Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
Mutter als aus eigener Hofnung thue: denn ich
habe ihm nie erlaubt zu hoffen.

Mit seinem Gesichte habe ich auch einen Krieg,
ob er gleich in Absicht auf die Leibes-Bildung groß
genug, und mittelmäßig artig ist. Nicht eigent-
lich seine Gesichts-Züge beleidigen mich: denn was
kommt (wie Sie oft zu sagen pflegen) auf diese
bey einer Manns-Person an? aber Hickman hat
bey starcken Lineamenten, und ungestalt dicken
Kinnbacken, doch nicht das Männliche in seinem
Ansehen, das Lowelace mit der aller ordentlichsten
und angenehmsten Gesichts-Bildung verbindet.

Was ist er ferner in Sitten und Kleidung für
ein Pedant? Jch habe das lange Geifer-Tuch, das
Paternoster so er am Halse trägt, noch nie recht
auslachen können, weil meine Mutter sich einbil-
det, es kleide ihn gut; und ich nicht gern gegen
ihn so frey seyn will, ihm zu gestehen, daß er mir
eine Gefälligkeit thäte, wenn er es ablegte. Tha-
te er dieses auch, so würde er gewiß nach seiner
sonderbahren Art auf ein Hals-Tuch von König
Wilhelms Tracht, oder auf eine solche Art von
Kinnküssen verfallen, als sich in alten Gemählden
zeiget.

Jn der Kleidung kann man ihn nicht nachläßig
nennen: aber bisweilen ist er zu zierlich, und ein
anderes mahl zu sehr ohne Zierrath, als daß man
sagen könnte, er sey nett, und sich selbst beständig
gleich. Mit seinen Sitten macht er ein solches
Geräüsch, daß man fast dencken solte, sie wären
Gäste bey ihm, mit denen er fremde thun müste.

Sie

Die Geſchichte
Mutter als aus eigener Hofnung thue: denn ich
habe ihm nie erlaubt zu hoffen.

Mit ſeinem Geſichte habe ich auch einen Krieg,
ob er gleich in Abſicht auf die Leibes-Bildung groß
genug, und mittelmaͤßig artig iſt. Nicht eigent-
lich ſeine Geſichts-Zuͤge beleidigen mich: denn was
kommt (wie Sie oft zu ſagen pflegen) auf dieſe
bey einer Manns-Perſon an? aber Hickman hat
bey ſtarcken Lineamenten, und ungeſtalt dicken
Kinnbacken, doch nicht das Maͤnnliche in ſeinem
Anſehen, das Lowelace mit der aller ordentlichſten
und angenehmſten Geſichts-Bildung verbindet.

Was iſt er ferner in Sitten und Kleidung fuͤr
ein Pedant? Jch habe das lange Geifer-Tuch, das
Paternoſter ſo er am Halſe traͤgt, noch nie recht
auslachen koͤnnen, weil meine Mutter ſich einbil-
det, es kleide ihn gut; und ich nicht gern gegen
ihn ſo frey ſeyn will, ihm zu geſtehen, daß er mir
eine Gefaͤlligkeit thaͤte, wenn er es ablegte. Tha-
te er dieſes auch, ſo wuͤrde er gewiß nach ſeiner
ſonderbahren Art auf ein Hals-Tuch von Koͤnig
Wilhelms Tracht, oder auf eine ſolche Art von
Kinnkuͤſſen verfallen, als ſich in alten Gemaͤhlden
zeiget.

