Frömmigkeit liebt, fügt er hinzu, für den ist durch Kir- chen, Reliquien, Processionen sein Lebelang gesorgt.
Ohne Zweifel gab es anderwärts noch großartigere gei- stige Regungen; aber die Vollendung der römischen Welt, ihre Beschlossenheit in sich selbst, die Fülle des Reichthums, der ruhige Genuß, vereinigt mit der Sicherheit und Befrie- digung, welche den Gläubigen der unaufhörliche Anblick der Gegenstände seiner Verehrung gewährte, übte noch im- mer eine mächtige Anziehung aus, bald mehr durch das eine, bald mehr durch das andere Motiv, zuweilen unent- schieden durch welches am meisten.
Vergegenwärtigen wir uns diese Anziehung an dem auffallendsten Beispiele, das zugleich auf den römischen Hof lebendig zurückwirkte.
Digression über Königin Christine von Schweden.
Schon oft sind wir in dem Falle gewesen unsere Blicke nach Schweden hinzuwenden.
Das Land, wo das Lutherthum zuerst die gesammte Verfassung politisch umgestaltete, die Antireformation auf eine so ungewöhnliche Weise in den höchsten Personen Re- präsentanten und Widersacher fand, von wo dann die große Entscheidung in dem welthistorischen Kampfe haupt- sächlich ausgegangen war; eben da machte jetzt der Katholi- cismus auch in der neuen Gestalt die er angenommen, die unerwartetste Eroberung. Die Tochter jenes Vorkämpfers der Protestanten, Königin Christine von Schweden, zog er
BuchVIII.Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
Froͤmmigkeit liebt, fuͤgt er hinzu, fuͤr den iſt durch Kir- chen, Reliquien, Proceſſionen ſein Lebelang geſorgt.
Ohne Zweifel gab es anderwaͤrts noch großartigere gei- ſtige Regungen; aber die Vollendung der roͤmiſchen Welt, ihre Beſchloſſenheit in ſich ſelbſt, die Fuͤlle des Reichthums, der ruhige Genuß, vereinigt mit der Sicherheit und Befrie- digung, welche den Glaͤubigen der unaufhoͤrliche Anblick der Gegenſtaͤnde ſeiner Verehrung gewaͤhrte, uͤbte noch im- mer eine maͤchtige Anziehung aus, bald mehr durch das eine, bald mehr durch das andere Motiv, zuweilen unent- ſchieden durch welches am meiſten.
Vergegenwaͤrtigen wir uns dieſe Anziehung an dem auffallendſten Beiſpiele, das zugleich auf den roͤmiſchen Hof lebendig zuruͤckwirkte.
Digreſſion über Königin Chriſtine von Schweden.
Schon oft ſind wir in dem Falle geweſen unſere Blicke nach Schweden hinzuwenden.
Das Land, wo das Lutherthum zuerſt die geſammte Verfaſſung politiſch umgeſtaltete, die Antireformation auf eine ſo ungewoͤhnliche Weiſe in den hoͤchſten Perſonen Re- praͤſentanten und Widerſacher fand, von wo dann die große Entſcheidung in dem welthiſtoriſchen Kampfe haupt- ſaͤchlich ausgegangen war; eben da machte jetzt der Katholi- cismus auch in der neuen Geſtalt die er angenommen, die unerwartetſte Eroberung. Die Tochter jenes Vorkaͤmpfers der Proteſtanten, Koͤnigin Chriſtine von Schweden, zog er
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Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
Froͤmmigkeit liebt, fuͤgt er hinzu, fuͤr den iſt durch Kir-
chen, Reliquien, Proceſſionen ſein Lebelang geſorgt.
Ohne Zweifel gab es anderwaͤrts noch großartigere gei-
ſtige Regungen; aber die Vollendung der roͤmiſchen Welt,
ihre Beſchloſſenheit in ſich ſelbſt, die Fuͤlle des Reichthums,
der ruhige Genuß, vereinigt mit der Sicherheit und Befrie-
digung, welche den Glaͤubigen der unaufhoͤrliche Anblick
der Gegenſtaͤnde ſeiner Verehrung gewaͤhrte, uͤbte noch im-
mer eine maͤchtige Anziehung aus, bald mehr durch das
eine, bald mehr durch das andere Motiv, zuweilen unent-
ſchieden durch welches am meiſten.
Vergegenwaͤrtigen wir uns dieſe Anziehung an dem
auffallendſten Beiſpiele, das zugleich auf den roͤmiſchen Hof
lebendig zuruͤckwirkte.
Digreſſion über Königin Chriſtine von Schweden.
Schon oft ſind wir in dem Falle geweſen unſere Blicke
nach Schweden hinzuwenden.
Das Land, wo das Lutherthum zuerſt die geſammte
Verfaſſung politiſch umgeſtaltete, die Antireformation auf
eine ſo ungewoͤhnliche Weiſe in den hoͤchſten Perſonen Re-
praͤſentanten und Widerſacher fand, von wo dann die
große Entſcheidung in dem welthiſtoriſchen Kampfe haupt-
ſaͤchlich ausgegangen war; eben da machte jetzt der Katholi-
cismus auch in der neuen Geſtalt die er angenommen, die
unerwartetſte Eroberung. Die Tochter jenes Vorkaͤmpfers
der Proteſtanten, Koͤnigin Chriſtine von Schweden, zog er
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/90>, abgerufen am 21.11.2024.
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