es ward mehr ein Quacken als ein Singen dar- aus; ich fiel in den alten wunderlichen Ton von den Neujahrsliedern. Jch hustete und reusper- te mich, einen lebhaftern Ton herauszubringen: aber es wollte nicht gehen, und ich endigte endlich, wie ein Uebelthäter, mit einem Todtengesange.
Ho-ha-ho-! Jch gähne und schnappe, wie ein noch nicht flücker Geier in seinem Neste, wenn er Mühe hat, ein junges Hünchen, das ihm von seiner räuberischen Mutter in den Mund ge- stopfet ist, zu verschlucken! - -
Was, Teufel, fehlt mir! - - Jch kann we- der denken noch schreiben! - -
Da liege, Feder, da liege auf einen Augen- blick! - -
Der acht und vierzigste Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Es ist gewiß viel wahres in der Anmerkung, daß es einen Menschen zehnmal mehr Mühe koste, gottlos zu seyn, als es ihn ko- sten würde, fromm zu seyn. Was für eine verfluchte Anzahl von Ränken ist es, zu denen ich meine Zuflucht genommen habe; damit ich bey dieser reizenden Schönen zu meinem Zweck käme! Und wie habe ich nun, wenn alles erwo-
gen
es ward mehr ein Quacken als ein Singen dar- aus; ich fiel in den alten wunderlichen Ton von den Neujahrsliedern. Jch huſtete und reuſper- te mich, einen lebhaftern Ton herauszubringen: aber es wollte nicht gehen, und ich endigte endlich, wie ein Uebelthaͤter, mit einem Todtengeſange.
Ho-ha-ho-! Jch gaͤhne und ſchnappe, wie ein noch nicht fluͤcker Geier in ſeinem Neſte, wenn er Muͤhe hat, ein junges Huͤnchen, das ihm von ſeiner raͤuberiſchen Mutter in den Mund ge- ſtopfet iſt, zu verſchlucken! ‒ ‒
Was, Teufel, fehlt mir! ‒ ‒ Jch kann we- der denken noch ſchreiben! ‒ ‒
Da liege, Feder, da liege auf einen Augen- blick! ‒ ‒
Der acht und vierzigſte Brief von Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Es iſt gewiß viel wahres in der Anmerkung, daß es einen Menſchen zehnmal mehr Muͤhe koſte, gottlos zu ſeyn, als es ihn ko- ſten wuͤrde, fromm zu ſeyn. Was fuͤr eine verfluchte Anzahl von Raͤnken iſt es, zu denen ich meine Zuflucht genommen habe; damit ich bey dieſer reizenden Schoͤnen zu meinem Zweck kaͤme! Und wie habe ich nun, wenn alles erwo-
gen
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es ward mehr ein Quacken als ein Singen dar-
aus; ich fiel in den alten wunderlichen Ton von
den Neujahrsliedern. Jch huſtete und reuſper-
te mich, einen lebhaftern Ton herauszubringen:
aber es wollte nicht gehen, und ich endigte endlich,
wie ein Uebelthaͤter, mit einem Todtengeſange.
Ho-ha-ho-! Jch gaͤhne und ſchnappe, wie
ein noch nicht fluͤcker Geier in ſeinem Neſte,
wenn er Muͤhe hat, ein junges Huͤnchen, das ihm
von ſeiner raͤuberiſchen Mutter in den Mund ge-
ſtopfet iſt, zu verſchlucken! ‒ ‒
Was, Teufel, fehlt mir! ‒ ‒ Jch kann we-
der denken noch ſchreiben! ‒ ‒
Da liege, Feder, da liege auf einen Augen-
blick! ‒ ‒
Der acht und vierzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Herrn Joh. Belford.
Es iſt gewiß viel wahres in der Anmerkung,
daß es einen Menſchen zehnmal mehr
Muͤhe koſte, gottlos zu ſeyn, als es ihn ko-
ſten wuͤrde, fromm zu ſeyn. Was fuͤr eine
verfluchte Anzahl von Raͤnken iſt es, zu denen
ich meine Zuflucht genommen habe; damit ich
bey dieſer reizenden Schoͤnen zu meinem Zweck
kaͤme! Und wie habe ich nun, wenn alles erwo-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/694>, abgerufen am 30.12.2024.
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