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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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leichte Verbindungen mit einander gebracht sind, wird diese Empfindung erwecken, wenn der Umfang desselben groß ist, und die Bequemlichkeit stark auffällt. Die innere Einrichtung einer Maschine, deren Theile im leicht zu übersehenden Zusammenhange erscheinen, wird bey der bloßen Beschauung die Wonne am Vollkommenen erwecken, wenn irgend ein Umstand hinzutritt, der das Bild dieses wohlgeordneten Zusammenhangs hervorhebt; es sey die Vergleichung mit andern Maschinen; es sey die Größe des Umfangs und die Stärke der Wirkungen, die wir durch einfache Mittel hervorgebracht sehen.

Hieher gehört die Anwendung der Figuren auf einem Gemählde, die Stellung der Gliedmaßen an einer Statue, in so fern dabey nicht so wohl auf Schönheit, als auf bequeme Uebersicht des Ganzen und Verständniß des Süjets gesehen wird. Beyde Rücksichten sind sehr verschieden: die Wonne am Vollkommenen der Anordnung steht oft der Wonne am Edeln und Schönen entgegen. Die Aegyptischen Figuren mit geschlossenen Beinen, und hart am Leibe liegenden Armen sind steif; die reguläre Anordnung thut oft der mahlerischen Wirkung Abbruch.

Eben hieher gehört die Wonne an der wohlgeordneten Entwickelung der Bilder und Empfindungen in einem Gedichte, an der zusammenhängenden Verkettung der Begebenheiten in einer Erzählung, an der natürlichen Folge der Gedanken in einer philosophischen Untersuchung, wenn die Größe und der Umfang des Werks, verbunden mit der Schwierigkeit des Unternehmens, diese Bilder beleben. Alles dieß ist ganz verschieden von den Gefühlen des Edeln und Schönen. Manche Ode, manches Schauspiel, manches epische Gedicht, sind langweilig, wenn wir gleich die Anordnung darin bewundern

leichte Verbindungen mit einander gebracht sind, wird diese Empfindung erwecken, wenn der Umfang desselben groß ist, und die Bequemlichkeit stark auffällt. Die innere Einrichtung einer Maschine, deren Theile im leicht zu übersehenden Zusammenhange erscheinen, wird bey der bloßen Beschauung die Wonne am Vollkommenen erwecken, wenn irgend ein Umstand hinzutritt, der das Bild dieses wohlgeordneten Zusammenhangs hervorhebt; es sey die Vergleichung mit andern Maschinen; es sey die Größe des Umfangs und die Stärke der Wirkungen, die wir durch einfache Mittel hervorgebracht sehen.

Hieher gehört die Anwendung der Figuren auf einem Gemählde, die Stellung der Gliedmaßen an einer Statue, in so fern dabey nicht so wohl auf Schönheit, als auf bequeme Uebersicht des Ganzen und Verständniß des Süjets gesehen wird. Beyde Rücksichten sind sehr verschieden: die Wonne am Vollkommenen der Anordnung steht oft der Wonne am Edeln und Schönen entgegen. Die Aegyptischen Figuren mit geschlossenen Beinen, und hart am Leibe liegenden Armen sind steif; die reguläre Anordnung thut oft der mahlerischen Wirkung Abbruch.

Eben hieher gehört die Wonne an der wohlgeordneten Entwickelung der Bilder und Empfindungen in einem Gedichte, an der zusammenhängenden Verkettung der Begebenheiten in einer Erzählung, an der natürlichen Folge der Gedanken in einer philosophischen Untersuchung, wenn die Größe und der Umfang des Werks, verbunden mit der Schwierigkeit des Unternehmens, diese Bilder beleben. Alles dieß ist ganz verschieden von den Gefühlen des Edeln und Schönen. Manche Ode, manches Schauspiel, manches epische Gedicht, sind langweilig, wenn wir gleich die Anordnung darin bewundern

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[45/0045] leichte Verbindungen mit einander gebracht sind, wird diese Empfindung erwecken, wenn der Umfang desselben groß ist, und die Bequemlichkeit stark auffällt. Die innere Einrichtung einer Maschine, deren Theile im leicht zu übersehenden Zusammenhange erscheinen, wird bey der bloßen Beschauung die Wonne am Vollkommenen erwecken, wenn irgend ein Umstand hinzutritt, der das Bild dieses wohlgeordneten Zusammenhangs hervorhebt; es sey die Vergleichung mit andern Maschinen; es sey die Größe des Umfangs und die Stärke der Wirkungen, die wir durch einfache Mittel hervorgebracht sehen. Hieher gehört die Anwendung der Figuren auf einem Gemählde, die Stellung der Gliedmaßen an einer Statue, in so fern dabey nicht so wohl auf Schönheit, als auf bequeme Uebersicht des Ganzen und Verständniß des Süjets gesehen wird. Beyde Rücksichten sind sehr verschieden: die Wonne am Vollkommenen der Anordnung steht oft der Wonne am Edeln und Schönen entgegen. Die Aegyptischen Figuren mit geschlossenen Beinen, und hart am Leibe liegenden Armen sind steif; die reguläre Anordnung thut oft der mahlerischen Wirkung Abbruch. Eben hieher gehört die Wonne an der wohlgeordneten Entwickelung der Bilder und Empfindungen in einem Gedichte, an der zusammenhängenden Verkettung der Begebenheiten in einer Erzählung, an der natürlichen Folge der Gedanken in einer philosophischen Untersuchung, wenn die Größe und der Umfang des Werks, verbunden mit der Schwierigkeit des Unternehmens, diese Bilder beleben. Alles dieß ist ganz verschieden von den Gefühlen des Edeln und Schönen. Manche Ode, manches Schauspiel, manches epische Gedicht, sind langweilig, wenn wir gleich die Anordnung darin bewundern

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/45>, abgerufen am 26.04.2024.