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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Gio. Lando Rel. di Roma 1691.
151.
Relatione di Roma di Gio. Lando Kr, inviato straordinario per
la serma repca di Venetia ad Innocentio XI et ambr stra-
ordrio ad Alessandro VIII in occasione della canonizazione
di S. Lorenzo Giustiniani.
1691. (17 Bl.)

Schade daß wir über die wichtige Regierung Innocenz XI. keine
Relation besitzen die diesen Namen verdiente; durch die wir über
die Erfolge der Thätigkeit dieses Papstes unparteiisch aufgeklärt wür-
den. Die Geschäfte der Republik versah in den ersten Jahren des-
selben 1678--1683 der Cardinal Ottobon ein Venezianer, nach-
mals Alexander VIII, der niemals zurückging und daher nicht refe-
rirte; nach diesem Johann Lando, aber ohne eigentlich officiellen Cha-
rakter. Wohl hat Lando nichts desto minder einen Schlußbericht er-
stattet, aber erst dann, als man schon wieder nach dem Tode Ale-
xanders VIII. in das Conclave gegangen war; unglücklicher Weise
fällt er überdieß aus dem Tone venezianischer Relationen heraus.

Er beginnt damit die göttliche Würde des Papstthums zu erör-
tern, und beklagt daß es nicht allenthalben herrsche. Ja die Zahl
der Ketzer sei größer als die der Katholiken. Haben nicht selbst die
verruchten Quietisten in Rom ihre Werkstatt aufgeschlagen! Am rö-
mischen Hofe wolle man nicht glauben, daß man selbst daran Schuld
sey, und doch verhalte sich das so. Auch jetzt noch achte man einen
Mann, der mit tiefer Gelehrsamkeit oder dem Beispiel der Heiligkeit
für die Kirche streite, bei weitem geringer als die Canonisten, welche
für das päpstliche Ansehen schreiben. Ihre Uebertreibungen bewirken
aber gerade, daß die Fürsten sich doch dem Hofe entgegensetzen.

Erst nachdem er selbst einen Versuch gemacht die Grenzen der
geistlichen und der weltlichen Gewalt zu bestimmen, nähert er sich
langsam den weltlichen Geschäften. Von dem Zustande des Kirchen-
staates macht er eine traurige Beschreibung: "desolato negli abitanti,
spiantato nella coltura, ruinato coll' estorsioni, mancante d'indu-
stria."
Er berechnet die Schulden auf 42 Millionen. Alexander
VIII. habe die Ausgaben um 200000 Sc. vermindert und dadurch
das Gleichgewicht zwischen Ausgabe und Einnahme wiederhergestellt.
In der Dataria habe der Papst eine Ader von Gold. Jedoch mit
nichten bleibe nun dieß Geld auch in Rom: einzeln komme es, im
Ganzen gehe es fort: Innocenz XI. habe gewiß 2 Millionen Scudi
zum Türkenkrieg in Ungarn beigesteuert. Von jenen 42 Millionen
seyen vielleicht 15 Millionen der Christenheit zu Gute gekommen.

Noch immer findet er, daß Rom ein allgemeines Vaterland,
einen Sammelplatz für alle Nationen bilde. Jedoch komme Jeder
bloß seines Interesses halber. Deutsche und Franzosen sehe man we-
nig, weil ihre Beförderung nicht vom römischen Hofe abhange, Spa-
nier nur von der geringeren Classe; würde jeder Fürst auch in Ita-
lien seine geistlichen Stellen selber besetzen, so würde der römische
Hof zu Grunde gehn. Italien habe dafür aber auch den Genuß
des Papsithums. Tutta la corte, tutte le dignita, tutte le cari-
che, tutto lo stato ecclesiastico resta tra gli Italiani.
Und wie
viel trage dieß Verhältniß aus. Bei der Unsicherheit der Succession

Gio. Lando Rel. di Roma 1691.
151.
Relatione di Roma di Gio. Lando Kr, inviato straordinario per
la serma repca di Venetia ad Innocentio XI et ambr stra-
ordrio ad Alessandro VIII in occasione della canonizazione
di S. Lorenzo Giustiniani.
1691. (17 Bl.)

