fürchten können. So lange wir aber zum Gehor- sam verpslichtet sind, so lange wird auch der Un- gehorsam in den allerbesten und sichersten Um- ständen dennoch ein Fehltritt seyn. Es kann gewiß nicht löblich seyn, wenn wir mit Hintansetzung des Raths unserer Eltern unserm eigenen Kopfe folgen: und wenn diese Sünde straf-fällig ist, so meine ich, daß ich genug dafür gestraft bin. Deswe- gen wollte ich gern, daß Sie sich durch mein Bey- spiel warnen ließen.
Was mache ich aber? Bin ich auch bey Ver- stande? Jch gebe Jhnen einen Rath wider mich selbst! Jch thue es mit großem Widerwillen; und doch habe ich nicht so viel Entschliessung, daß ich unterlassen könnte diesen Rath zu geben. Wenn aber der Brief noch einige Zeit liegen bleibet, so will ich alles besser überlegen.
Sie geben mir in Absicht auf Lovelacen einen sehr verständigen Rath, dafür ich Jhnen verbun- den bin. Sie wollen, daß ich behutsamer gegen ihn seyn soll: ich will es versuchen Jhrem Rath zu folgen. Allein eine Verstellung findet nicht statt, bey
Jhrer ergebensten Dienerin Cl. Harlowe.
Der zwantzigste Brief, von Fräulein Clarissa Harlowe an Fräulein Howe.
Sie können sicherlich glauben, daß ich über das Geschrey an der Garten-Thür, dadurch
meine
fuͤrchten koͤnnen. So lange wir aber zum Gehor- ſam verpſlichtet ſind, ſo lange wird auch der Un- gehorſam in den allerbeſten und ſicherſten Um- ſtaͤnden dennoch ein Fehltritt ſeyn. Es kann gewiß nicht loͤblich ſeyn, wenn wir mit Hintanſetzung des Raths unſerer Eltern unſerm eigenen Kopfe folgen: und wenn dieſe Suͤnde ſtraf-faͤllig iſt, ſo meine ich, daß ich genug dafuͤr geſtraft bin. Deswe- gen wollte ich gern, daß Sie ſich durch mein Bey- ſpiel warnen ließen.
Was mache ich aber? Bin ich auch bey Ver- ſtande? Jch gebe Jhnen einen Rath wider mich ſelbſt! Jch thue es mit großem Widerwillen; und doch habe ich nicht ſo viel Entſchlieſſung, daß ich unterlaſſen koͤnnte dieſen Rath zu geben. Wenn aber der Brief noch einige Zeit liegen bleibet, ſo will ich alles beſſer uͤberlegen.
Sie geben mir in Abſicht auf Lovelacen einen ſehr verſtaͤndigen Rath, dafuͤr ich Jhnen verbun- den bin. Sie wollen, daß ich behutſamer gegen ihn ſeyn ſoll: ich will es verſuchen Jhrem Rath zu folgen. Allein eine Verſtellung findet nicht ſtatt, bey
Jhrer ergebenſten Dienerin Cl. Harlowe.
Der zwantzigſte Brief, von Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein Howe.
Sie koͤnnen ſicherlich glauben, daß ich uͤber das Geſchrey an der Garten-Thuͤr, dadurch
meine
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fuͤrchten koͤnnen. So lange wir aber zum Gehor-
ſam verpſlichtet ſind, ſo lange wird auch der Un-
gehorſam in den allerbeſten und ſicherſten Um-
ſtaͤnden dennoch ein Fehltritt ſeyn. Es kann gewiß
nicht loͤblich ſeyn, wenn wir mit Hintanſetzung des
Raths unſerer Eltern unſerm eigenen Kopfe folgen:
und wenn dieſe Suͤnde ſtraf-faͤllig iſt, ſo meine
ich, daß ich genug dafuͤr geſtraft bin. Deswe-
gen wollte ich gern, daß Sie ſich durch mein Bey-
ſpiel warnen ließen.
Was mache ich aber? Bin ich auch bey Ver-
ſtande? Jch gebe Jhnen einen Rath wider mich
ſelbſt! Jch thue es mit großem Widerwillen; und
doch habe ich nicht ſo viel Entſchlieſſung, daß ich
unterlaſſen koͤnnte dieſen Rath zu geben. Wenn
aber der Brief noch einige Zeit liegen bleibet, ſo
will ich alles beſſer uͤberlegen.
Sie geben mir in Abſicht auf Lovelacen einen
ſehr verſtaͤndigen Rath, dafuͤr ich Jhnen verbun-
den bin. Sie wollen, daß ich behutſamer gegen
ihn ſeyn ſoll: ich will es verſuchen Jhrem Rath
zu folgen. Allein eine Verſtellung findet nicht
ſtatt, bey
Jhrer ergebenſten Dienerin
Cl. Harlowe.
Der zwantzigſte Brief,
von
Fraͤulein Clariſſa Harlowe an Fraͤulein
Howe.
Sie koͤnnen ſicherlich glauben, daß ich uͤber das
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/205>, abgerufen am 21.11.2024.
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