geben pflegetest, und alles, nur nicht deine Eitel- keit, ablegen konntest! - -
Das V Blatt.
Freuet euch nun nicht, meine Arabella, meine Schwester, meine Freundinn: sondern habt Mitleiden mit der erniedrigten Person, deren thö- richtes Herz ihr, wie ihr zu sagen pflegtet, durch den dünnen Vorhang der Demuth, welcher es bedeckte, sahet.
Es muß wirklich so gewesen seyn! Sonst hätte mein Fall nicht zugelassen werden können.
Jhr durchschauetet mein stolzes Herz mit der Eifersucht, die dem forschenden Auge einer ältern Schwester eigen zu seyn pfleget.
Jhr kanntet mich besser, als ich selbst.
Daher kamen eure Vorwürfe und euer Schel- ten, wenn ich anfing zu wanken.
Aber verzeihet mir nun jenes eitele Frohlo- cken meines Herzens.
Jch armes stolzes Mägdchen dachte, daß das, was ihr sagtet, eurem Neide zuzuschrei- ben wäre.
Jch glaubte, ich konnte mich in meinen Ab- sichten von solcher Eitelkeit gänzlich freyspre- chen.
Jch war zu sicher bey der Erkenntniß, die ich mir von meinem eignen Herzen zu haben ein- bildete.
Meine
geben pflegeteſt, und alles, nur nicht deine Eitel- keit, ablegen konnteſt! ‒ ‒
Das V Blatt.
Freuet euch nun nicht, meine Arabella, meine Schweſter, meine Freundinn: ſondern habt Mitleiden mit der erniedrigten Perſon, deren thoͤ- richtes Herz ihr, wie ihr zu ſagen pflegtet, durch den duͤnnen Vorhang der Demuth, welcher es bedeckte, ſahet.
Es muß wirklich ſo geweſen ſeyn! Sonſt haͤtte mein Fall nicht zugelaſſen werden koͤnnen.
Jhr durchſchauetet mein ſtolzes Herz mit der Eiferſucht, die dem forſchenden Auge einer aͤltern Schweſter eigen zu ſeyn pfleget.
Jhr kanntet mich beſſer, als ich ſelbſt.
Daher kamen eure Vorwuͤrfe und euer Schel- ten, wenn ich anfing zu wanken.
Aber verzeihet mir nun jenes eitele Frohlo- cken meines Herzens.
Jch armes ſtolzes Maͤgdchen dachte, daß das, was ihr ſagtet, eurem Neide zuzuſchrei- ben waͤre.
Jch glaubte, ich konnte mich in meinen Ab- ſichten von ſolcher Eitelkeit gaͤnzlich freyſpre- chen.
Jch war zu ſicher bey der Erkenntniß, die ich mir von meinem eignen Herzen zu haben ein- bildete.
Meine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><floatingText><body><divtype="letter"n="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0627"n="621"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
geben pflegeteſt, und alles, nur nicht deine Eitel-<lb/>
keit, ablegen konnteſt! ‒‒</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das <hirendition="#aq">V</hi> Blatt.</hi></head><lb/><p><hirendition="#in">F</hi>reuet euch nun nicht, meine Arabella, meine<lb/>
Schweſter, meine Freundinn: ſondern habt<lb/>
Mitleiden mit der erniedrigten Perſon, deren thoͤ-<lb/>
richtes Herz ihr, wie ihr zu ſagen pflegtet, durch<lb/>
den duͤnnen Vorhang der Demuth, welcher es<lb/>
bedeckte, ſahet.</p><lb/><p>Es muß wirklich ſo geweſen ſeyn! Sonſt<lb/>
haͤtte mein Fall nicht zugelaſſen werden koͤnnen.</p><lb/><p>Jhr durchſchauetet mein ſtolzes Herz mit der<lb/>
Eiferſucht, die dem forſchenden Auge einer aͤltern<lb/>
Schweſter eigen zu ſeyn pfleget.</p><lb/><p>Jhr kanntet mich beſſer, als ich ſelbſt.</p><lb/><p>Daher kamen eure Vorwuͤrfe und euer Schel-<lb/>
ten, wenn ich anfing zu wanken.</p><lb/><p>Aber verzeihet mir nun jenes eitele Frohlo-<lb/>
cken meines Herzens.</p><lb/><p>Jch armes ſtolzes Maͤgdchen dachte, daß<lb/>
das, was ihr ſagtet, eurem Neide zuzuſchrei-<lb/>
ben waͤre.</p><lb/><p>Jch glaubte, ich konnte mich in meinen Ab-<lb/>ſichten von ſolcher Eitelkeit gaͤnzlich freyſpre-<lb/>
chen.</p><lb/><p>Jch war zu ſicher bey der Erkenntniß, die ich<lb/>
mir von meinem eignen Herzen zu haben ein-<lb/>
bildete.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Meine</fw><lb/></div></div></body></floatingText></div></div></div></body></text></TEI>
[621/0627]
geben pflegeteſt, und alles, nur nicht deine Eitel-
keit, ablegen konnteſt! ‒ ‒
Das V Blatt.
Freuet euch nun nicht, meine Arabella, meine
Schweſter, meine Freundinn: ſondern habt
Mitleiden mit der erniedrigten Perſon, deren thoͤ-
richtes Herz ihr, wie ihr zu ſagen pflegtet, durch
den duͤnnen Vorhang der Demuth, welcher es
bedeckte, ſahet.
Es muß wirklich ſo geweſen ſeyn! Sonſt
haͤtte mein Fall nicht zugelaſſen werden koͤnnen.
Jhr durchſchauetet mein ſtolzes Herz mit der
Eiferſucht, die dem forſchenden Auge einer aͤltern
Schweſter eigen zu ſeyn pfleget.
Jhr kanntet mich beſſer, als ich ſelbſt.
Daher kamen eure Vorwuͤrfe und euer Schel-
ten, wenn ich anfing zu wanken.
Aber verzeihet mir nun jenes eitele Frohlo-
cken meines Herzens.
Jch armes ſtolzes Maͤgdchen dachte, daß
das, was ihr ſagtet, eurem Neide zuzuſchrei-
ben waͤre.
Jch glaubte, ich konnte mich in meinen Ab-
ſichten von ſolcher Eitelkeit gaͤnzlich freyſpre-
chen.
Jch war zu ſicher bey der Erkenntniß, die ich
mir von meinem eignen Herzen zu haben ein-
bildete.
Meine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/627>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.