Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Geschichte
Der sieben und dreyßigste Brieff.
von
Fräulein Howe an Fräulein Clarissa
Harlowe.

Jch bitte um Verzeihung, daß ich meine liebste
Freundin gezwungen habe, mich an der Zeit
zu erinnern, da ich meinen letzten Brief geschrieben
habe. Jch wünschte so viele Nachrichten von Jh-
rer verständigen Aufführung in der verworrensten
Sache vor mir zu haben, ais möglich wäre; indem
ich gewiß glaubte, daß um diese Zeit der eine oder
der andere Theil schon würde nachgegeben haben:
damit ich meine Anmerckungen und mein Urtheil
auf einen vesten Grund bauen könnte. Was kann
ich auch schreiben, das ich nicht schon geschrieben
habe? Sie wissen selbst, daß mir weiter nichts
gegeben ist, als auf Jhre unverständigen Verfolger
zu schelten. Allein das betrübt Sie. Jch habe
Jhnen gerathen, Jhr Gut in Besitz zu nehmen:
das wollen Sie nicht thun. Sie können ohnmög-
lich daran dencken, eine Beute des Solmes zu
werden: und Lovelace ist vest entschlossen, Sie
als die seinige zu haben, andere mögen dazu sagen
was sie wollen. Jch glaube, Sie können es
nicht ändern, einen von beyden zu nehmen. Wir
wollen erwarten, was für einen Schritt beyde
Theile nun thun werden. Wenn Lovelace sei-
ne eigenen Handlungen erzählt, wenn er sich so
untadelhaft bey seinem ungebetenen Zuspruch im

Holtz
Die Geſchichte
Der ſieben und dreyßigſte Brieff.
von
Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa
Harlowe.

Jch bitte um Verzeihung, daß ich meine liebſte
Freundin gezwungen habe, mich an der Zeit
zu erinnern, da ich meinen letzten Brief geſchrieben
habe. Jch wuͤnſchte ſo viele Nachrichten von Jh-
rer verſtaͤndigen Auffuͤhrung in der verworrenſten
Sache vor mir zu haben, ais moͤglich waͤre; indem
ich gewiß glaubte, daß um dieſe Zeit der eine oder
der andere Theil ſchon wuͤrde nachgegeben haben:
damit ich meine Anmerckungen und mein Urtheil
auf einen veſten Grund bauen koͤnnte. Was kann
ich auch ſchreiben, das ich nicht ſchon geſchrieben
habe? Sie wiſſen ſelbſt, daß mir weiter nichts
gegeben iſt, als auf Jhre unverſtaͤndigen Verfolger
zu ſchelten. Allein das betruͤbt Sie. Jch habe
Jhnen gerathen, Jhr Gut in Beſitz zu nehmen:
das wollen Sie nicht thun. Sie koͤnnen ohnmoͤg-
lich daran dencken, eine Beute des Solmes zu
werden: und Lovelace iſt veſt entſchloſſen, Sie
als die ſeinige zu haben, andere moͤgen dazu ſagen
was ſie wollen. Jch glaube, Sie koͤnnen es
nicht aͤndern, einen von beyden zu nehmen. Wir
wollen erwarten, was fuͤr einen Schritt beyde
Theile nun thun werden. Wenn Lovelace ſei-
ne eigenen Handlungen erzaͤhlt, wenn er ſich ſo
untadelhaft bey ſeinem ungebetenen Zuſpruch im

