden, daß ſie nur zu einem Stroh-
halm ihre Zuflucht genommen habe.
Der ein und funfzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Dienſtags, fruͤhe, um zehne.
Jehr uͤbel! ‒ ‒ Ausnehmend uͤbel! ‒ ‒ wie
mir Dorcas ſagt, damit ſie mich nicht ſe-
hen und ſprechen duͤrfe ‒ ‒ Jedoch in ihrem Ge-
muͤthe mag ſich die liebe Seele wohl ſo befinden
‒ ‒ Aber iſt das nicht Zweydeutigkeit? ‒ ‒ Jn
eines jeden Menſchen eigner Bruſt wohnt eine
oder die andere herrſchende Leidenſchaft, welche
durch alle gute Grundſaͤtze bricht und einen jeden
hinreiſſet. Bey mir iſt es Liebe und Rache,
die mit einander abwechſeln. Bey ihr iſt es
Haß ‒ ‒ Dieß iſt noch mein Troſt, daß der Haß,
ſo bald er ſich leget, ein Anfang zur Liebe
iſt; oder vielmehr, in dieſem Fall, eine Erneue-
rung der Liebe: wofern hier jemals Liebe Platz
gehabt hat.
Allein wir wollen unſere Betrachtungen
beyſeite ſetzen. Du ſiehſt, Bruder, ihr Anſchlag
wird
Y y 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 709. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/715>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.