Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.war! Ihm hier zu sagen: es ist wenig, aber es ist mein alles! Nimm es hin! Sey hier Herrscherin! Lange ehe du es kanntest, war es voll von dir! Lange habe ich hier um dich geweint: und dennoch hat dein Bild, das Bild des Glücks, das nun meiner wartet, diesem Orte erst seinen höchsten Reitz gegeben! Achtzehntes Kapitel. Genuß der Liebe von der Freundschaft. Es ist Liebenden ein großes Bedürfniß und ein hoher Genuß, von ihrer Liebe gegen einen dritten zu sprechen, von dem sie wissen, daß er an ihren Schicksalen Theil nimmt, und in ihre Freuden und Leiden hineingeht. Ein Freund ist daher Liebenden ein höchst schätzbarer Fund! Aber freylich auch ein höchst seltener, und sein Besitz ist gewiß mit großen Gefahren umwunden. Man pflegt zu sagen: jeder Vertraute des Liebenden sey sein Nebenbuhler. Dieß ist zu viel gesagt. Aber daß nichts sympathetischer ist, als der Anblick glücklich Liebender, um ähnliche Empfindungen in uns zu erwecken; daß diese leicht gegen die Person unsers Geschlechts Neid und Mißgunst hervorbringen; daß Männer vorzüglich es selten gleichgültig ertragen, wenn sie von dem Glück eines sehr geliebten Mannes hören; das ist gewiß, und nicht selten hat bloß darum Liebe die Freundschaft geendigt. Aber es lassen sich noch andere Ursachen angeben, warum beyde nicht immer einem und demselben Menschen zu Theil werden. Der ruhige Freund kann sich zu selten in die Lage des Verliebten, und dieser wieder war! Ihm hier zu sagen: es ist wenig, aber es ist mein alles! Nimm es hin! Sey hier Herrscherin! Lange ehe du es kanntest, war es voll von dir! Lange habe ich hier um dich geweint: und dennoch hat dein Bild, das Bild des Glücks, das nun meiner wartet, diesem Orte erst seinen höchsten Reitz gegeben! Achtzehntes Kapitel. Genuß der Liebe von der Freundschaft. Es ist Liebenden ein großes Bedürfniß und ein hoher Genuß, von ihrer Liebe gegen einen dritten zu sprechen, von dem sie wissen, daß er an ihren Schicksalen Theil nimmt, und in ihre Freuden und Leiden hineingeht. Ein Freund ist daher Liebenden ein höchst schätzbarer Fund! Aber freylich auch ein höchst seltener, und sein Besitz ist gewiß mit großen Gefahren umwunden. Man pflegt zu sagen: jeder Vertraute des Liebenden sey sein Nebenbuhler. Dieß ist zu viel gesagt. Aber daß nichts sympathetischer ist, als der Anblick glücklich Liebender, um ähnliche Empfindungen in uns zu erwecken; daß diese leicht gegen die Person unsers Geschlechts Neid und Mißgunst hervorbringen; daß Männer vorzüglich es selten gleichgültig ertragen, wenn sie von dem Glück eines sehr geliebten Mannes hören; das ist gewiß, und nicht selten hat bloß darum Liebe die Freundschaft geendigt. Aber es lassen sich noch andere Ursachen angeben, warum beyde nicht immer einem und demselben Menschen zu Theil werden. Der ruhige Freund kann sich zu selten in die Lage des Verliebten, und dieser wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0311" n="311"/> war! Ihm hier zu sagen: es ist wenig, aber es ist mein alles! Nimm es hin! Sey hier Herrscherin! Lange ehe du es kanntest, war es voll von dir! Lange habe ich hier um dich geweint: und dennoch hat dein Bild, das Bild des Glücks, das nun meiner wartet, diesem Orte erst seinen höchsten Reitz gegeben!</p> </div> <div n="2"> <head>Achtzehntes Kapitel.<lb/></head> <argument> <p>Genuß der Liebe von der Freundschaft.<lb/></p> </argument> <p>Es ist Liebenden ein großes Bedürfniß und ein hoher Genuß, von ihrer Liebe gegen einen dritten zu sprechen, von dem sie wissen, daß er an ihren Schicksalen Theil nimmt, und in ihre Freuden und Leiden hineingeht. Ein Freund ist daher Liebenden ein höchst schätzbarer Fund! Aber freylich auch ein höchst seltener, und sein Besitz ist gewiß mit großen Gefahren umwunden.</p> <p>Man pflegt zu sagen: jeder Vertraute des Liebenden sey sein Nebenbuhler. Dieß ist zu viel gesagt. Aber daß nichts sympathetischer ist, als der Anblick glücklich Liebender, um ähnliche Empfindungen in uns zu erwecken; daß diese leicht gegen die Person unsers Geschlechts Neid und Mißgunst hervorbringen; daß Männer vorzüglich es selten gleichgültig ertragen, wenn sie von dem Glück eines sehr geliebten Mannes hören; das ist gewiß, und nicht selten hat bloß darum Liebe die Freundschaft geendigt. Aber es lassen sich noch andere Ursachen angeben, warum beyde nicht immer einem und demselben Menschen zu Theil werden. Der ruhige Freund kann sich zu selten in die Lage des Verliebten, und dieser wieder </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [311/0311]
war! Ihm hier zu sagen: es ist wenig, aber es ist mein alles! Nimm es hin! Sey hier Herrscherin! Lange ehe du es kanntest, war es voll von dir! Lange habe ich hier um dich geweint: und dennoch hat dein Bild, das Bild des Glücks, das nun meiner wartet, diesem Orte erst seinen höchsten Reitz gegeben!
Achtzehntes Kapitel.
Genuß der Liebe von der Freundschaft.
Es ist Liebenden ein großes Bedürfniß und ein hoher Genuß, von ihrer Liebe gegen einen dritten zu sprechen, von dem sie wissen, daß er an ihren Schicksalen Theil nimmt, und in ihre Freuden und Leiden hineingeht. Ein Freund ist daher Liebenden ein höchst schätzbarer Fund! Aber freylich auch ein höchst seltener, und sein Besitz ist gewiß mit großen Gefahren umwunden.
Man pflegt zu sagen: jeder Vertraute des Liebenden sey sein Nebenbuhler. Dieß ist zu viel gesagt. Aber daß nichts sympathetischer ist, als der Anblick glücklich Liebender, um ähnliche Empfindungen in uns zu erwecken; daß diese leicht gegen die Person unsers Geschlechts Neid und Mißgunst hervorbringen; daß Männer vorzüglich es selten gleichgültig ertragen, wenn sie von dem Glück eines sehr geliebten Mannes hören; das ist gewiß, und nicht selten hat bloß darum Liebe die Freundschaft geendigt. Aber es lassen sich noch andere Ursachen angeben, warum beyde nicht immer einem und demselben Menschen zu Theil werden. Der ruhige Freund kann sich zu selten in die Lage des Verliebten, und dieser wieder
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/311>, abgerufen am 24.02.2025. |