Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
meines Brieffes an Solmes zugesandt hat. Jch
meinte es wäre möglich, den Menschen muthloß
zu machen, daß er die Sache liegen ließe und ver-
lohren gäbe: als denn würden alle meine Wünsche
erfüllet seyn. Es verlohnet sich der Mühe, es zum
wenigsten zu versuchen. Sie werden aber sehen,
daß alle Mittel vergeblich sind Mein Bruder
hat sich auf allen Seiten allzuwohl vorgesehen.

An Juncker Roger Solmes.
Mein Herr

Sie werden sich darüber verwundern, daß Sie
einen Brieff von mir erhalten; und noch dazu ei-
nen Brieff von einem so ungewöhnlichen Jnhalt.
Allein die Nothwendigkeit der Sache wird mich
entschuldigen, (wo nicht nach Jhrem doch nach
meinem Urtheil) darum will ich meinen Brieff
nicht mit einer weitläuffigen Schutz-Schrifft an-
fangen.

Als Sie zuerst in meines Vaters Hause bekannt
wurden, fanden Sie mich in den glücklichsten und
vergnügtesten Umständen von der Welt. Meine
lieben und gütigen Eltern liebeten mich zärtlich,
und freueten sich darüber, daß mich zwey väterlich-
gesinnete Onckles mit ihrer Gewogenheit, und fast
alle Fremde mit ihrer Hochachtung beehrten.

Allein wie sehr ist dieses Lust-Spiel zum Trauer-
Spiel geworden! Sie beliebten ein günstiges Auge
auf mich zu werfen: Sie eröffneten dieses meinen
Ereunden, und diese billigten Jhre Vorfchläge oh-

ne

Die Geſchichte
meines Brieffes an Solmes zugeſandt hat. Jch
meinte es waͤre moͤglich, den Menſchen muthloß
zu machen, daß er die Sache liegen ließe und ver-
lohren gaͤbe: als denn wuͤrden alle meine Wuͤnſche
erfuͤllet ſeyn. Es verlohnet ſich der Muͤhe, es zum
wenigſten zu verſuchen. Sie werden aber ſehen,
daß alle Mittel vergeblich ſind Mein Bruder
hat ſich auf allen Seiten allzuwohl vorgeſehen.

An Juncker Roger Solmes.
Mein Herr

Sie werden ſich daruͤber verwundern, daß Sie
einen Brieff von mir erhalten; und noch dazu ei-
nen Brieff von einem ſo ungewoͤhnlichen Jnhalt.
Allein die Nothwendigkeit der Sache wird mich
entſchuldigen, (wo nicht nach Jhrem doch nach
meinem Urtheil) darum will ich meinen Brieff
nicht mit einer weitlaͤuffigen Schutz-Schrifft an-
fangen.

Als Sie zuerſt in meines Vaters Hauſe bekannt
wurden, fanden Sie mich in den gluͤcklichſten und
vergnuͤgteſten Umſtaͤnden von der Welt. Meine
lieben und guͤtigen Eltern liebeten mich zaͤrtlich,
und freueten ſich daruͤber, daß mich zwey vaͤterlich-
geſinnete Onckles mit ihrer Gewogenheit, und faſt
alle Fremde mit ihrer Hochachtung beehrten.

Allein wie ſehr iſt dieſes Luſt-Spiel zum Trauer-
Spiel geworden! Sie beliebten ein guͤnſtiges Auge
auf mich zu werfen: Sie eroͤffneten dieſes meinen
Ereunden, und dieſe billigten Jhre Vorfchlaͤge oh-

