3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc. 4. Die Familie etc.
Tempelgründe von Shiba, Asakasa und Uyeno herumtrieben, in ihre Nähe kam *). Das sake-Trinken ist so beliebt, dass Pumpelly sagt, das herrschende Laster sei ohne Zweifel die Trunksucht.
Der Tabak, welcher, wie bereits pag. 360 hervorgehoben wurde, zu Anfang des 17. Jahrhunderts durch Portugiesen nach Nagasaki gelangte, wurde bald bei Jung und Alt, Hoch und Niedrig sehr be- liebt. Selbst unter den Frauen bilden Nichtraucher die seltene Aus- nahme. Man raucht ihn aus kleinen 15--25 Centimeter langen Pfeif- chen, bei denen Kopf und Mundstück aus Messing oder Silber, das Zwischenglied aber aus Bambusrohr besteht. Das Ganze erinnert lebhaft in seiner Gestalt an eine Clausilia, die desshalb auch mit Recht Kiseru-gai, Pfeifenschnecke, genannt wird. Das rechtwinkelig umgebogene Köpfchen ist kleiner als ein Fingerhut. Das süssliche Kraut wird fein wie türkischer Tabak zerschnitten und in lockeren Pillen in das Pfeifchen gesteckt; es reicht nur für ein auch zwei Züge, deren Rauch verschlungen und durch die Nasenlöcher wieder ausgetrieben wird **). Hierauf wird das Pfeifchen am hibachi oder tabako-mon ausgeklopft, von neuem gestopft, angezündet und sein Rauch eingeschlürft. Pfeifchen und Tabakstasche sind des Japaners stete Begleiter. Dem Rauchen widmet er einen ansehnlichen Theil der Tageszeit, mit ihm beginnt, unterbricht und endet er seine Ar- beit. Darum erfordert es allenthalben die Höflichkeit, dem ankommen- den Gaste nicht blos alsbald eine Schale Thee, sondern vorher noch das hibachi vorzusetzen, damit er sich ein Pfeifchen anzünden kann.
4. Die Familie ***). Adoption. Erziehung und Unterricht. Indivi- duelle Vergnügen. Theater, Geshas und Yoshiwaras. Beerdigungen.
Beständigkeit ist der bemerkenswertheste Charakter der japani- schen Familie. Das jeweilige Haupt derselben genoss eben so weite
*) Das einzige Mal, dass ich während meines Aufenthaltes in Japan insul- tiert wurde, geschah es durch einen betrunkenen Soldaten bei einer solchen Gelegenheit.
**) Mit Recht sagt darum der Japaner nicht: ich rauche, sondern ich trinke Tabak, "tabako-o nomimasu", ganz so, wie es auch anfangs in Deutschland hiess.
***) Zu- oder Familien-Namen waren in früherer Zeit nicht gebräuchlich, Sie gehen den Personennamen voraus und wurden bis in die neuere Zeit bei bekannteren Persönlichkeiten weniger als ihr Rufname gebraucht, wie die Ge- schichte dies zeigt.
3. Kleidung, Wohnung und Nahrung der Japaner etc. 4. Die Familie etc.
Tempelgründe von Shiba, Asakasa und Uyeno herumtrieben, in ihre Nähe kam *). Das sake-Trinken ist so beliebt, dass Pumpelly sagt, das herrschende Laster sei ohne Zweifel die Trunksucht.
Der Tabak, welcher, wie bereits pag. 360 hervorgehoben wurde, zu Anfang des 17. Jahrhunderts durch Portugiesen nach Nagasaki gelangte, wurde bald bei Jung und Alt, Hoch und Niedrig sehr be- liebt. Selbst unter den Frauen bilden Nichtraucher die seltene Aus- nahme. Man raucht ihn aus kleinen 15—25 Centimeter langen Pfeif- chen, bei denen Kopf und Mundstück aus Messing oder Silber, das Zwischenglied aber aus Bambusrohr besteht. Das Ganze erinnert lebhaft in seiner Gestalt an eine Clausilia, die desshalb auch mit Recht Kiseru-gai, Pfeifenschnecke, genannt wird. Das rechtwinkelig umgebogene Köpfchen ist kleiner als ein Fingerhut. Das süssliche Kraut wird fein wie türkischer Tabak zerschnitten und in lockeren Pillen in das Pfeifchen gesteckt; es reicht nur für ein auch zwei Züge, deren Rauch verschlungen und durch die Nasenlöcher wieder ausgetrieben wird **). Hierauf wird das Pfeifchen am hibachi oder tabako-mon ausgeklopft, von neuem gestopft, angezündet und sein Rauch eingeschlürft. Pfeifchen und Tabakstasche sind des Japaners stete Begleiter. Dem Rauchen widmet er einen ansehnlichen Theil der Tageszeit, mit ihm beginnt, unterbricht und endet er seine Ar- beit. Darum erfordert es allenthalben die Höflichkeit, dem ankommen- den Gaste nicht blos alsbald eine Schale Thee, sondern vorher noch das hibachi vorzusetzen, damit er sich ein Pfeifchen anzünden kann.
