Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.streben nach dem Wohlbehagen des Anschmiegens. Der Gaumen endlich zieht die äußern Körper ganz in sich über, und huldigt vorzüglich dem Appetit oder dem Hange nach gierigem Verzehren. Ich will daher vorerst die Eigenthümlichkeiten dieser drey Sinne, des Auges, der Tastungsorgane und des Gaumens, in Rücksicht auf die Art, wie unser Körper durch sie mit andern Körpern ins Verhältniß kommt und genießt, etwas näher entwickeln. I. Das Auge kann nichts erblicken, kann noch weniger durch den Anblick ergetzt werden, wenn seine Oberfläche unmittelbar von dem äußeren Körper berührt wird. Um einen Gegenstand als sichtbar wahrzunehmen, müssen wir unsern Körper nothwendig in einiger Entfernung von ihm halten. Das Auge, in so fern es Werkzeug des Sehens ist, liegt gleichsam außer unserm Körper. Seine Wirksamkeit und seine Reitzbarkeit reichen weit über unsere Atmosphäre hinaus. Die Reitzung der Augennerven, die Bewegung der Augenmuskeln wird so wenig bemerkt, daß der Eindruck, den der Anblick auf uns macht, beynahe ganz der Seele zu gehören scheint. Kaum daß wir eine Veränderung an unserm Physischen bemerken, wenn wir unsere Augen an einer schönen Farbe oder einem reitzenden Lichte weiden. Noch weniger mögen wir durch den bloßen Anblick die Lage des angeblickten Körpers verändern. - Nichts erweckt folglich während der Ergetzung des Auges das Gefühl einer besondern Thätigkeit, und noch weniger das eines strebenden Zustandes in unserm streben nach dem Wohlbehagen des Anschmiegens. Der Gaumen endlich zieht die äußern Körper ganz in sich über, und huldigt vorzüglich dem Appetit oder dem Hange nach gierigem Verzehren. Ich will daher vorerst die Eigenthümlichkeiten dieser drey Sinne, des Auges, der Tastungsorgane und des Gaumens, in Rücksicht auf die Art, wie unser Körper durch sie mit andern Körpern ins Verhältniß kommt und genießt, etwas näher entwickeln. I. Das Auge kann nichts erblicken, kann noch weniger durch den Anblick ergetzt werden, wenn seine Oberfläche unmittelbar von dem äußeren Körper berührt wird. Um einen Gegenstand als sichtbar wahrzunehmen, müssen wir unsern Körper nothwendig in einiger Entfernung von ihm halten. Das Auge, in so fern es Werkzeug des Sehens ist, liegt gleichsam außer unserm Körper. Seine Wirksamkeit und seine Reitzbarkeit reichen weit über unsere Atmosphäre hinaus. Die Reitzung der Augennerven, die Bewegung der Augenmuskeln wird so wenig bemerkt, daß der Eindruck, den der Anblick auf uns macht, beynahe ganz der Seele zu gehören scheint. Kaum daß wir eine Veränderung an unserm Physischen bemerken, wenn wir unsere Augen an einer schönen Farbe oder einem reitzenden Lichte weiden. Noch weniger mögen wir durch den bloßen Anblick die Lage des angeblickten Körpers verändern. – Nichts erweckt folglich während der Ergetzung des Auges das Gefühl einer besondern Thätigkeit, und noch weniger das eines strebenden Zustandes in unserm <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0026" n="26"/> streben nach dem Wohlbehagen des Anschmiegens. Der Gaumen endlich zieht die äußern Körper ganz in sich über, und huldigt vorzüglich dem Appetit oder dem Hange nach gierigem Verzehren.</p> <p>Ich will daher vorerst die Eigenthümlichkeiten dieser drey Sinne, des Auges, der Tastungsorgane und des Gaumens, in Rücksicht auf die Art, wie unser Körper durch sie mit andern Körpern ins Verhältniß kommt und genießt, etwas näher entwickeln.</p> <div n="3"> <head>I.<lb/></head> <p>Das Auge kann nichts erblicken, kann noch weniger durch den Anblick ergetzt werden, wenn seine Oberfläche unmittelbar von dem äußeren Körper berührt wird. Um einen Gegenstand als sichtbar wahrzunehmen, müssen wir unsern Körper nothwendig in einiger Entfernung von ihm halten. Das Auge, in so fern es Werkzeug des Sehens ist, liegt gleichsam außer unserm Körper. Seine Wirksamkeit und seine Reitzbarkeit reichen weit über unsere Atmosphäre hinaus. Die Reitzung der Augennerven, die Bewegung der Augenmuskeln wird so wenig bemerkt, daß der Eindruck, den der Anblick auf uns macht, beynahe ganz der Seele zu gehören scheint. Kaum daß wir eine Veränderung an unserm Physischen bemerken, wenn wir unsere Augen an einer schönen Farbe oder einem reitzenden Lichte weiden. Noch weniger mögen wir durch den bloßen Anblick die Lage des angeblickten Körpers verändern. – Nichts erweckt folglich während der Ergetzung des Auges das Gefühl einer besondern Thätigkeit, und noch weniger <hi rendition="#g">das</hi> eines strebenden Zustandes in unserm </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0026]
streben nach dem Wohlbehagen des Anschmiegens. Der Gaumen endlich zieht die äußern Körper ganz in sich über, und huldigt vorzüglich dem Appetit oder dem Hange nach gierigem Verzehren.
Ich will daher vorerst die Eigenthümlichkeiten dieser drey Sinne, des Auges, der Tastungsorgane und des Gaumens, in Rücksicht auf die Art, wie unser Körper durch sie mit andern Körpern ins Verhältniß kommt und genießt, etwas näher entwickeln.
I.
Das Auge kann nichts erblicken, kann noch weniger durch den Anblick ergetzt werden, wenn seine Oberfläche unmittelbar von dem äußeren Körper berührt wird. Um einen Gegenstand als sichtbar wahrzunehmen, müssen wir unsern Körper nothwendig in einiger Entfernung von ihm halten. Das Auge, in so fern es Werkzeug des Sehens ist, liegt gleichsam außer unserm Körper. Seine Wirksamkeit und seine Reitzbarkeit reichen weit über unsere Atmosphäre hinaus. Die Reitzung der Augennerven, die Bewegung der Augenmuskeln wird so wenig bemerkt, daß der Eindruck, den der Anblick auf uns macht, beynahe ganz der Seele zu gehören scheint. Kaum daß wir eine Veränderung an unserm Physischen bemerken, wenn wir unsere Augen an einer schönen Farbe oder einem reitzenden Lichte weiden. Noch weniger mögen wir durch den bloßen Anblick die Lage des angeblickten Körpers verändern. – Nichts erweckt folglich während der Ergetzung des Auges das Gefühl einer besondern Thätigkeit, und noch weniger das eines strebenden Zustandes in unserm
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Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/26>, abgerufen am 24.02.2025. |