ne
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0396" n="376"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
meines Brieffes an <hi rendition="#fr">Solmes</hi> zuge&#x017F;andt hat. Jch<lb/>
meinte es wa&#x0364;re mo&#x0364;glich, den Men&#x017F;chen muthloß<lb/>
zu machen, daß er die Sache liegen ließe und ver-<lb/>
lohren ga&#x0364;be: als denn wu&#x0364;rden alle meine Wu&#x0364;n&#x017F;che<lb/>
erfu&#x0364;llet &#x017F;eyn. Es verlohnet &#x017F;ich der Mu&#x0364;he, es zum<lb/>
wenig&#x017F;ten zu ver&#x017F;uchen. Sie werden aber &#x017F;ehen,<lb/>
daß alle Mittel vergeblich &#x017F;ind Mein Bruder<lb/>
hat &#x017F;ich auf allen Seiten allzuwohl vorge&#x017F;ehen.</p>
        </div><lb/>
        <div>
          <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">An Juncker Roger Solmes.<lb/>
Mein Herr</hi> </hi> </salute><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Mittewochens den 15. Ma&#x0364;rtz</hi> </dateline><lb/>
          <p>Sie werden &#x017F;ich daru&#x0364;ber verwundern, daß Sie<lb/>
einen Brieff von mir erhalten; und noch dazu ei-<lb/>
nen Brieff von einem &#x017F;o ungewo&#x0364;hnlichen Jnhalt.<lb/>
Allein die Nothwendigkeit der Sache wird mich<lb/>
ent&#x017F;chuldigen, (wo nicht nach Jhrem doch nach<lb/>
meinem Urtheil) darum will ich meinen Brieff<lb/>
nicht mit einer weitla&#x0364;uffigen Schutz-Schrifft an-<lb/>
fangen.</p><lb/>
          <p>Als Sie zuer&#x017F;t in meines Vaters Hau&#x017F;e bekannt<lb/>
wurden, fanden Sie mich in den glu&#x0364;cklich&#x017F;ten und<lb/>
vergnu&#x0364;gte&#x017F;ten Um&#x017F;ta&#x0364;nden von der Welt. Meine<lb/>
lieben und gu&#x0364;tigen Eltern liebeten mich za&#x0364;rtlich,<lb/>
und freueten &#x017F;ich daru&#x0364;ber, daß mich zwey va&#x0364;terlich-<lb/>
ge&#x017F;innete Onckles mit ihrer Gewogenheit, und fa&#x017F;t<lb/>
alle Fremde mit ihrer Hochachtung beehrten.</p><lb/>
          <p>Allein wie &#x017F;ehr i&#x017F;t die&#x017F;es Lu&#x017F;t-Spiel zum Trauer-<lb/>
Spiel geworden! Sie beliebten ein gu&#x0364;n&#x017F;tiges Auge<lb/>
auf mich zu werfen: Sie ero&#x0364;ffneten die&#x017F;es meinen<lb/>
Ereunden, und die&#x017F;e billigten Jhre Vorfchla&#x0364;ge oh-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ne</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0396] Die Geſchichte meines Brieffes an Solmes zugeſandt hat. Jch meinte es waͤre moͤglich, den Menſchen muthloß zu machen, daß er die Sache liegen ließe und ver- lohren gaͤbe: als denn wuͤrden alle meine Wuͤnſche erfuͤllet ſeyn. Es verlohnet ſich der Muͤhe, es zum wenigſten zu verſuchen. Sie werden aber ſehen, daß alle Mittel vergeblich ſind Mein Bruder hat ſich auf allen Seiten allzuwohl vorgeſehen. An Juncker Roger Solmes. Mein Herr Mittewochens den 15. Maͤrtz Sie werden ſich daruͤber verwundern, daß Sie einen Brieff von mir erhalten; und noch dazu ei- nen Brieff von einem ſo ungewoͤhnlichen Jnhalt. Allein die Nothwendigkeit der Sache wird mich entſchuldigen, (wo nicht nach Jhrem doch nach meinem Urtheil) darum will ich meinen Brieff nicht mit einer weitlaͤuffigen Schutz-Schrifft an- fangen. Als Sie zuerſt in meines Vaters Hauſe bekannt wurden, fanden Sie mich in den gluͤcklichſten und vergnuͤgteſten Umſtaͤnden von der Welt. Meine lieben und guͤtigen Eltern liebeten mich zaͤrtlich, und freueten ſich daruͤber, daß mich zwey vaͤterlich- geſinnete Onckles mit ihrer Gewogenheit, und faſt alle Fremde mit ihrer Hochachtung beehrten. Allein wie ſehr iſt dieſes Luſt-Spiel zum Trauer- Spiel geworden! Sie beliebten ein guͤnſtiges Auge auf mich zu werfen: Sie eroͤffneten dieſes meinen Ereunden, und dieſe billigten Jhre Vorfchlaͤge oh- ne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/396
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/396>, abgerufen am 21.12.2024.