"dieses! Sie muß mich hassen oder verachten! "Warum folge ich nicht dem Rath, der mir gegeben "wird? Es wird nicht lange währen, liebes Kind, "daß du mich verachten und auslachen darfst!
P. S. "Die Mühe, die sich mein Kind gegeben "hat, meiner loos zu werden, wenn es bey den "Seinigen eine Zuflucht zu gewarten hätte, und daß "an dem Sonntage eine Kutsche bestellet war, die "meinen Schatz nicht wieder nach Hause gebracht "haben würde, wenn ich ihn nicht begleitet und "bewachet hätte, denn hat die Fräulein nicht selbst "gesagt, daß sie sich auf eins der benachbarten Dör- "fer begeben wollte, um in der Stille zu seyn?) "Höre Bruder, alle diese Dinge machen mich unru- "hig! Jch habe deswegen meinem Diener und den "Wächterinnen dieses Hauses von neuen geschrie- "bene Befehle gegeben, wie sie sich verhalten sollen, "wenn mein Vögelchen in meiner Abwesenheit da- "von fliegen sollte; insonderheit habe ich meinen "Kerl unterrichtet, was er für eine Lüge vorbrin- "gen soll, wenn mein Kind bey gantz fremden Len- "ten Schutz suchen sollte, um meinem Schutze zu "entgehen. Jch werde noch mehr zu diesen Befeh- "len hinzuthun, wenn es die Noth erfodert."
Der funfzehnte Brief von Fräulein Howe an Fräulein Clarissa Harlowe.
Donnerstags den 18ten May.
Jch
G 5
„dieſes! Sie muß mich haſſen oder verachten! „Warum folge ich nicht dem Rath, der mir gegeben „wird? Es wird nicht lange waͤhren, liebes Kind, „daß du mich verachten und auslachen darfſt!
P. S. „Die Muͤhe, die ſich mein Kind gegeben „hat, meiner loos zu werden, wenn es bey den „Seinigen eine Zuflucht zu gewarten haͤtte, und daß „an dem Sonntage eine Kutſche beſtellet war, die „meinen Schatz nicht wieder nach Hauſe gebracht „haben wuͤrde, wenn ich ihn nicht begleitet und „bewachet haͤtte, denn hat die Fraͤulein nicht ſelbſt „geſagt, daß ſie ſich auf eins der benachbarten Doͤr- „fer begeben wollte, um in der Stille zu ſeyn?) „Hoͤre Bruder, alle dieſe Dinge machen mich unru- „hig! Jch habe deswegen meinem Diener und den „Waͤchterinnen dieſes Hauſes von neuen geſchrie- „bene Befehle gegeben, wie ſie ſich verhalten ſollen, „wenn mein Voͤgelchen in meiner Abweſenheit da- „von fliegen ſollte; inſonderheit habe ich meinen „Kerl unterrichtet, was er fuͤr eine Luͤge vorbrin- „gen ſoll, wenn mein Kind bey gantz fremden Len- „ten Schutz ſuchen ſollte, um meinem Schutze zu „entgehen. Jch werde noch mehr zu dieſen Befeh- „len hinzuthun, wenn es die Noth erfodert.„
Der funfzehnte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Donnerſtags den 18ten May.
Jch
G 5
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„dieſes! Sie muß mich haſſen oder verachten!
„Warum folge ich nicht dem Rath, der mir gegeben
„wird? Es wird nicht lange waͤhren, liebes Kind,
„daß du mich verachten und auslachen darfſt!
P. S. „Die Muͤhe, die ſich mein Kind gegeben
„hat, meiner loos zu werden, wenn es bey den
„Seinigen eine Zuflucht zu gewarten haͤtte, und daß
„an dem Sonntage eine Kutſche beſtellet war, die
„meinen Schatz nicht wieder nach Hauſe gebracht
„haben wuͤrde, wenn ich ihn nicht begleitet und
„bewachet haͤtte, denn hat die Fraͤulein nicht ſelbſt
„geſagt, daß ſie ſich auf eins der benachbarten Doͤr-
„fer begeben wollte, um in der Stille zu ſeyn?)
„Hoͤre Bruder, alle dieſe Dinge machen mich unru-
„hig! Jch habe deswegen meinem Diener und den
„Waͤchterinnen dieſes Hauſes von neuen geſchrie-
„bene Befehle gegeben, wie ſie ſich verhalten ſollen,
„wenn mein Voͤgelchen in meiner Abweſenheit da-
„von fliegen ſollte; inſonderheit habe ich meinen
„Kerl unterrichtet, was er fuͤr eine Luͤge vorbrin-
„gen ſoll, wenn mein Kind bey gantz fremden Len-
„ten Schutz ſuchen ſollte, um meinem Schutze zu
„entgehen. Jch werde noch mehr zu dieſen Befeh-
„len hinzuthun, wenn es die Noth erfodert.„
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Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/111>, abgerufen am 22.02.2025.
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