Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch VIII. Spätere Epochen.
Revolutionäres Zeitalter.

Es war der Sinn Josephs II. alle Kräfte seiner Mo-
narchie unumschränkt in seiner Hand zu vereinigen. Wie
hätte er die Einwirkungen von Rom, den Zusammenhang
seiner Unterthanen mit dem Papste billigen sollen. Sey es,
daß er mehr von Jansenisten oder mehr von Ungläubigen
umgeben war 1) -- sie boten einander ohne Zweifel auch
hier die Hand, wie in dem Angriff auf die Jesuiten, --
allen zusammenhaltenden, auf eine äußerliche Einheit der
Kirche abzielenden Instituten machte er einen unabläßigen
zerstörenden Krieg. Von mehr als 2000 Klöstern hat er
nur ungefähr 700 übrig gelassen; von den Nonnencongre-
gationen fanden nur die unmittelbar nützlichen bei ihm
Gnade; und auch die, welche er noch verschonte, riß er
von ihrer Verbindung mit Rom los. Die päpstlichen Dis-
pensationen sah er an wie ausländische Waare, und wollte
kein Geld dafür aus dem Lande gehn lassen; er erklärte
sich öffentlich für den Administrator der Weltlichkeit der
Kirche.

Schon sah der Nachfolger Ganganelli's, Pius VI, das
einzige Mittel den Kaiser von den äußersten Schritten,
vielleicht auch in dogmatischer Hinsicht, zurückzuhalten, in

1) Was van Swieten geglaubt hat, mag dahin gestellt bleiben.
Daß es aber auch eine sehr ausgebildete jansenistische Richtung in
Wien gab, zeigt unter andern das Leben von Feßler. Feßlers Rück-
blicke auf seine siebzigjährige Pilgerschaft p. 74, 78 und an andern
Stellen. Vgl. Schlözers Staatsanzeigen IX, 33. p. 113.
Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
Revolutionäres Zeitalter.

Es war der Sinn Joſephs II. alle Kraͤfte ſeiner Mo-
narchie unumſchraͤnkt in ſeiner Hand zu vereinigen. Wie
haͤtte er die Einwirkungen von Rom, den Zuſammenhang
ſeiner Unterthanen mit dem Papſte billigen ſollen. Sey es,
daß er mehr von Janſeniſten oder mehr von Unglaͤubigen
umgeben war 1) — ſie boten einander ohne Zweifel auch
hier die Hand, wie in dem Angriff auf die Jeſuiten, —
allen zuſammenhaltenden, auf eine aͤußerliche Einheit der
Kirche abzielenden Inſtituten machte er einen unablaͤßigen
zerſtoͤrenden Krieg. Von mehr als 2000 Kloͤſtern hat er
nur ungefaͤhr 700 uͤbrig gelaſſen; von den Nonnencongre-
gationen fanden nur die unmittelbar nuͤtzlichen bei ihm
Gnade; und auch die, welche er noch verſchonte, riß er
von ihrer Verbindung mit Rom los. Die paͤpſtlichen Dis-
penſationen ſah er an wie auslaͤndiſche Waare, und wollte
kein Geld dafuͤr aus dem Lande gehn laſſen; er erklaͤrte
ſich oͤffentlich fuͤr den Adminiſtrator der Weltlichkeit der
Kirche.

Schon ſah der Nachfolger Ganganelli’s, Pius VI, das
einzige Mittel den Kaiſer von den aͤußerſten Schritten,
vielleicht auch in dogmatiſcher Hinſicht, zuruͤckzuhalten, in

