Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.Gattung, oder die aus zwey Wesen gleicher Art gepaarte Person nie seyn könnte. Viertes Kapitel. Beweis. Ich glaube den angegebenen Unterschied nicht besser rechtfertigen zu können, als wenn ich zu den Klassen von Menschen, bey denen sich die Begriffe über ihre geselligen Verhältnisse als bloße Ahndungen darstellen, herab, und dann zu den gebildeteren Klassen wieder hinaufsteige, bey denen mehr geläuterte Vorstellungen vorausgesetzt werden können. Finde ich bey allen die Idee, daß der Freund ein Mensch ist, der die herrschenden Triebe der prädominierenden Disposition zur Stärke oder zur Zartheit in ihrer Natur erhöhet, und daß sie dieß Verhältniß noch genau von demjenigen unterscheiden, worin sich ihre geschmeidige Stärke gegen die hebende Zartheit eines andern Menschen bey der genauesten Verbindung befindet, so wird wohl das Wahre meiner aufgestellten Sätze nicht bezweifelt werden können. Was gehört zur engsten Sinnlichkeit des Mannes unter den Wilden, in so fern er sich von den Weibern seines Volks in dieser Rücksicht unterscheidet? Er strebt nach dem Bewußtseyn seiner physischen Kraft und nach gewaltsamer Spannung seines Gemüths, im Kriege, auf der Jagd, bey gefährlichen Unternehmungen jeder Art, bey lärmenden Gelagen, wo erhitzende Getränke und erschütternde Auftritte sein Blut in Wallung und seine Einbildungskraft in rege Schwingung versetzen. Das sind seine herrschenden Triebe von der stärkeren Art; das ist seine männliche Natur. Und wer Gattung, oder die aus zwey Wesen gleicher Art gepaarte Person nie seyn könnte. Viertes Kapitel. Beweis. Ich glaube den angegebenen Unterschied nicht besser rechtfertigen zu können, als wenn ich zu den Klassen von Menschen, bey denen sich die Begriffe über ihre geselligen Verhältnisse als bloße Ahndungen darstellen, herab, und dann zu den gebildeteren Klassen wieder hinaufsteige, bey denen mehr geläuterte Vorstellungen vorausgesetzt werden können. Finde ich bey allen die Idee, daß der Freund ein Mensch ist, der die herrschenden Triebe der prädominierenden Disposition zur Stärke oder zur Zartheit in ihrer Natur erhöhet, und daß sie dieß Verhältniß noch genau von demjenigen unterscheiden, worin sich ihre geschmeidige Stärke gegen die hebende Zartheit eines andern Menschen bey der genauesten Verbindung befindet, so wird wohl das Wahre meiner aufgestellten Sätze nicht bezweifelt werden können. Was gehört zur engsten Sinnlichkeit des Mannes unter den Wilden, in so fern er sich von den Weibern seines Volks in dieser Rücksicht unterscheidet? Er strebt nach dem Bewußtseyn seiner physischen Kraft und nach gewaltsamer Spannung seines Gemüths, im Kriege, auf der Jagd, bey gefährlichen Unternehmungen jeder Art, bey lärmenden Gelagen, wo erhitzende Getränke und erschütternde Auftritte sein Blut in Wallung und seine Einbildungskraft in rege Schwingung versetzen. Das sind seine herrschenden Triebe von der stärkeren Art; das ist seine männliche Natur. Und wer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0217" n="217"/> Gattung, oder die aus zwey Wesen gleicher Art gepaarte Person nie seyn könnte.</p> </div> <div n="2"> <head>Viertes Kapitel.<lb/></head> <argument> <p>Beweis.<lb/></p> </argument> <p>Ich glaube den angegebenen Unterschied nicht besser rechtfertigen zu können, als wenn ich zu den Klassen von Menschen, bey denen sich die Begriffe über ihre geselligen Verhältnisse als bloße Ahndungen darstellen, herab, und dann zu den gebildeteren Klassen wieder hinaufsteige, bey denen mehr geläuterte Vorstellungen vorausgesetzt werden können. Finde ich bey allen die Idee, daß der Freund ein Mensch ist, der die herrschenden Triebe der prädominierenden Disposition zur Stärke oder zur Zartheit in ihrer Natur erhöhet, und daß sie dieß Verhältniß noch genau von demjenigen unterscheiden, worin sich ihre geschmeidige Stärke gegen die hebende Zartheit eines andern Menschen bey der genauesten Verbindung befindet, so wird wohl das Wahre meiner aufgestellten Sätze nicht bezweifelt werden können.</p> <p>Was gehört zur engsten Sinnlichkeit des <hi rendition="#g">Mannes unter den Wilden</hi>, in so fern er sich von den Weibern seines Volks <hi rendition="#g">in dieser Rücksicht</hi> unterscheidet? Er strebt nach dem Bewußtseyn seiner physischen Kraft und nach gewaltsamer Spannung seines Gemüths, im Kriege, auf der Jagd, bey gefährlichen Unternehmungen jeder Art, bey lärmenden Gelagen, wo erhitzende Getränke und erschütternde Auftritte sein Blut in Wallung und seine Einbildungskraft in rege Schwingung versetzen. Das sind seine herrschenden Triebe von der stärkeren Art; das ist seine männliche Natur. Und wer </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [217/0217]
Gattung, oder die aus zwey Wesen gleicher Art gepaarte Person nie seyn könnte.
Viertes Kapitel.
Beweis.
Ich glaube den angegebenen Unterschied nicht besser rechtfertigen zu können, als wenn ich zu den Klassen von Menschen, bey denen sich die Begriffe über ihre geselligen Verhältnisse als bloße Ahndungen darstellen, herab, und dann zu den gebildeteren Klassen wieder hinaufsteige, bey denen mehr geläuterte Vorstellungen vorausgesetzt werden können. Finde ich bey allen die Idee, daß der Freund ein Mensch ist, der die herrschenden Triebe der prädominierenden Disposition zur Stärke oder zur Zartheit in ihrer Natur erhöhet, und daß sie dieß Verhältniß noch genau von demjenigen unterscheiden, worin sich ihre geschmeidige Stärke gegen die hebende Zartheit eines andern Menschen bey der genauesten Verbindung befindet, so wird wohl das Wahre meiner aufgestellten Sätze nicht bezweifelt werden können.
Was gehört zur engsten Sinnlichkeit des Mannes unter den Wilden, in so fern er sich von den Weibern seines Volks in dieser Rücksicht unterscheidet? Er strebt nach dem Bewußtseyn seiner physischen Kraft und nach gewaltsamer Spannung seines Gemüths, im Kriege, auf der Jagd, bey gefährlichen Unternehmungen jeder Art, bey lärmenden Gelagen, wo erhitzende Getränke und erschütternde Auftritte sein Blut in Wallung und seine Einbildungskraft in rege Schwingung versetzen. Das sind seine herrschenden Triebe von der stärkeren Art; das ist seine männliche Natur. Und wer
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/217 |
Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus01_1798/217>, abgerufen am 24.02.2025. |