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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

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ausgeglichen werden zu können. Sie suchen die größte Feinheit der Denkungsart und der Gesinnungen in die Aeußerungen ihrer Zärtlichkeit zu legen, und laufen Gefahr, nicht verstanden zu werden, oder sich nicht verstanden und getheilt zu fühlen. So findet die Liebe ihr Ende in übertriebener Delicatesse!

Liebende, die ihr mit unvergänglicher Zärtlichkeit an einander hängen wollt, hört auf diese wenigen Worte, welche eine Haupmaxime enthalten, die Liebe dauerhaft zu machen. Hütet euch, einander zu gewöhnlich, und einander zu ungewohnt zu werden!

Viertes Kapitel.

Liebe ist nicht einziger Beruf unsers Lebens, aber sie ist mehr wie Zeitvertreib; sie ist ernstes Geschäft.

Liebe ist die Stütze und das Labsal unsers Lebens: sie bereitet uns die höchsten Freuden zu, die sterblichen Menschen vorbehalten sind. Aber dieser Mensch kann und soll seiner ganzen Bestimmung nach sich der Besorgung und dem Genuß dieser Liebe nicht dergestalt überlassen, daß er darüber alle andere Pflichten und alle Annehmlichkeiten vergesse, die ihm als selbständigen Menschen obliegen und zukommen. Die Liebe muß vielmehr dazu dienen, ihm seinen Beruf zu erleichtern, und alle Freuden des Lebens zu erhöhen.

Es ist möglich, daß man Wochen lang die Liebe zum einzigen Beruf des Lebens mache. Aber nur Romane können uns den Zustand zweyer Liebenden schildern,

ausgeglichen werden zu können. Sie suchen die größte Feinheit der Denkungsart und der Gesinnungen in die Aeußerungen ihrer Zärtlichkeit zu legen, und laufen Gefahr, nicht verstanden zu werden, oder sich nicht verstanden und getheilt zu fühlen. So findet die Liebe ihr Ende in übertriebener Delicatesse!

Liebende, die ihr mit unvergänglicher Zärtlichkeit an einander hängen wollt, hört auf diese wenigen Worte, welche eine Haupmaxime enthalten, die Liebe dauerhaft zu machen. Hütet euch, einander zu gewöhnlich, und einander zu ungewohnt zu werden!

Viertes Kapitel.

Liebe ist nicht einziger Beruf unsers Lebens, aber sie ist mehr wie Zeitvertreib; sie ist ernstes Geschäft.

Liebe ist die Stütze und das Labsal unsers Lebens: sie bereitet uns die höchsten Freuden zu, die sterblichen Menschen vorbehalten sind. Aber dieser Mensch kann und soll seiner ganzen Bestimmung nach sich der Besorgung und dem Genuß dieser Liebe nicht dergestalt überlassen, daß er darüber alle andere Pflichten und alle Annehmlichkeiten vergesse, die ihm als selbständigen Menschen obliegen und zukommen. Die Liebe muß vielmehr dazu dienen, ihm seinen Beruf zu erleichtern, und alle Freuden des Lebens zu erhöhen.

Es ist möglich, daß man Wochen lang die Liebe zum einzigen Beruf des Lebens mache. Aber nur Romane können uns den Zustand zweyer Liebenden schildern,

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[350/0350] ausgeglichen werden zu können. Sie suchen die größte Feinheit der Denkungsart und der Gesinnungen in die Aeußerungen ihrer Zärtlichkeit zu legen, und laufen Gefahr, nicht verstanden zu werden, oder sich nicht verstanden und getheilt zu fühlen. So findet die Liebe ihr Ende in übertriebener Delicatesse! Liebende, die ihr mit unvergänglicher Zärtlichkeit an einander hängen wollt, hört auf diese wenigen Worte, welche eine Haupmaxime enthalten, die Liebe dauerhaft zu machen. Hütet euch, einander zu gewöhnlich, und einander zu ungewohnt zu werden! Viertes Kapitel. Liebe ist nicht einziger Beruf unsers Lebens, aber sie ist mehr wie Zeitvertreib; sie ist ernstes Geschäft. Liebe ist die Stütze und das Labsal unsers Lebens: sie bereitet uns die höchsten Freuden zu, die sterblichen Menschen vorbehalten sind. Aber dieser Mensch kann und soll seiner ganzen Bestimmung nach sich der Besorgung und dem Genuß dieser Liebe nicht dergestalt überlassen, daß er darüber alle andere Pflichten und alle Annehmlichkeiten vergesse, die ihm als selbständigen Menschen obliegen und zukommen. Die Liebe muß vielmehr dazu dienen, ihm seinen Beruf zu erleichtern, und alle Freuden des Lebens zu erhöhen. Es ist möglich, daß man Wochen lang die Liebe zum einzigen Beruf des Lebens mache. Aber nur Romane können uns den Zustand zweyer Liebenden schildern,

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/350>, abgerufen am 21.11.2024.