1) Was van Swieten geglaubt hat, mag dahin geſtellt bleiben.
Daß es aber auch eine ſehr ausgebildete janſeniſtiſche Richtung in
Wien gab, zeigt unter andern das Leben von Feßler. Feßlers Ruͤck-
blicke auf ſeine ſiebzigjaͤhrige Pilgerſchaft p. 74, 78 und an andern
Stellen. Vgl. Schloͤzers Staatsanzeigen IX, 33. p. 113.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0214" n="202"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Spa&#x0364;tere Epochen</hi>.</fw>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>Revolutionäres Zeitalter.</head><lb/>
          <p>Es war der Sinn Jo&#x017F;ephs <hi rendition="#aq">II.</hi> alle Kra&#x0364;fte &#x017F;einer Mo-<lb/>
narchie unum&#x017F;chra&#x0364;nkt in &#x017F;einer Hand zu vereinigen. Wie<lb/>
ha&#x0364;tte er die Einwirkungen von Rom, den Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
&#x017F;einer Unterthanen mit dem Pap&#x017F;te billigen &#x017F;ollen. Sey es,<lb/>
daß er mehr von Jan&#x017F;eni&#x017F;ten oder mehr von Ungla&#x0364;ubigen<lb/>
umgeben war <note place="foot" n="1)">Was van Swieten geglaubt hat, mag dahin ge&#x017F;tellt bleiben.<lb/>
Daß es aber auch eine &#x017F;ehr ausgebildete jan&#x017F;eni&#x017F;ti&#x017F;che Richtung in<lb/>
Wien gab, zeigt unter andern das Leben von Feßler. Feßlers Ru&#x0364;ck-<lb/>
blicke auf &#x017F;eine &#x017F;iebzigja&#x0364;hrige Pilger&#x017F;chaft <hi rendition="#aq">p.</hi> 74, 78 und an andern<lb/>
Stellen. Vgl. Schlo&#x0364;zers Staatsanzeigen <hi rendition="#aq">IX, 33. p.</hi> 113.</note> &#x2014; &#x017F;ie boten einander ohne Zweifel auch<lb/>
hier die Hand, wie in dem Angriff auf die Je&#x017F;uiten, &#x2014;<lb/>
allen zu&#x017F;ammenhaltenden, auf eine a&#x0364;ußerliche Einheit der<lb/>
Kirche abzielenden In&#x017F;tituten machte er einen unabla&#x0364;ßigen<lb/>
zer&#x017F;to&#x0364;renden Krieg. Von mehr als 2000 Klo&#x0364;&#x017F;tern hat er<lb/>
nur ungefa&#x0364;hr 700 u&#x0364;brig gela&#x017F;&#x017F;en; von den Nonnencongre-<lb/>
gationen fanden nur die unmittelbar nu&#x0364;tzlichen bei ihm<lb/>
Gnade; und auch die, welche er noch ver&#x017F;chonte, riß er<lb/>
von ihrer Verbindung mit Rom los. Die pa&#x0364;p&#x017F;tlichen Dis-<lb/>
pen&#x017F;ationen &#x017F;ah er an wie ausla&#x0364;ndi&#x017F;che Waare, und wollte<lb/>
kein Geld dafu&#x0364;r aus dem Lande gehn la&#x017F;&#x017F;en; er erkla&#x0364;rte<lb/>
&#x017F;ich o&#x0364;ffentlich fu&#x0364;r den Admini&#x017F;trator der Weltlichkeit der<lb/>
Kirche.</p><lb/>
          <p>Schon &#x017F;ah der Nachfolger Ganganelli&#x2019;s, Pius <hi rendition="#aq">VI</hi>, das<lb/>
einzige Mittel den Kai&#x017F;er von den a&#x0364;ußer&#x017F;ten Schritten,<lb/>
vielleicht auch in dogmati&#x017F;cher Hin&#x017F;icht, zuru&#x0364;ckzuhalten, in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0214] Buch VIII. Spaͤtere Epochen. Revolutionäres Zeitalter. Es war der Sinn Joſephs II. alle Kraͤfte ſeiner Mo- narchie unumſchraͤnkt in ſeiner Hand zu vereinigen. Wie haͤtte er die Einwirkungen von Rom, den Zuſammenhang ſeiner Unterthanen mit dem Papſte billigen ſollen. Sey es, daß er mehr von Janſeniſten oder mehr von Unglaͤubigen umgeben war 1) — ſie boten einander ohne Zweifel auch hier die Hand, wie in dem Angriff auf die Jeſuiten, — allen zuſammenhaltenden, auf eine aͤußerliche Einheit der Kirche abzielenden Inſtituten machte er einen unablaͤßigen zerſtoͤrenden Krieg. Von mehr als 2000 Kloͤſtern hat er nur ungefaͤhr 700 uͤbrig gelaſſen; von den Nonnencongre- gationen fanden nur die unmittelbar nuͤtzlichen bei ihm Gnade; und auch die, welche er noch verſchonte, riß er von ihrer Verbindung mit Rom los. Die paͤpſtlichen Dis- penſationen ſah er an wie auslaͤndiſche Waare, und wollte kein Geld dafuͤr aus dem Lande gehn laſſen; er erklaͤrte ſich oͤffentlich fuͤr den Adminiſtrator der Weltlichkeit der Kirche. Schon ſah der Nachfolger Ganganelli’s, Pius VI, das einzige Mittel den Kaiſer von den aͤußerſten Schritten, vielleicht auch in dogmatiſcher Hinſicht, zuruͤckzuhalten, in 1) Was van Swieten geglaubt hat, mag dahin geſtellt bleiben. Daß es aber auch eine ſehr ausgebildete janſeniſtiſche Richtung in Wien gab, zeigt unter andern das Leben von Feßler. Feßlers Ruͤck- blicke auf ſeine ſiebzigjaͤhrige Pilgerſchaft p. 74, 78 und an andern Stellen. Vgl. Schloͤzers Staatsanzeigen IX, 33. p. 113.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/214
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/214>, abgerufen am 21.11.2024.