4. Die Familie ***). Adoption. Erziehung und Unterricht. Indivi- duelle Vergnügen. Theater, Geshas und Yoshiwaras. Beerdigungen.
Beständigkeit ist der bemerkenswertheste Charakter der japani- schen Familie. Das jeweilige Haupt derselben genoss eben so weite
*) Das einzige Mal, dass ich während meines Aufenthaltes in Japan insul- tiert wurde, geschah es durch einen betrunkenen Soldaten bei einer solchen Gelegenheit.
**) Mit Recht sagt darum der Japaner nicht: ich rauche, sondern ich trinke Tabak, »tabako-o nomimasu«, ganz so, wie es auch anfangs in Deutschland hiess.
***) Zu- oder Familien-Namen waren in früherer Zeit nicht gebräuchlich, Sie gehen den Personennamen voraus und wurden bis in die neuere Zeit bei bekannteren Persönlichkeiten weniger als ihr Rufname gebraucht, wie die Ge- schichte dies zeigt.
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Tempelgründe von Shiba, Asakasa und Uyeno herumtrieben, in ihre
Nähe kam *). Das sake-Trinken ist so beliebt, dass Pumpelly
sagt, das herrschende Laster sei ohne Zweifel die Trunksucht.
Der Tabak, welcher, wie bereits pag. 360 hervorgehoben wurde,
zu Anfang des 17. Jahrhunderts durch Portugiesen nach Nagasaki
gelangte, wurde bald bei Jung und Alt, Hoch und Niedrig sehr be-
liebt. Selbst unter den Frauen bilden Nichtraucher die seltene Aus-
nahme. Man raucht ihn aus kleinen 15—25 Centimeter langen Pfeif-
chen, bei denen Kopf und Mundstück aus Messing oder Silber, das
Zwischenglied aber aus Bambusrohr besteht. Das Ganze erinnert
lebhaft in seiner Gestalt an eine Clausilia, die desshalb auch mit
Recht Kiseru-gai, Pfeifenschnecke, genannt wird. Das rechtwinkelig
umgebogene Köpfchen ist kleiner als ein Fingerhut. Das süssliche
Kraut wird fein wie türkischer Tabak zerschnitten und in lockeren
Pillen in das Pfeifchen gesteckt; es reicht nur für ein auch zwei
Züge, deren Rauch verschlungen und durch die Nasenlöcher wieder
ausgetrieben wird **). Hierauf wird das Pfeifchen am hibachi oder
tabako-mon ausgeklopft, von neuem gestopft, angezündet und sein
Rauch eingeschlürft. Pfeifchen und Tabakstasche sind des Japaners
stete Begleiter. Dem Rauchen widmet er einen ansehnlichen Theil
der Tageszeit, mit ihm beginnt, unterbricht und endet er seine Ar-
beit. Darum erfordert es allenthalben die Höflichkeit, dem ankommen-
den Gaste nicht blos alsbald eine Schale Thee, sondern vorher noch
das hibachi vorzusetzen, damit er sich ein Pfeifchen anzünden kann.
4. Die Familie ***). Adoption. Erziehung und Unterricht. Indivi-
duelle Vergnügen. Theater, Geshas und Yoshiwaras. Beerdigungen.
Beständigkeit ist der bemerkenswertheste Charakter der japani-
schen Familie. Das jeweilige Haupt derselben genoss eben so weite
*) Das einzige Mal, dass ich während meines Aufenthaltes in Japan insul-
tiert wurde, geschah es durch einen betrunkenen Soldaten bei einer solchen
Gelegenheit.
**) Mit Recht sagt darum der Japaner nicht: ich rauche, sondern ich trinke
Tabak, »tabako-o nomimasu«, ganz so, wie es auch anfangs in Deutschland hiess.
***) Zu- oder Familien-Namen waren in früherer Zeit nicht gebräuchlich,
Sie gehen den Personennamen voraus und wurden bis in die neuere Zeit bei
bekannteren Persönlichkeiten weniger als ihr Rufname gebraucht, wie die Ge-
schichte dies zeigt.
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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 1. Leipzig, 1881, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan01_1881/523>, abgerufen am 23.02.2025.
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