Jn der Kleidung kann man ihn nicht nachlaͤßig
nennen: aber bisweilen iſt er zu zierlich, und ein
anderes mahl zu ſehr ohne Zierrath, als daß man
ſagen koͤnnte, er ſey nett, und ſich ſelbſt beſtaͤndig
gleich. Mit ſeinen Sitten macht er ein ſolches
Geraͤuͤſch, daß man faſt dencken ſolte, ſie waͤren
Gaͤſte bey ihm, mit denen er fremde thun muͤſte.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
Mutter als aus eigener Hofnung thue: denn ich<lb/>
habe ihm nie erlaubt zu hoffen.</p><lb/>
          <p>Mit &#x017F;einem Ge&#x017F;ichte habe ich auch einen Krieg,<lb/>
ob er gleich in Ab&#x017F;icht auf die Leibes-Bildung groß<lb/>
genug, und mittelma&#x0364;ßig artig i&#x017F;t. Nicht eigent-<lb/>
lich &#x017F;eine Ge&#x017F;ichts-Zu&#x0364;ge beleidigen mich: denn was<lb/>
kommt (wie Sie oft zu &#x017F;agen pflegen) auf die&#x017F;e<lb/>
bey einer Manns-Per&#x017F;on an? aber <hi rendition="#fr">Hickman</hi> hat<lb/>
bey &#x017F;tarcken Lineamenten, und unge&#x017F;talt dicken<lb/>
Kinnbacken, doch nicht das Ma&#x0364;nnliche in &#x017F;einem<lb/>
An&#x017F;ehen, das <hi rendition="#fr">Lowelace</hi> mit der aller ordentlich&#x017F;ten<lb/>
und angenehm&#x017F;ten Ge&#x017F;ichts-Bildung verbindet.</p><lb/>
          <p>Was i&#x017F;t er ferner in Sitten und Kleidung fu&#x0364;r<lb/>
ein Pedant? Jch habe das lange Geifer-Tuch, das<lb/>
Paterno&#x017F;ter &#x017F;o er am Hal&#x017F;e tra&#x0364;gt, noch nie recht<lb/>
auslachen ko&#x0364;nnen, weil meine Mutter &#x017F;ich einbil-<lb/>
det, es kleide ihn gut; und ich nicht gern gegen<lb/>
ihn &#x017F;o frey &#x017F;eyn will, ihm zu ge&#x017F;tehen, daß er mir<lb/>
eine Gefa&#x0364;lligkeit tha&#x0364;te, wenn er es ablegte. Tha-<lb/>
te er die&#x017F;es auch, &#x017F;o wu&#x0364;rde er gewiß nach &#x017F;einer<lb/>
&#x017F;onderbahren Art auf ein Hals-Tuch von Ko&#x0364;nig<lb/><hi rendition="#fr">Wilhelms</hi> Tracht, oder auf eine &#x017F;olche Art von<lb/>
Kinnku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en verfallen, als &#x017F;ich in alten Gema&#x0364;hlden<lb/>
zeiget.</p><lb/>
          <p>Jn der Kleidung kann man ihn nicht nachla&#x0364;ßig<lb/>
nennen: aber bisweilen i&#x017F;t er zu zierlich, und ein<lb/>
anderes mahl zu &#x017F;ehr ohne Zierrath, als daß man<lb/>
&#x017F;agen ko&#x0364;nnte, er &#x017F;ey nett, und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
gleich. Mit &#x017F;einen Sitten macht er ein &#x017F;olches<lb/>
Gera&#x0364;u&#x0364;&#x017F;ch, daß man fa&#x017F;t dencken &#x017F;olte, &#x017F;ie wa&#x0364;ren<lb/>
Ga&#x0364;&#x017F;te bey ihm, mit denen er fremde thun mu&#x0364;&#x017F;te.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0014] Die Geſchichte Mutter als aus eigener Hofnung thue: denn ich habe ihm nie erlaubt zu hoffen. Mit ſeinem Geſichte habe ich auch einen Krieg, ob er gleich in Abſicht auf die Leibes-Bildung groß genug, und mittelmaͤßig artig iſt. Nicht eigent- lich ſeine Geſichts-Zuͤge beleidigen mich: denn was kommt (wie Sie oft zu ſagen pflegen) auf dieſe bey einer Manns-Perſon an? aber Hickman hat bey ſtarcken Lineamenten, und ungeſtalt dicken Kinnbacken, doch nicht das Maͤnnliche in ſeinem Anſehen, das Lowelace mit der aller ordentlichſten und angenehmſten Geſichts-Bildung verbindet. Was iſt er ferner in Sitten und Kleidung fuͤr ein Pedant? Jch habe das lange Geifer-Tuch, das Paternoſter ſo er am Halſe traͤgt, noch nie recht auslachen koͤnnen, weil meine Mutter ſich einbil- det, es kleide ihn gut; und ich nicht gern gegen ihn ſo frey ſeyn will, ihm zu geſtehen, daß er mir eine Gefaͤlligkeit thaͤte, wenn er es ablegte. Tha- te er dieſes auch, ſo wuͤrde er gewiß nach ſeiner ſonderbahren Art auf ein Hals-Tuch von Koͤnig Wilhelms Tracht, oder auf eine ſolche Art von Kinnkuͤſſen verfallen, als ſich in alten Gemaͤhlden zeiget. Jn der Kleidung kann man ihn nicht nachlaͤßig nennen: aber bisweilen iſt er zu zierlich, und ein anderes mahl zu ſehr ohne Zierrath, als daß man ſagen koͤnnte, er ſey nett, und ſich ſelbſt beſtaͤndig gleich. Mit ſeinen Sitten macht er ein ſolches Geraͤuͤſch, daß man faſt dencken ſolte, ſie waͤren Gaͤſte bey ihm, mit denen er fremde thun muͤſte. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/14
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/14>, abgerufen am 26.04.2024.