tigungen passen meistens nicht für Rasende, höch- stens nur für solche, die noch einige Besonnen- heit haben, boshaft sind, Ruhe affektiren, um nachher heimlich zu schaden. Durchgehends sind die Zwangsweste, das Einsperren, Hunger, oder einige Streiche mit dem Ochsenziemer, die nach einem förmlichen Urtheilsspruch von einer frem- den Person mitgetheilt werden, zureichend, die Kranken bald zahm zu machen. In den Inter- vallen halte man sie zur Arbeit an, gewöhne sie an eine strenge Ordnung und präge ihnen das Ge- fühl der Nothwendigkeit ein, wodurch sie in den folgenden Ausbrüchen leichter zu behandlen wer- den. Was darüber ist, jede zwecklose und kalte Barbarey, ist vom Uebel und sollte durch Publi- cität der öffentlichen Schande Preiss gegeben werden.
In wiefern die Ursachen der Raserey, und die Geneigtheit des Körpers, ihre Paroxismen zu wiederholen, durch psychische Mittel gehoben werden können, lasse ich dahingestellt seyn.
Wuth ohne Verkehrtheit.
Dieser Zustand ist einfache Tobsucht, in ih- rer reinsten Gestalt, ohne alle fremden Zusätze. Alle Seelenkräfte, das Wahrnehmungsvermögen, die Einbildungskraft und der Verstand sind in ih- ren Aeusserungen gesund, bloss einige Handlungen sind abnorm, weil das Vorstellungsvermögen sie nicht, weder nach sinnlichen noch verständigen
B b 2
tigungen paſſen meiſtens nicht für Raſende, höch- ſtens nur für ſolche, die noch einige Beſonnen- heit haben, boshaft ſind, Ruhe affektiren, um nachher heimlich zu ſchaden. Durchgehends ſind die Zwangsweſte, das Einſperren, Hunger, oder einige Streiche mit dem Ochſenziemer, die nach einem förmlichen Urtheilsſpruch von einer frem- den Perſon mitgetheilt werden, zureichend, die Kranken bald zahm zu machen. In den Inter- vallen halte man ſie zur Arbeit an, gewöhne ſie an eine ſtrenge Ordnung und präge ihnen das Ge- fühl der Nothwendigkeit ein, wodurch ſie in den folgenden Ausbrüchen leichter zu behandlen wer- den. Was darüber iſt, jede zweckloſe und kalte Barbarey, iſt vom Uebel und ſollte durch Publi- cität der öffentlichen Schande Preiſs gegeben werden.
In wiefern die Urſachen der Raſerey, und die Geneigtheit des Körpers, ihre Paroxiſmen zu wiederholen, durch pſychiſche Mittel gehoben werden können, laſſe ich dahingeſtellt ſeyn.
Wuth ohne Verkehrtheit.
Dieſer Zuſtand iſt einfache Tobſucht, in ih- rer reinſten Geſtalt, ohne alle fremden Zuſätze. Alle Seelenkräfte, das Wahrnehmungsvermögen, die Einbildungskraft und der Verſtand ſind in ih- ren Aeuſserungen geſund, bloſs einige Handlungen ſind abnorm, weil das Vorſtellungsvermögen ſie nicht, weder nach ſinnlichen noch verſtändigen
B b 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0392"n="387"/>
tigungen paſſen meiſtens nicht für Raſende, höch-<lb/>ſtens nur für ſolche, die noch einige Beſonnen-<lb/>
heit haben, boshaft ſind, Ruhe affektiren, um<lb/>
nachher heimlich zu ſchaden. Durchgehends ſind<lb/>
die Zwangsweſte, das Einſperren, Hunger, oder<lb/>
einige Streiche mit dem Ochſenziemer, die nach<lb/>
einem förmlichen Urtheilsſpruch von einer frem-<lb/>
den Perſon mitgetheilt werden, zureichend, die<lb/>
Kranken bald zahm zu machen. In den Inter-<lb/>
vallen halte man ſie zur Arbeit an, gewöhne ſie<lb/>
an eine ſtrenge Ordnung und präge ihnen das Ge-<lb/>
fühl der Nothwendigkeit ein, wodurch ſie in den<lb/>
folgenden Ausbrüchen leichter zu behandlen wer-<lb/>
den. Was darüber iſt, jede zweckloſe und kalte<lb/>
Barbarey, iſt vom Uebel und ſollte durch Publi-<lb/>
cität der öffentlichen Schande Preiſs gegeben<lb/>
werden.</p><lb/><p>In wiefern die Urſachen der Raſerey, und die<lb/>
Geneigtheit des Körpers, ihre Paroxiſmen zu<lb/>
wiederholen, durch pſychiſche Mittel gehoben<lb/>
werden können, laſſe ich dahingeſtellt ſeyn.</p><lb/><divn="4"><head><hirendition="#g">Wuth ohne Verkehrtheit</hi>.</head><lb/><p>Dieſer Zuſtand iſt einfache Tobſucht, in ih-<lb/>
rer reinſten Geſtalt, ohne alle fremden Zuſätze.<lb/>
Alle Seelenkräfte, das Wahrnehmungsvermögen,<lb/>
die Einbildungskraft und der Verſtand ſind in ih-<lb/>
ren Aeuſserungen geſund, bloſs einige Handlungen<lb/>ſind abnorm, weil das Vorſtellungsvermögen ſie<lb/>
nicht, weder nach ſinnlichen noch verſtändigen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">B b 2</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[387/0392]
tigungen paſſen meiſtens nicht für Raſende, höch-
ſtens nur für ſolche, die noch einige Beſonnen-
heit haben, boshaft ſind, Ruhe affektiren, um
nachher heimlich zu ſchaden. Durchgehends ſind
die Zwangsweſte, das Einſperren, Hunger, oder
einige Streiche mit dem Ochſenziemer, die nach
einem förmlichen Urtheilsſpruch von einer frem-
den Perſon mitgetheilt werden, zureichend, die
Kranken bald zahm zu machen. In den Inter-
vallen halte man ſie zur Arbeit an, gewöhne ſie
an eine ſtrenge Ordnung und präge ihnen das Ge-
fühl der Nothwendigkeit ein, wodurch ſie in den
folgenden Ausbrüchen leichter zu behandlen wer-
den. Was darüber iſt, jede zweckloſe und kalte
Barbarey, iſt vom Uebel und ſollte durch Publi-
cität der öffentlichen Schande Preiſs gegeben
werden.
In wiefern die Urſachen der Raſerey, und die
Geneigtheit des Körpers, ihre Paroxiſmen zu
wiederholen, durch pſychiſche Mittel gehoben
werden können, laſſe ich dahingeſtellt ſeyn.
Wuth ohne Verkehrtheit.
Dieſer Zuſtand iſt einfache Tobſucht, in ih-
rer reinſten Geſtalt, ohne alle fremden Zuſätze.
Alle Seelenkräfte, das Wahrnehmungsvermögen,
die Einbildungskraft und der Verſtand ſind in ih-
ren Aeuſserungen geſund, bloſs einige Handlungen
ſind abnorm, weil das Vorſtellungsvermögen ſie
nicht, weder nach ſinnlichen noch verſtändigen
B b 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/392>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.