Weil Jhr aus euren Büchern nicht gelernt habt, wie Jhr Eure Familie, Euer Geschlecht und Eure Erziehung ehren sollt, so werden sie Euch nicht ge- schicket werden: eben so wenig werdet Jhr Euer Geld und die Juwelen empfangen, die Euch ohne Euer Verdienst zugewandt worden. Denn man wün- schet, daß Jhr dereinst auf den Straßen zu London möget betteln gehen. Wenn Euch dieses hart vor- kommt, so schlaget auf Eure Brust, und fraget Euch selbst, warum Jhr es verdienet habt?
Alle die Herren, denen Jhr aus Stoltz eine ab- schlägige Antwort gegeben habt, (den eintzigen Herrn Solmes ausgenommen, der doch am mei- sten Ursache hätte sich zu freuen, daß Jhr durch Eure Entlauffung ihn vor den größten Unglück bewahret habt) frolocken über Eure Schande, und können nun die Ursache errathen, warum Jhr sie nicht habt haben wollen. Eure Frau Norton schämet sich Eurer und beweinet mit Eurer Mutter alle vergeb- liche Mühe, die sie beyde an Euch und an Eure Er- ziehung gewendet haben. Kurtz jederman schämet sich Eurer: niemand aber thut es mehr als
Arabella Harlowe.
Der vier und funfzigste Brief von Fräulein Howe an Fräulein Clarissa Harlowe.
Dienstags den 25. April.
Fassen
C c 2
Weil Jhr aus euren Buͤchern nicht gelernt habt, wie Jhr Eure Familie, Euer Geſchlecht und Eure Erziehung ehren ſollt, ſo werden ſie Euch nicht ge- ſchicket werden: eben ſo wenig werdet Jhr Euer Geld und die Juwelen empfangen, die Euch ohne Euer Verdienſt zugewandt worden. Denn man wuͤn- ſchet, daß Jhr dereinſt auf den Straßen zu London moͤget betteln gehen. Wenn Euch dieſes hart vor- kommt, ſo ſchlaget auf Eure Bruſt, und fraget Euch ſelbſt, warum Jhr es verdienet habt?
Alle die Herren, denen Jhr aus Stoltz eine ab- ſchlaͤgige Antwort gegeben habt, (den eintzigen Herrn Solmes ausgenommen, der doch am mei- ſten Urſache haͤtte ſich zu freuen, daß Jhr durch Eure Entlauffung ihn vor den groͤßten Ungluͤck bewahret habt) frolocken uͤber Eure Schande, und koͤnnen nun die Urſache errathen, warum Jhr ſie nicht habt haben wollen. Eure Frau Norton ſchaͤmet ſich Eurer und beweinet mit Eurer Mutter alle vergeb- liche Muͤhe, die ſie beyde an Euch und an Eure Er- ziehung gewendet haben. Kurtz jederman ſchaͤmet ſich Eurer: niemand aber thut es mehr als
Arabella Harlowe.
Der vier und funfzigſte Brief von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Dienſtags den 25. April.
Faſſen
C c 2
<TEI><text><body><divn="1"><div><pbfacs="#f0417"n="403"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Weil Jhr aus euren Buͤchern nicht gelernt habt,<lb/>
wie Jhr Eure Familie, Euer Geſchlecht und Eure<lb/>
Erziehung ehren ſollt, ſo werden ſie Euch nicht ge-<lb/>ſchicket werden: eben ſo wenig werdet Jhr Euer Geld<lb/>
und die Juwelen empfangen, die Euch ohne Euer<lb/>
Verdienſt zugewandt worden. Denn man wuͤn-<lb/>ſchet, daß Jhr dereinſt auf den Straßen zu <hirendition="#fr">London</hi><lb/>
moͤget betteln gehen. Wenn Euch dieſes hart vor-<lb/>
kommt, ſo ſchlaget auf Eure Bruſt, und fraget Euch<lb/>ſelbſt, warum Jhr es verdienet habt?</p><lb/><p>Alle die Herren, denen Jhr aus Stoltz eine ab-<lb/>ſchlaͤgige Antwort gegeben habt, (den eintzigen<lb/>
Herrn <hirendition="#fr">Solmes</hi> ausgenommen, der doch am mei-<lb/>ſten Urſache haͤtte ſich zu freuen, daß Jhr durch Eure<lb/>
Entlauffung ihn vor den groͤßten Ungluͤck bewahret<lb/>
habt) frolocken uͤber Eure Schande, und koͤnnen<lb/>
nun die Urſache errathen, warum Jhr ſie nicht habt<lb/>
haben wollen. Eure Frau <hirendition="#fr">Norton</hi>ſchaͤmet ſich<lb/>
Eurer und beweinet mit Eurer Mutter alle vergeb-<lb/>
liche Muͤhe, die ſie beyde an Euch und an Eure Er-<lb/>
ziehung gewendet haben. Kurtz jederman ſchaͤmet<lb/>ſich Eurer: niemand aber thut es mehr als</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et"><hirendition="#fr">Arabella Harlowe.</hi></hi></salute></closer></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der vier und funfzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa<lb/>
Harlowe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Dienſtags den 25. April.</hi></dateline><lb/><fwplace="bottom"type="sig">C c 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Faſſen</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[403/0417]
Weil Jhr aus euren Buͤchern nicht gelernt habt,
wie Jhr Eure Familie, Euer Geſchlecht und Eure
Erziehung ehren ſollt, ſo werden ſie Euch nicht ge-
ſchicket werden: eben ſo wenig werdet Jhr Euer Geld
und die Juwelen empfangen, die Euch ohne Euer
Verdienſt zugewandt worden. Denn man wuͤn-
ſchet, daß Jhr dereinſt auf den Straßen zu London
moͤget betteln gehen. Wenn Euch dieſes hart vor-
kommt, ſo ſchlaget auf Eure Bruſt, und fraget Euch
ſelbſt, warum Jhr es verdienet habt?
Alle die Herren, denen Jhr aus Stoltz eine ab-
ſchlaͤgige Antwort gegeben habt, (den eintzigen
Herrn Solmes ausgenommen, der doch am mei-
ſten Urſache haͤtte ſich zu freuen, daß Jhr durch Eure
Entlauffung ihn vor den groͤßten Ungluͤck bewahret
habt) frolocken uͤber Eure Schande, und koͤnnen
nun die Urſache errathen, warum Jhr ſie nicht habt
haben wollen. Eure Frau Norton ſchaͤmet ſich
Eurer und beweinet mit Eurer Mutter alle vergeb-
liche Muͤhe, die ſie beyde an Euch und an Eure Er-
ziehung gewendet haben. Kurtz jederman ſchaͤmet
ſich Eurer: niemand aber thut es mehr als
Arabella Harlowe.
Der vier und funfzigſte Brief
von
Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.
Dienſtags den 25. April.
Faſſen
C c 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/417>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.