Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Kapitel.

Fortsetzung: Begriffe und Grundsätze der guten Sitte über diesen Punkt.

Aber die gute Sitte, oder die Denkungsart des wohlerzogenen und gebildeteren Haufens unter den Atheniensern, ist gewiß bey diesen eingeschränkten Forderungen des Gesetzgebers an die Matrone nicht stehen geblieben. Sie hat von der Gattin verlangt, daß sie eine gute Hausfrau seyn solle: sie hat ihr Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden eingeräumt, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise seiner Familie und in seinen Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann; ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke, und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet.

Ich suche die Beweise dieser Behauptung bey den Schauspieldichtern auf, die uns aus den Zeiten des Flors der Athenienser übrig geblieben sind.

Von den Komikern hat sich der einzige Aristophanes erhalten. Sein Zweck ging nicht dahin, die gute Sitte darzustellen; er suchte vielmehr überall die schlechte auf, um Lachen zu erregen. Wer auf so etwas ausgeht, ist überhaupt kein gültiger Zeuge für den Werth oder Unwerth seiner Mitbürger: er ist es aber um so weniger, wenn er mit sich selbst nicht überein stimmt. Der nehmliche Spötter des zärteren

Drittes Kapitel.

Fortsetzung: Begriffe und Grundsätze der guten Sitte über diesen Punkt.

Aber die gute Sitte, oder die Denkungsart des wohlerzogenen und gebildeteren Haufens unter den Atheniensern, ist gewiß bey diesen eingeschränkten Forderungen des Gesetzgebers an die Matrone nicht stehen geblieben. Sie hat von der Gattin verlangt, daß sie eine gute Hausfrau seyn solle: sie hat ihr Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden eingeräumt, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise seiner Familie und in seinen Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann; ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke, und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet.

Ich suche die Beweise dieser Behauptung bey den Schauspieldichtern auf, die uns aus den Zeiten des Flors der Athenienser übrig geblieben sind.

Von den Komikern hat sich der einzige Aristophanes erhalten. Sein Zweck ging nicht dahin, die gute Sitte darzustellen; er suchte vielmehr überall die schlechte auf, um Lachen zu erregen. Wer auf so etwas ausgeht, ist überhaupt kein gültiger Zeuge für den Werth oder Unwerth seiner Mitbürger: er ist es aber um so weniger, wenn er mit sich selbst nicht überein stimmt. Der nehmliche Spötter des zärteren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0057" n="57"/>
        <div n="2">
          <head>Drittes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Fortsetzung: Begriffe und Grundsätze der guten Sitte über diesen Punkt.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Aber die gute Sitte, oder die Denkungsart des wohlerzogenen und gebildeteren Haufens unter den Atheniensern, ist gewiß bey diesen eingeschränkten Forderungen des Gesetzgebers an die Matrone nicht stehen geblieben. Sie hat von der Gattin verlangt, daß sie eine gute Hausfrau seyn solle: sie hat ihr Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden eingeräumt, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise seiner Familie und in seinen Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann; ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke, und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet.</p>
          <p>Ich suche die Beweise dieser Behauptung bey den Schauspieldichtern auf, die uns aus den Zeiten des Flors der Athenienser übrig geblieben sind.</p>
          <p>Von den Komikern hat sich der einzige Aristophanes erhalten. Sein Zweck ging nicht dahin, die gute Sitte darzustellen; er suchte vielmehr überall die schlechte auf, um Lachen zu erregen. Wer auf so etwas ausgeht, ist überhaupt kein gültiger Zeuge für den Werth oder Unwerth seiner Mitbürger: er ist es aber um so weniger, wenn er mit sich selbst nicht überein stimmt. Der nehmliche Spötter des zärteren
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0057] Drittes Kapitel. Fortsetzung: Begriffe und Grundsätze der guten Sitte über diesen Punkt. Aber die gute Sitte, oder die Denkungsart des wohlerzogenen und gebildeteren Haufens unter den Atheniensern, ist gewiß bey diesen eingeschränkten Forderungen des Gesetzgebers an die Matrone nicht stehen geblieben. Sie hat von der Gattin verlangt, daß sie eine gute Hausfrau seyn solle: sie hat ihr Anspruch auf öffentliche Achtung für alle diejenigen Tugenden eingeräumt, die ein wirthschaftliches, sittsames, liebendes Weib im Kreise seiner Familie und in seinen Verhältnissen zu dem Ganzen der menschlichen Gesellschaft zeigen kann; ja sie hat dem zärteren Geschlechte sogar Anlagen zu männlicher Weisheit, zu Kenntnissen, zur Seelenstärke, und zum Patriotismus zugetrauet, und die einzelnen Weiber, die sich dadurch auszeichneten, mit ihrem Interesse und ihrer Bewunderung begleitet. Ich suche die Beweise dieser Behauptung bey den Schauspieldichtern auf, die uns aus den Zeiten des Flors der Athenienser übrig geblieben sind. Von den Komikern hat sich der einzige Aristophanes erhalten. Sein Zweck ging nicht dahin, die gute Sitte darzustellen; er suchte vielmehr überall die schlechte auf, um Lachen zu erregen. Wer auf so etwas ausgeht, ist überhaupt kein gültiger Zeuge für den Werth oder Unwerth seiner Mitbürger: er ist es aber um so weniger, wenn er mit sich selbst nicht überein stimmt. Der nehmliche Spötter des zärteren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/57
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/57>, abgerufen am 21.11.2024.