Schade daß wir uͤber die wichtige Regierung Innocenz XI. keine
Relation beſitzen die dieſen Namen verdiente; durch die wir uͤber
die Erfolge der Thaͤtigkeit dieſes Papſtes unparteiiſch aufgeklaͤrt wuͤr-
den. Die Geſchaͤfte der Republik verſah in den erſten Jahren deſ-
ſelben 1678—1683 der Cardinal Ottobon ein Venezianer, nach-
mals Alexander VIII, der niemals zuruͤckging und daher nicht refe-
rirte; nach dieſem Johann Lando, aber ohne eigentlich officiellen Cha-
rakter. Wohl hat Lando nichts deſto minder einen Schlußbericht er-
ſtattet, aber erſt dann, als man ſchon wieder nach dem Tode Ale-
xanders VIII. in das Conclave gegangen war; ungluͤcklicher Weiſe
faͤllt er uͤberdieß aus dem Tone venezianiſcher Relationen heraus.

Er beginnt damit die goͤttliche Wuͤrde des Papſtthums zu eroͤr-
tern, und beklagt daß es nicht allenthalben herrſche. Ja die Zahl
der Ketzer ſei groͤßer als die der Katholiken. Haben nicht ſelbſt die
verruchten Quietiſten in Rom ihre Werkſtatt aufgeſchlagen! Am roͤ-
miſchen Hofe wolle man nicht glauben, daß man ſelbſt daran Schuld
ſey, und doch verhalte ſich das ſo. Auch jetzt noch achte man einen
Mann, der mit tiefer Gelehrſamkeit oder dem Beiſpiel der Heiligkeit
fuͤr die Kirche ſtreite, bei weitem geringer als die Canoniſten, welche
fuͤr das paͤpſtliche Anſehen ſchreiben. Ihre Uebertreibungen bewirken
aber gerade, daß die Fuͤrſten ſich doch dem Hofe entgegenſetzen.

Erſt nachdem er ſelbſt einen Verſuch gemacht die Grenzen der
geiſtlichen und der weltlichen Gewalt zu beſtimmen, naͤhert er ſich
langſam den weltlichen Geſchaͤften. Von dem Zuſtande des Kirchen-
ſtaates macht er eine traurige Beſchreibung: „desolato negli abitanti,
spiantato nella coltura, ruinato coll’ estorsioni, mancante d’indu-
stria.“
Er berechnet die Schulden auf 42 Millionen. Alexander
VIII. habe die Ausgaben um 200000 Sc. vermindert und dadurch
das Gleichgewicht zwiſchen Ausgabe und Einnahme wiederhergeſtellt.
In der Dataria habe der Papſt eine Ader von Gold. Jedoch mit
nichten bleibe nun dieß Geld auch in Rom: einzeln komme es, im
Ganzen gehe es fort: Innocenz XI. habe gewiß 2 Millionen Scudi
zum Tuͤrkenkrieg in Ungarn beigeſteuert. Von jenen 42 Millionen
ſeyen vielleicht 15 Millionen der Chriſtenheit zu Gute gekommen.

Noch immer findet er, daß Rom ein allgemeines Vaterland,
einen Sammelplatz fuͤr alle Nationen bilde. Jedoch komme Jeder
bloß ſeines Intereſſes halber. Deutſche und Franzoſen ſehe man we-
nig, weil ihre Befoͤrderung nicht vom roͤmiſchen Hofe abhange, Spa-
nier nur von der geringeren Claſſe; wuͤrde jeder Fuͤrſt auch in Ita-
lien ſeine geiſtlichen Stellen ſelber beſetzen, ſo wuͤrde der roͤmiſche
Hof zu Grunde gehn. Italien habe dafuͤr aber auch den Genuß
des Papſithums. Tutta la corte, tutte le dignità, tutte le cari-
che, tutto lo stato ecclesiastico resta tra gli Italiani.
Und wie
viel trage dieß Verhaͤltniß aus. Bei der Unſicherheit der Succeſſion