Holtz
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0440" n="420"/>
      <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi> </hi> </fw><lb/>
      <div n="2">
        <head><hi rendition="#fr">Der &#x017F;ieben und dreyßig&#x017F;te Brieff.</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Fra&#x0364;ulein</hi> H<hi rendition="#fr">owe an Fra&#x0364;ulein Clari&#x017F;&#x017F;a<lb/>
Harlowe.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#et">Sonn&#x017F;tags den 19. Ma&#x0364;rtz.</hi> </dateline><lb/>
        <p><hi rendition="#in">J</hi>ch bitte um Verzeihung, daß ich meine lieb&#x017F;te<lb/>
Freundin gezwungen habe, mich an der Zeit<lb/>
zu erinnern, da ich meinen letzten Brief ge&#x017F;chrieben<lb/>
habe. Jch wu&#x0364;n&#x017F;chte &#x017F;o viele Nachrichten von Jh-<lb/>
rer ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen Auffu&#x0364;hrung in der verworren&#x017F;ten<lb/>
Sache vor mir zu haben, ais mo&#x0364;glich wa&#x0364;re; indem<lb/>
ich gewiß glaubte, daß um die&#x017F;e Zeit der eine oder<lb/>
der andere Theil &#x017F;chon wu&#x0364;rde nachgegeben haben:<lb/>
damit ich meine Anmerckungen und mein Urtheil<lb/>
auf einen ve&#x017F;ten Grund bauen ko&#x0364;nnte. Was kann<lb/>
ich auch &#x017F;chreiben, das ich nicht &#x017F;chon ge&#x017F;chrieben<lb/>
habe? Sie wi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;elb&#x017F;t, daß mir weiter nichts<lb/>
gegeben i&#x017F;t, als auf Jhre unver&#x017F;ta&#x0364;ndigen Verfolger<lb/>
zu &#x017F;chelten. Allein das betru&#x0364;bt Sie. Jch habe<lb/>
Jhnen gerathen, Jhr Gut in Be&#x017F;itz zu nehmen:<lb/>
das wollen Sie nicht thun. Sie ko&#x0364;nnen ohnmo&#x0364;g-<lb/>
lich daran dencken, eine Beute des <hi rendition="#fr">Solmes</hi> zu<lb/>
werden: und <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> i&#x017F;t ve&#x017F;t ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, Sie<lb/>
als die &#x017F;einige zu haben, andere mo&#x0364;gen dazu &#x017F;agen<lb/>
was &#x017F;ie wollen. Jch glaube, Sie ko&#x0364;nnen es<lb/>
nicht a&#x0364;ndern, einen von beyden zu nehmen. Wir<lb/>
wollen erwarten, was fu&#x0364;r einen Schritt beyde<lb/>
Theile nun thun werden. Wenn <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> &#x017F;ei-<lb/>
ne eigenen Handlungen erza&#x0364;hlt, wenn er &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
untadelhaft bey &#x017F;einem ungebetenen Zu&#x017F;pruch im<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Holtz</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0440] Die Geſchichte Der ſieben und dreyßigſte Brieff. von Fraͤulein Howe an Fraͤulein Clariſſa Harlowe. Sonnſtags den 19. Maͤrtz. Jch bitte um Verzeihung, daß ich meine liebſte Freundin gezwungen habe, mich an der Zeit zu erinnern, da ich meinen letzten Brief geſchrieben habe. Jch wuͤnſchte ſo viele Nachrichten von Jh- rer verſtaͤndigen Auffuͤhrung in der verworrenſten Sache vor mir zu haben, ais moͤglich waͤre; indem ich gewiß glaubte, daß um dieſe Zeit der eine oder der andere Theil ſchon wuͤrde nachgegeben haben: damit ich meine Anmerckungen und mein Urtheil auf einen veſten Grund bauen koͤnnte. Was kann ich auch ſchreiben, das ich nicht ſchon geſchrieben habe? Sie wiſſen ſelbſt, daß mir weiter nichts gegeben iſt, als auf Jhre unverſtaͤndigen Verfolger zu ſchelten. Allein das betruͤbt Sie. Jch habe Jhnen gerathen, Jhr Gut in Beſitz zu nehmen: das wollen Sie nicht thun. Sie koͤnnen ohnmoͤg- lich daran dencken, eine Beute des Solmes zu werden: und Lovelace iſt veſt entſchloſſen, Sie als die ſeinige zu haben, andere moͤgen dazu ſagen was ſie wollen. Jch glaube, Sie koͤnnen es nicht aͤndern, einen von beyden zu nehmen. Wir wollen erwarten, was fuͤr einen Schritt beyde Theile nun thun werden. Wenn Lovelace ſei- ne eigenen Handlungen erzaͤhlt, wenn er ſich ſo untadelhaft bey ſeinem ungebetenen Zuſpruch im Holtz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/440
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/440>, abgerufen am 21.12.2024.