übersende diesen Brief durch einen eigenen Boten. Jch bin, und werde ewig seyn
Jhre ergebenste Anna Howe.
Der siebenzigste Brief von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Donnerstags den 4ten May.
Jch schlage mir jetzt alle meine vorigen Verpflich- tungen, alle meine Wünsche, alle meine Furcht aus dem Sinne, und ergreiffe von neuen die Feder, um Sie zu bitten, daß Sie ihre Liebe gegen mich nie durch eine solche Uebereilung beweisen wollen, die ich Jhnen ohnmöglich würde Danck wissen können, sondern die ich Zeit Lebens würde bereuen müssen. Wenn ich den Briefwechsel fortsetzen muß; so muß ich. Jch weiß, wie wenig Sie im Stande sind, sich einreden zu lassen, so bald Sie glauben, daß die Pflichten der Freundschaft, die Sie Jhr edles Hertz lehret, verletzet werden könnten.
Mein allerliebster Schatz, wollen Sie sich den Fluch einer Mutter zuziehen, weil ich unter einem väterlichen Fluche liege? Würde nicht die Welt meine Sünde für ansteckend halten, wenn mir die Fräulein Howe darin nachfolgete? Die Unrecht- mäßigkeit einiger Vergehungen leuchtet so offenbar in die Augen, daß man es nicht einmal wagen
kann,
K k 3
uͤberſende dieſen Brief durch einen eigenen Boten. Jch bin, und werde ewig ſeyn
Jhre ergebenſte Anna Howe.
Der ſiebenzigſte Brief von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Donnerſtags den 4ten May.
Jch ſchlage mir jetzt alle meine vorigen Verpflich- tungen, alle meine Wuͤnſche, alle meine Furcht aus dem Sinne, und ergreiffe von neuen die Feder, um Sie zu bitten, daß Sie ihre Liebe gegen mich nie durch eine ſolche Uebereilung beweiſen wollen, die ich Jhnen ohnmoͤglich wuͤrde Danck wiſſen koͤnnen, ſondern die ich Zeit Lebens wuͤrde bereuen muͤſſen. Wenn ich den Briefwechſel fortſetzen muß; ſo muß ich. Jch weiß, wie wenig Sie im Stande ſind, ſich einreden zu laſſen, ſo bald Sie glauben, daß die Pflichten der Freundſchaft, die Sie Jhr edles Hertz lehret, verletzet werden koͤnnten.
Mein allerliebſter Schatz, wollen Sie ſich den Fluch einer Mutter zuziehen, weil ich unter einem vaͤterlichen Fluche liege? Wuͤrde nicht die Welt meine Suͤnde fuͤr anſteckend halten, wenn mir die Fraͤulein Howe darin nachfolgete? Die Unrecht- maͤßigkeit einiger Vergehungen leuchtet ſo offenbar in die Augen, daß man es nicht einmal wagen
kann,
K k 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0531"n="517"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
uͤberſende dieſen Brief durch einen eigenen Boten.<lb/>
Jch bin, und werde ewig ſeyn</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Jhre ergebenſte<lb/><hirendition="#fr">Anna Howe.</hi></hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der ſiebenzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein<lb/>
Howe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Donnerſtags den 4ten May.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch ſchlage mir jetzt alle meine vorigen Verpflich-<lb/>
tungen, alle meine Wuͤnſche, alle meine Furcht<lb/>
aus dem Sinne, und ergreiffe von neuen die Feder,<lb/>
um Sie zu bitten, daß Sie ihre Liebe gegen mich nie<lb/>
durch eine ſolche Uebereilung beweiſen wollen, die<lb/>
ich Jhnen ohnmoͤglich wuͤrde Danck wiſſen koͤnnen,<lb/>ſondern die ich Zeit Lebens wuͤrde bereuen muͤſſen.<lb/>
Wenn ich den Briefwechſel fortſetzen <hirendition="#fr">muß;</hi>ſo muß<lb/>
ich. Jch weiß, wie wenig Sie im Stande ſind, ſich<lb/>
einreden zu laſſen, ſo bald Sie glauben, daß die<lb/>
Pflichten der Freundſchaft, die Sie Jhr edles Hertz<lb/>
lehret, verletzet werden koͤnnten.</p><lb/><p>Mein allerliebſter Schatz, wollen Sie ſich den<lb/>
Fluch einer Mutter zuziehen, weil ich unter einem<lb/>
vaͤterlichen Fluche liege? Wuͤrde nicht die Welt<lb/>
meine Suͤnde fuͤr anſteckend halten, wenn mir die<lb/>
Fraͤulein <hirendition="#fr">Howe</hi> darin nachfolgete? Die Unrecht-<lb/>
maͤßigkeit einiger Vergehungen leuchtet ſo offenbar<lb/>
in die Augen, daß man es nicht einmal wagen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">K k 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">kann,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[517/0531]
uͤberſende dieſen Brief durch einen eigenen Boten.
Jch bin, und werde ewig ſeyn
Jhre ergebenſte
Anna Howe.
Der ſiebenzigſte Brief
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Donnerſtags den 4ten May.
Jch ſchlage mir jetzt alle meine vorigen Verpflich-
tungen, alle meine Wuͤnſche, alle meine Furcht
aus dem Sinne, und ergreiffe von neuen die Feder,
um Sie zu bitten, daß Sie ihre Liebe gegen mich nie
durch eine ſolche Uebereilung beweiſen wollen, die
ich Jhnen ohnmoͤglich wuͤrde Danck wiſſen koͤnnen,
ſondern die ich Zeit Lebens wuͤrde bereuen muͤſſen.
Wenn ich den Briefwechſel fortſetzen muß; ſo muß
ich. Jch weiß, wie wenig Sie im Stande ſind, ſich
einreden zu laſſen, ſo bald Sie glauben, daß die
Pflichten der Freundſchaft, die Sie Jhr edles Hertz
lehret, verletzet werden koͤnnten.
Mein allerliebſter Schatz, wollen Sie ſich den
Fluch einer Mutter zuziehen, weil ich unter einem
vaͤterlichen Fluche liege? Wuͤrde nicht die Welt
meine Suͤnde fuͤr anſteckend halten, wenn mir die
Fraͤulein Howe darin nachfolgete? Die Unrecht-
maͤßigkeit einiger Vergehungen leuchtet ſo offenbar
in die Augen, daß man es nicht einmal wagen
kann,
K k 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/531>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.