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[489/0501] Gio. Lando Rel. di Roma 1691. 151. Relatione di Roma di Gio. Lando Kr, inviato straordinario per la serma repca di Venetia ad Innocentio XI et ambr stra- ordrio ad Alessandro VIII in occasione della canonizazione di S. Lorenzo Giustiniani. 1691. (17 Bl.) Schade daß wir uͤber die wichtige Regierung Innocenz XI. keine Relation beſitzen die dieſen Namen verdiente; durch die wir uͤber die Erfolge der Thaͤtigkeit dieſes Papſtes unparteiiſch aufgeklaͤrt wuͤr- den. Die Geſchaͤfte der Republik verſah in den erſten Jahren deſ- ſelben 1678—1683 der Cardinal Ottobon ein Venezianer, nach- mals Alexander VIII, der niemals zuruͤckging und daher nicht refe- rirte; nach dieſem Johann Lando, aber ohne eigentlich officiellen Cha- rakter. Wohl hat Lando nichts deſto minder einen Schlußbericht er- ſtattet, aber erſt dann, als man ſchon wieder nach dem Tode Ale- xanders VIII. in das Conclave gegangen war; ungluͤcklicher Weiſe faͤllt er uͤberdieß aus dem Tone venezianiſcher Relationen heraus. Er beginnt damit die goͤttliche Wuͤrde des Papſtthums zu eroͤr- tern, und beklagt daß es nicht allenthalben herrſche. Ja die Zahl der Ketzer ſei groͤßer als die der Katholiken. Haben nicht ſelbſt die verruchten Quietiſten in Rom ihre Werkſtatt aufgeſchlagen! Am roͤ- miſchen Hofe wolle man nicht glauben, daß man ſelbſt daran Schuld ſey, und doch verhalte ſich das ſo. Auch jetzt noch achte man einen Mann, der mit tiefer Gelehrſamkeit oder dem Beiſpiel der Heiligkeit fuͤr die Kirche ſtreite, bei weitem geringer als die Canoniſten, welche fuͤr das paͤpſtliche Anſehen ſchreiben. Ihre Uebertreibungen bewirken aber gerade, daß die Fuͤrſten ſich doch dem Hofe entgegenſetzen. Erſt nachdem er ſelbſt einen Verſuch gemacht die Grenzen der geiſtlichen und der weltlichen Gewalt zu beſtimmen, naͤhert er ſich langſam den weltlichen Geſchaͤften. Von dem Zuſtande des Kirchen- ſtaates macht er eine traurige Beſchreibung: „desolato negli abitanti, spiantato nella coltura, ruinato coll’ estorsioni, mancante d’indu- stria.“ Er berechnet die Schulden auf 42 Millionen. Alexander VIII. habe die Ausgaben um 200000 Sc. vermindert und dadurch das Gleichgewicht zwiſchen Ausgabe und Einnahme wiederhergeſtellt. In der Dataria habe der Papſt eine Ader von Gold. Jedoch mit nichten bleibe nun dieß Geld auch in Rom: einzeln komme es, im Ganzen gehe es fort: Innocenz XI. habe gewiß 2 Millionen Scudi zum Tuͤrkenkrieg in Ungarn beigeſteuert. Von jenen 42 Millionen ſeyen vielleicht 15 Millionen der Chriſtenheit zu Gute gekommen. Noch immer findet er, daß Rom ein allgemeines Vaterland, einen Sammelplatz fuͤr alle Nationen bilde. Jedoch komme Jeder bloß ſeines Intereſſes halber. Deutſche und Franzoſen ſehe man we- nig, weil ihre Befoͤrderung nicht vom roͤmiſchen Hofe abhange, Spa- nier nur von der geringeren Claſſe; wuͤrde jeder Fuͤrſt auch in Ita- lien ſeine geiſtlichen Stellen ſelber beſetzen, ſo wuͤrde der roͤmiſche Hof zu Grunde gehn. Italien habe dafuͤr aber auch den Genuß des Papſithums. Tutta la corte, tutte le dignità, tutte le cari- che, tutto lo stato ecclesiastico resta tra gli Italiani. Und wie viel trage dieß Verhaͤltniß aus. Bei der Unſicherheit der Succeſſion

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/501>, abgerufen am 21.11.2024.