Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Kapitel.

Bestimmung der Freyheit, die wir bey der Wahl des geliebten Gegenstandes behalten.

Aber ist denn das Herz der Leitung der Vernunft unterworfen? Steht es in unserer Gewalt, uns zu verlieben? Wählt man den Gegenstand, dem man zärtlich anhängen will?

Es ist Werk des Schicksals, ruft man mir von der einen Seite zu: es ist unvermeidliches Glück oder Unglück was die Liebe herbeyführt. Ihren Gegenstand aufzusuchen, oder ihm entfliehen zu wollen, ist vergebliche Anmaßung. Noch eh' ihr geboren wurdet, war ein Wesen geschaffen, zur Vereinigung mit euch bestimmt. Eine unwiderstehliche Sympathie zieht euch an einander. Nicht die eifersüchtige Wachsamkeit zusammengerotteter Wächter, nicht die Entfernung durch Meere getrennter Länder, nicht eure eigene Flucht, wird die Schöne, die für euch ausersehen ist, eurem Anblicke, und euer Herz der Macht ihrer Reitze entziehen! Ihr tragt ihr Bild in eurem Herzen, euch selber unbewußt; ein Ungefähr wird es euch in der Natur darstellen, und ihr werdet diesem unvermeidlich huldigen. Ob zu euerm Glück, ob zu euerm Verderben? - das ist die Sache des Ungefährs, eures günstigen oder ungünstigen Gestirns, oder vielmehr der höheren Vorsehung, die den Lauf eures Lebens regiert. Ueberlaßt euch dieser, und vermehrt nicht das Gefühl eurer Ohnmacht durch vergebliches Widerstreben!

Nein, ruft mir eine andere Partey entgegen, nein! jene Sympathien, jene schnellen Ueberraschungen unsers

Achtes Kapitel.

Bestimmung der Freyheit, die wir bey der Wahl des geliebten Gegenstandes behalten.

Aber ist denn das Herz der Leitung der Vernunft unterworfen? Steht es in unserer Gewalt, uns zu verlieben? Wählt man den Gegenstand, dem man zärtlich anhängen will?

Es ist Werk des Schicksals, ruft man mir von der einen Seite zu: es ist unvermeidliches Glück oder Unglück was die Liebe herbeyführt. Ihren Gegenstand aufzusuchen, oder ihm entfliehen zu wollen, ist vergebliche Anmaßung. Noch eh’ ihr geboren wurdet, war ein Wesen geschaffen, zur Vereinigung mit euch bestimmt. Eine unwiderstehliche Sympathie zieht euch an einander. Nicht die eifersüchtige Wachsamkeit zusammengerotteter Wächter, nicht die Entfernung durch Meere getrennter Länder, nicht eure eigene Flucht, wird die Schöne, die für euch ausersehen ist, eurem Anblicke, und euer Herz der Macht ihrer Reitze entziehen! Ihr tragt ihr Bild in eurem Herzen, euch selber unbewußt; ein Ungefähr wird es euch in der Natur darstellen, und ihr werdet diesem unvermeidlich huldigen. Ob zu euerm Glück, ob zu euerm Verderben? – das ist die Sache des Ungefährs, eures günstigen oder ungünstigen Gestirns, oder vielmehr der höheren Vorsehung, die den Lauf eures Lebens regiert. Ueberlaßt euch dieser, und vermehrt nicht das Gefühl eurer Ohnmacht durch vergebliches Widerstreben!

Nein, ruft mir eine andere Partey entgegen, nein! jene Sympathien, jene schnellen Ueberraschungen unsers

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0176" n="176"/>
        <div n="2">
          <head>Achtes Kapitel.<lb/></head>
          <argument>
            <p>Bestimmung der Freyheit, die wir bey der Wahl des geliebten Gegenstandes behalten.<lb/></p>
          </argument>
          <p>Aber ist denn das Herz der Leitung der Vernunft unterworfen? Steht es in unserer Gewalt, uns zu verlieben? Wählt man den Gegenstand, dem man zärtlich anhängen will?</p>
          <p>Es ist Werk des Schicksals, ruft man mir von der einen Seite zu: es ist unvermeidliches Glück oder Unglück was die Liebe herbeyführt. Ihren Gegenstand aufzusuchen, oder ihm entfliehen zu wollen, ist vergebliche Anmaßung. Noch eh&#x2019; ihr geboren wurdet, war ein Wesen geschaffen, zur Vereinigung mit euch bestimmt. Eine unwiderstehliche Sympathie zieht euch an einander. Nicht die eifersüchtige Wachsamkeit zusammengerotteter Wächter, nicht die Entfernung durch Meere getrennter Länder, nicht eure eigene Flucht, wird die Schöne, die für euch ausersehen ist, eurem Anblicke, und euer Herz der Macht ihrer Reitze entziehen! Ihr tragt ihr Bild in eurem Herzen, euch selber unbewußt; ein Ungefähr wird es euch in der Natur darstellen, und ihr werdet diesem unvermeidlich huldigen. Ob zu euerm Glück, ob zu euerm Verderben? &#x2013; das ist die Sache des Ungefährs, eures günstigen oder ungünstigen Gestirns, oder vielmehr der höheren Vorsehung, die den Lauf eures Lebens regiert. Ueberlaßt euch dieser, und vermehrt nicht das Gefühl eurer Ohnmacht durch vergebliches Widerstreben!</p>
          <p>Nein, ruft mir eine andere Partey entgegen, nein! jene Sympathien, jene schnellen Ueberraschungen unsers
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0176] Achtes Kapitel. Bestimmung der Freyheit, die wir bey der Wahl des geliebten Gegenstandes behalten. Aber ist denn das Herz der Leitung der Vernunft unterworfen? Steht es in unserer Gewalt, uns zu verlieben? Wählt man den Gegenstand, dem man zärtlich anhängen will? Es ist Werk des Schicksals, ruft man mir von der einen Seite zu: es ist unvermeidliches Glück oder Unglück was die Liebe herbeyführt. Ihren Gegenstand aufzusuchen, oder ihm entfliehen zu wollen, ist vergebliche Anmaßung. Noch eh’ ihr geboren wurdet, war ein Wesen geschaffen, zur Vereinigung mit euch bestimmt. Eine unwiderstehliche Sympathie zieht euch an einander. Nicht die eifersüchtige Wachsamkeit zusammengerotteter Wächter, nicht die Entfernung durch Meere getrennter Länder, nicht eure eigene Flucht, wird die Schöne, die für euch ausersehen ist, eurem Anblicke, und euer Herz der Macht ihrer Reitze entziehen! Ihr tragt ihr Bild in eurem Herzen, euch selber unbewußt; ein Ungefähr wird es euch in der Natur darstellen, und ihr werdet diesem unvermeidlich huldigen. Ob zu euerm Glück, ob zu euerm Verderben? – das ist die Sache des Ungefährs, eures günstigen oder ungünstigen Gestirns, oder vielmehr der höheren Vorsehung, die den Lauf eures Lebens regiert. Ueberlaßt euch dieser, und vermehrt nicht das Gefühl eurer Ohnmacht durch vergebliches Widerstreben! Nein, ruft mir eine andere Partey entgegen, nein! jene Sympathien, jene schnellen Ueberraschungen unsers

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/176
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/176>, abgerufen am 21.11.2024.