scheidenden Augenblick geschahe, so heftig, so aufrichtig gereuen? Nimm dich in Acht, meine Schöne. Denn das Hertz, in dem dir die Liebe einen Tempel geweyhet hat, brennet von Eifer- sucht.
Jch kann es ihr zwar nicht übel nehmen, daß ihr eine so plötzliche Veränderung empfindlich ist, und ihre Zuneigung zu mir abkühlet. Wenn sie siehet, wie heilig ich alle ihre Befehle beobachte, so wird sie hoffentlich zwischen ihrem vorigen Ge- fängniß und ihrer jetzigen Freyheit einen Unter- scheid finden, und einige Triebe der Danckbarkeit gegen mich empfinden.
Sie kommt, sie kommt. Eben gehet die Son- ne auf, sie zu empfangen. Lebe wohl! sey halb so glücklich als ich, (denn alle meine Zweiffeln ver- schwinden jetzt, wie ein Nebel vor der Sonne) so wirst du nächst mir der glücklichste Mensch in der Welt seyn.
Der fünfte Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Mittewochens den 12. April.
Jch will meine betrübte Erzählung fortsetzen.
Nachdem ich in der Uebereilung bis an den Wagen gekommen war, so würde es ver-
geblich
ſcheidenden Augenblick geſchahe, ſo heftig, ſo aufrichtig gereuen? Nimm dich in Acht, meine Schoͤne. Denn das Hertz, in dem dir die Liebe einen Tempel geweyhet hat, brennet von Eifer- ſucht.
Jch kann es ihr zwar nicht uͤbel nehmen, daß ihr eine ſo ploͤtzliche Veraͤnderung empfindlich iſt, und ihre Zuneigung zu mir abkuͤhlet. Wenn ſie ſiehet, wie heilig ich alle ihre Befehle beobachte, ſo wird ſie hoffentlich zwiſchen ihrem vorigen Ge- faͤngniß und ihrer jetzigen Freyheit einen Unter- ſcheid finden, und einige Triebe der Danckbarkeit gegen mich empfinden.
Sie kommt, ſie kommt. Eben gehet die Son- ne auf, ſie zu empfangen. Lebe wohl! ſey halb ſo gluͤcklich als ich, (denn alle meine Zweiffeln ver- ſchwinden jetzt, wie ein Nebel vor der Sonne) ſo wirſt du naͤchſt mir der gluͤcklichſte Menſch in der Welt ſeyn.
Der fuͤnfte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Mittewochens den 12. April.
Jch will meine betruͤbte Erzaͤhlung fortſetzen.
Nachdem ich in der Uebereilung bis an den Wagen gekommen war, ſo wuͤrde es ver-
geblich
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[48/0062]
ſcheidenden Augenblick geſchahe, ſo heftig, ſo
aufrichtig gereuen? Nimm dich in Acht, meine
Schoͤne. Denn das Hertz, in dem dir die Liebe
einen Tempel geweyhet hat, brennet von Eifer-
ſucht.
Jch kann es ihr zwar nicht uͤbel nehmen, daß
ihr eine ſo ploͤtzliche Veraͤnderung empfindlich iſt,
und ihre Zuneigung zu mir abkuͤhlet. Wenn ſie
ſiehet, wie heilig ich alle ihre Befehle beobachte,
ſo wird ſie hoffentlich zwiſchen ihrem vorigen Ge-
faͤngniß und ihrer jetzigen Freyheit einen Unter-
ſcheid finden, und einige Triebe der Danckbarkeit
gegen mich empfinden.
Sie kommt, ſie kommt. Eben gehet die Son-
ne auf, ſie zu empfangen. Lebe wohl! ſey halb
ſo gluͤcklich als ich, (denn alle meine Zweiffeln ver-
ſchwinden jetzt, wie ein Nebel vor der Sonne) ſo
wirſt du naͤchſt mir der gluͤcklichſte Menſch in der
Welt ſeyn.
Der fuͤnfte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Mittewochens den 12. April.
Jch will meine betruͤbte Erzaͤhlung fortſetzen.
Nachdem ich in der Uebereilung bis an den
Wagen gekommen war, ſo wuͤrde es ver-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/62>, abgerufen am 21.11.2024.
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