Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite


Was für ein verkehrtes Mägdchen ist dieß,
daß sie mit ihrem Schicksal streitet: da sie doch
Ursache hat zu gedenken, daß ihr Gestirn selbst
wider sie fechte! Jch bin der Glücklichste auf Er-
den - - Aber der Othem vergehet mir noch, wenn
ich überlege, an was für einem zarten Faden mein
Schicksal gehangen.

Jedoch ich will dich nicht länger in ungewis-
ser Erwartung lassen: ich habe binnen dieser hal-
ben Stunde den Besitz von dem erwarteten Brie-
fe der Fräulein Howe erlanget - - und zwar
durch einen solchen Zufall! Allein ich muß
schließen und dieß mit dem vorhergehenden ab-
schicken: weil dein Bothe wartet.



Der zwey und dreyßigste Brief.
Eine Fortsetzung des vorhergehenden
von
Herrn Lovelace.

Die Sache verhielte sich also - - Meine Ge-
liebte ging diesen Nachmittag wiederum in
Gesellschaft der Frau Moore zur Kirche. Jch
hatte mich anfangs sehr eifrig bezeiget, mir ih-
re Gegenwart bey dem Mittagsessen auszubitten:
aber vergebens. Dem zu folge, was sie zu der
Frau Moore gesagt hatte, war ich ihr zu beträcht-
lich,
daß sie diese Gewogenheit verstatten konnte.

Her-
J i 5


Was fuͤr ein verkehrtes Maͤgdchen iſt dieß,
daß ſie mit ihrem Schickſal ſtreitet: da ſie doch
Urſache hat zu gedenken, daß ihr Geſtirn ſelbſt
wider ſie fechte! Jch bin der Gluͤcklichſte auf Er-
den ‒ ‒ Aber der Othem vergehet mir noch, wenn
ich uͤberlege, an was fuͤr einem zarten Faden mein
Schickſal gehangen.

Jedoch ich will dich nicht laͤnger in ungewiſ-
ſer Erwartung laſſen: ich habe binnen dieſer hal-
ben Stunde den Beſitz von dem erwarteten Brie-
fe der Fraͤulein Howe erlanget ‒ ‒ und zwar
durch einen ſolchen Zufall! Allein ich muß
ſchließen und dieß mit dem vorhergehenden ab-
ſchicken: weil dein Bothe wartet.



Der zwey und dreyßigſte Brief.
Eine Fortſetzung des vorhergehenden
von
Herrn Lovelace.

Die Sache verhielte ſich alſo ‒ ‒ Meine Ge-
liebte ging dieſen Nachmittag wiederum in
Geſellſchaft der Frau Moore zur Kirche. Jch
hatte mich anfangs ſehr eifrig bezeiget, mir ih-
re Gegenwart bey dem Mittagseſſen auszubitten:
aber vergebens. Dem zu folge, was ſie zu der
Frau Moore geſagt hatte, war ich ihr zu betraͤcht-
lich,
daß ſie dieſe Gewogenheit verſtatten konnte.

Her-
J i 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0511" n="505"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Was fu&#x0364;r ein verkehrtes Ma&#x0364;gdchen i&#x017F;t dieß,<lb/>
daß &#x017F;ie mit ihrem Schick&#x017F;al &#x017F;treitet: da &#x017F;ie doch<lb/>
Ur&#x017F;ache hat zu gedenken, daß ihr Ge&#x017F;tirn &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
wider &#x017F;ie fechte! Jch bin der Glu&#x0364;cklich&#x017F;te auf Er-<lb/>
den &#x2012; &#x2012; Aber der Othem vergehet mir noch, wenn<lb/>
ich u&#x0364;berlege, an was fu&#x0364;r einem zarten Faden mein<lb/>
Schick&#x017F;al gehangen.</p><lb/>
          <p>Jedoch ich will dich nicht la&#x0364;nger in ungewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er Erwartung la&#x017F;&#x017F;en: ich habe binnen die&#x017F;er hal-<lb/>
ben Stunde den Be&#x017F;itz von dem erwarteten Brie-<lb/>
fe der Fra&#x0364;ulein Howe erlanget &#x2012; &#x2012; und zwar<lb/>
durch einen <hi rendition="#fr">&#x017F;olchen</hi> Zufall! Allein ich muß<lb/>
&#x017F;chließen und dieß mit dem vorhergehenden ab-<lb/>
&#x017F;chicken: weil dein Bothe wartet.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der zwey und dreyßig&#x017F;te Brief.</hi><lb/>
Eine Fort&#x017F;etzung des vorhergehenden<lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Lovelace.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Sache verhielte &#x017F;ich al&#x017F;o &#x2012; &#x2012; Meine Ge-<lb/>
liebte ging die&#x017F;en Nachmittag wiederum in<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der Frau Moore zur Kirche. Jch<lb/>
hatte mich <hi rendition="#fr">anfangs</hi> &#x017F;ehr eifrig bezeiget, mir ih-<lb/>
re Gegenwart bey dem Mittagse&#x017F;&#x017F;en auszubitten:<lb/>
aber vergebens. Dem zu folge, was &#x017F;ie zu der<lb/>
Frau Moore ge&#x017F;agt hatte, war ich ihr <hi rendition="#fr">zu betra&#x0364;cht-<lb/>
lich,</hi> daß &#x017F;ie die&#x017F;e Gewogenheit ver&#x017F;tatten konnte.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">J i 5</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Her-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[505/0511] Was fuͤr ein verkehrtes Maͤgdchen iſt dieß, daß ſie mit ihrem Schickſal ſtreitet: da ſie doch Urſache hat zu gedenken, daß ihr Geſtirn ſelbſt wider ſie fechte! Jch bin der Gluͤcklichſte auf Er- den ‒ ‒ Aber der Othem vergehet mir noch, wenn ich uͤberlege, an was fuͤr einem zarten Faden mein Schickſal gehangen. Jedoch ich will dich nicht laͤnger in ungewiſ- ſer Erwartung laſſen: ich habe binnen dieſer hal- ben Stunde den Beſitz von dem erwarteten Brie- fe der Fraͤulein Howe erlanget ‒ ‒ und zwar durch einen ſolchen Zufall! Allein ich muß ſchließen und dieß mit dem vorhergehenden ab- ſchicken: weil dein Bothe wartet. Der zwey und dreyßigſte Brief. Eine Fortſetzung des vorhergehenden von Herrn Lovelace. Die Sache verhielte ſich alſo ‒ ‒ Meine Ge- liebte ging dieſen Nachmittag wiederum in Geſellſchaft der Frau Moore zur Kirche. Jch hatte mich anfangs ſehr eifrig bezeiget, mir ih- re Gegenwart bey dem Mittagseſſen auszubitten: aber vergebens. Dem zu folge, was ſie zu der Frau Moore geſagt hatte, war ich ihr zu betraͤcht- lich, daß ſie dieſe Gewogenheit verſtatten konnte. Her- J i 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/511
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/511>, abgerufen am 21.12.2024.