Der sieben und dreyßigste Brieff. von Fräulein Howe an Fräulein Clarissa Harlowe.
Sonnstags den 19. Märtz.
Jch bitte um Verzeihung, daß ich meine liebste Freundin gezwungen habe, mich an der Zeit zu erinnern, da ich meinen letzten Brief geschrieben habe. Jch wünschte so viele Nachrichten von Jh- rer verständigen Aufführung in der verworrensten Sache vor mir zu haben, ais möglich wäre; indem ich gewiß glaubte, daß um diese Zeit der eine oder der andere Theil schon würde nachgegeben haben: damit ich meine Anmerckungen und mein Urtheil auf einen vesten Grund bauen könnte. Was kann ich auch schreiben, das ich nicht schon geschrieben habe? Sie wissen selbst, daß mir weiter nichts gegeben ist, als auf Jhre unverständigen Verfolger zu schelten. Allein das betrübt Sie. Jch habe Jhnen gerathen, Jhr Gut in Besitz zu nehmen: das wollen Sie nicht thun. Sie können ohnmög- lich daran dencken, eine Beute des Solmes zu werden: und Lovelace ist vest entschlossen, Sie als die seinige zu haben, andere mögen dazu sagen was sie wollen. Jch glaube, Sie können es nicht ändern, einen von beyden zu nehmen. Wir wollen erwarten, was für einen Schritt beyde Theile nun thun werden. Wenn Lovelace sei- ne eigenen Handlungen erzählt, wenn er sich so untadelhaft bey seinem ungebetenen Zuspruch im
Holtz
Die Geſchichte
Der ſieben und dreyßigſte Brieff. von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe.
Sonnſtags den 19. Maͤrtz.
Jch bitte um Verzeihung, daß ich meine liebſte Freundin gezwungen habe, mich an der Zeit zu erinnern, da ich meinen letzten Brief geſchrieben habe. Jch wuͤnſchte ſo viele Nachrichten von Jh- rer verſtaͤndigen Auffuͤhrung in der verworrenſten Sache vor mir zu haben, ais moͤglich waͤre; indem ich gewiß glaubte, daß um dieſe Zeit der eine oder der andere Theil ſchon wuͤrde nachgegeben haben: damit ich meine Anmerckungen und mein Urtheil auf einen veſten Grund bauen koͤnnte. Was kann ich auch ſchreiben, das ich nicht ſchon geſchrieben habe? Sie wiſſen ſelbſt, daß mir weiter nichts gegeben iſt, als auf Jhre unverſtaͤndigen Verfolger zu ſchelten. Allein das betruͤbt Sie. Jch habe Jhnen gerathen, Jhr Gut in Beſitz zu nehmen: das wollen Sie nicht thun. Sie koͤnnen ohnmoͤg- lich daran dencken, eine Beute des Solmes zu werden: und Lovelace iſt veſt entſchloſſen, Sie als die ſeinige zu haben, andere moͤgen dazu ſagen was ſie wollen. Jch glaube, Sie koͤnnen es nicht aͤndern, einen von beyden zu nehmen. Wir wollen erwarten, was fuͤr einen Schritt beyde Theile nun thun werden. Wenn Lovelace ſei- ne eigenen Handlungen erzaͤhlt, wenn er ſich ſo untadelhaft bey ſeinem ungebetenen Zuſpruch im
Holtz
<TEI><text><body><pbfacs="#f0440"n="420"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der ſieben und dreyßigſte Brieff.</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Fraͤulein</hi> H<hirendition="#fr">owe an Fraͤulein Clariſſa<lb/>
Harlowe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Sonnſtags den 19. Maͤrtz.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">J</hi>ch bitte um Verzeihung, daß ich meine liebſte<lb/>
Freundin gezwungen habe, mich an der Zeit<lb/>
zu erinnern, da ich meinen letzten Brief geſchrieben<lb/>
habe. Jch wuͤnſchte ſo viele Nachrichten von Jh-<lb/>
rer verſtaͤndigen Auffuͤhrung in der verworrenſten<lb/>
Sache vor mir zu haben, ais moͤglich waͤre; indem<lb/>
ich gewiß glaubte, daß um dieſe Zeit der eine oder<lb/>
der andere Theil ſchon wuͤrde nachgegeben haben:<lb/>
damit ich meine Anmerckungen und mein Urtheil<lb/>
auf einen veſten Grund bauen koͤnnte. Was kann<lb/>
ich auch ſchreiben, das ich nicht ſchon geſchrieben<lb/>
habe? Sie wiſſen ſelbſt, daß mir weiter nichts<lb/>
gegeben iſt, als auf Jhre unverſtaͤndigen Verfolger<lb/>
zu ſchelten. Allein das betruͤbt Sie. Jch habe<lb/>
Jhnen gerathen, Jhr Gut in Beſitz zu nehmen:<lb/>
das wollen Sie nicht thun. Sie koͤnnen ohnmoͤg-<lb/>
lich daran dencken, eine Beute des <hirendition="#fr">Solmes</hi> zu<lb/>
werden: und <hirendition="#fr">Lovelace</hi> iſt veſt entſchloſſen, Sie<lb/>
als die ſeinige zu haben, andere moͤgen dazu ſagen<lb/>
was ſie wollen. Jch glaube, Sie koͤnnen es<lb/>
nicht aͤndern, einen von beyden zu nehmen. Wir<lb/>
wollen erwarten, was fuͤr einen Schritt beyde<lb/>
Theile nun thun werden. Wenn <hirendition="#fr">Lovelace</hi>ſei-<lb/>
ne eigenen Handlungen erzaͤhlt, wenn er ſich ſo<lb/>
untadelhaft bey ſeinem ungebetenen Zuſpruch im<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Holtz</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[420/0440]
Die Geſchichte
Der ſieben und dreyßigſte Brieff.
von
Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.
Sonnſtags den 19. Maͤrtz.
Jch bitte um Verzeihung, daß ich meine liebſte
Freundin gezwungen habe, mich an der Zeit
zu erinnern, da ich meinen letzten Brief geſchrieben
habe. Jch wuͤnſchte ſo viele Nachrichten von Jh-
rer verſtaͤndigen Auffuͤhrung in der verworrenſten
Sache vor mir zu haben, ais moͤglich waͤre; indem
ich gewiß glaubte, daß um dieſe Zeit der eine oder
der andere Theil ſchon wuͤrde nachgegeben haben:
damit ich meine Anmerckungen und mein Urtheil
auf einen veſten Grund bauen koͤnnte. Was kann
ich auch ſchreiben, das ich nicht ſchon geſchrieben
habe? Sie wiſſen ſelbſt, daß mir weiter nichts
gegeben iſt, als auf Jhre unverſtaͤndigen Verfolger
zu ſchelten. Allein das betruͤbt Sie. Jch habe
Jhnen gerathen, Jhr Gut in Beſitz zu nehmen:
das wollen Sie nicht thun. Sie koͤnnen ohnmoͤg-
lich daran dencken, eine Beute des Solmes zu
werden: und Lovelace iſt veſt entſchloſſen, Sie
als die ſeinige zu haben, andere moͤgen dazu ſagen
was ſie wollen. Jch glaube, Sie koͤnnen es
nicht aͤndern, einen von beyden zu nehmen. Wir
wollen erwarten, was fuͤr einen Schritt beyde
Theile nun thun werden. Wenn Lovelace ſei-
ne eigenen Handlungen erzaͤhlt, wenn er ſich ſo
untadelhaft bey ſeinem ungebetenen Zuſpruch im
Holtz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/440>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.