Seit drei Jahrzehnten hat Japan, wie kein zweites Land Asiens, die Blicke und verschiedenartigsten Interessen des gebildeten Abend- landes in immer steigendem Maasse auf sich gelenkt. Zahlreiche Zeitungsartikel, Abhandlungen und Bücher, an Inhalt und Werth so verschieden, wie die Vorbildung, Befähigung und Neigung ihrer Ur- heber, geben davon Zeugniss. Kaufleute, Künstler und Gelehrte füh- len sich von dem schönen Inselreiche Nippon, dem "Land des Son- nenaufgangs" im Osten der Alten Welt, der Cultur seiner Bewohner und ihren vielen hochinteressanten Natur- und Kunstproducten in hohem Grade angezogen. Aber noch wirksamer zur Gewinnung und Erhaltung solcher Sympathien war und ist seit den denkwürdigen Er- eignissen, zu welchen die Perry-Expedition 1854 den ersten Anstoss gab, das Verhalten der Regierung und Bevölkerung Japans zu den Fortschritten der christlichen Civilisation. Das Bestreben, die Resul- tate derselben kennen zu lernen und für ihr Land zu verwerthen, veranlasste die Regierung, gebildete Männer der verschiedensten Be- rufsarten aus den grössten und hervorragendsten christlichen Cultur- staaten als Lehrer und Organisatoren in's Land zu rufen, umgekehrt aber auch die strebsamsten und talentvollsten Jünglinge in das Abend- land zu senden, damit dieselben dort zum Nutzen ihres Vaterlandes sich weiter ausbildeten.
Aber auch Beamte in hohen Stellungen sind aus gleichem Streben wiederholt unter uns erschienen und haben sich bemüht, hervorragende Anstalten der Verwaltung, Volksbildung und gewerblichen Thätigkeit eingehend kennen zu lernen. Und wenn wir ferner lesen, wie hier ein Japaner mit Ehren sich einen Universitätsgrad erwarb, dort ein anderer durch wissenschaftlichen Vortrag die Aufmerksamkeit deut- scher Gelehrten zu fesseln wusste, wie auf den verschiedensten inter-
Rein, Japan. II. 1
Einleitung.
Seit drei Jahrzehnten hat Japan, wie kein zweites Land Asiens, die Blicke und verschiedenartigsten Interessen des gebildeten Abend- landes in immer steigendem Maasse auf sich gelenkt. Zahlreiche Zeitungsartikel, Abhandlungen und Bücher, an Inhalt und Werth so verschieden, wie die Vorbildung, Befähigung und Neigung ihrer Ur- heber, geben davon Zeugniss. Kaufleute, Künstler und Gelehrte füh- len sich von dem schönen Inselreiche Nippon, dem »Land des Son- nenaufgangs« im Osten der Alten Welt, der Cultur seiner Bewohner und ihren vielen hochinteressanten Natur- und Kunstproducten in hohem Grade angezogen. Aber noch wirksamer zur Gewinnung und Erhaltung solcher Sympathien war und ist seit den denkwürdigen Er- eignissen, zu welchen die Perry-Expedition 1854 den ersten Anstoss gab, das Verhalten der Regierung und Bevölkerung Japans zu den Fortschritten der christlichen Civilisation. Das Bestreben, die Resul- tate derselben kennen zu lernen und für ihr Land zu verwerthen, veranlasste die Regierung, gebildete Männer der verschiedensten Be- rufsarten aus den grössten und hervorragendsten christlichen Cultur- staaten als Lehrer und Organisatoren in’s Land zu rufen, umgekehrt aber auch die strebsamsten und talentvollsten Jünglinge in das Abend- land zu senden, damit dieselben dort zum Nutzen ihres Vaterlandes sich weiter ausbildeten.
Aber auch Beamte in hohen Stellungen sind aus gleichem Streben wiederholt unter uns erschienen und haben sich bemüht, hervorragende Anstalten der Verwaltung, Volksbildung und gewerblichen Thätigkeit eingehend kennen zu lernen. Und wenn wir ferner lesen, wie hier ein Japaner mit Ehren sich einen Universitätsgrad erwarb, dort ein anderer durch wissenschaftlichen Vortrag die Aufmerksamkeit deut- scher Gelehrten zu fesseln wusste, wie auf den verschiedensten inter-
Rein, Japan. II. 1
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Einleitung.
Seit drei Jahrzehnten hat Japan, wie kein zweites Land Asiens,
die Blicke und verschiedenartigsten Interessen des gebildeten Abend-
landes in immer steigendem Maasse auf sich gelenkt. Zahlreiche
Zeitungsartikel, Abhandlungen und Bücher, an Inhalt und Werth so
verschieden, wie die Vorbildung, Befähigung und Neigung ihrer Ur-
heber, geben davon Zeugniss. Kaufleute, Künstler und Gelehrte füh-
len sich von dem schönen Inselreiche Nippon, dem »Land des Son-
nenaufgangs« im Osten der Alten Welt, der Cultur seiner Bewohner
und ihren vielen hochinteressanten Natur- und Kunstproducten in
hohem Grade angezogen. Aber noch wirksamer zur Gewinnung und
Erhaltung solcher Sympathien war und ist seit den denkwürdigen Er-
eignissen, zu welchen die Perry-Expedition 1854 den ersten Anstoss
gab, das Verhalten der Regierung und Bevölkerung Japans zu den
Fortschritten der christlichen Civilisation. Das Bestreben, die Resul-
tate derselben kennen zu lernen und für ihr Land zu verwerthen,
veranlasste die Regierung, gebildete Männer der verschiedensten Be-
rufsarten aus den grössten und hervorragendsten christlichen Cultur-
staaten als Lehrer und Organisatoren in’s Land zu rufen, umgekehrt
aber auch die strebsamsten und talentvollsten Jünglinge in das Abend-
land zu senden, damit dieselben dort zum Nutzen ihres Vaterlandes
sich weiter ausbildeten.
Aber auch Beamte in hohen Stellungen sind aus gleichem Streben
wiederholt unter uns erschienen und haben sich bemüht, hervorragende
Anstalten der Verwaltung, Volksbildung und gewerblichen Thätigkeit
eingehend kennen zu lernen. Und wenn wir ferner lesen, wie hier
ein Japaner mit Ehren sich einen Universitätsgrad erwarb, dort ein
anderer durch wissenschaftlichen Vortrag die Aufmerksamkeit deut-
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Rein, Japan. II. 1
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/21>, abgerufen am 22.12.2024.
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