Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.geringe Begünstigung für die Eitelkeit, dazu vor allen andern würdig gefunden zu werden. V. Dieß führt mich auf die merkwürdige Habsucht in dem Bestreben, eine Person von verschiedenem Geschlechte zu gewinnen, und auf den eben so merkwürdigen Stolz auf den Besitz dieser Person bey dem Gelingen jenes Bestrebens. Das Gefühl: ich habe die Person, sie ist mein! wird weder als Zweck noch als Genuß bey der Bestrebung, die Zuneigung von Personen unsers Geschlechts zu gewinnen, angetroffen, wenn diese nicht in Leidenschaft ausartet. Hier begnügen wir uns mit dem Bewußtseyn eines vorzüglichen Anspruchs auf das Herz oder die Vereinigung der Naturen! Was heißt hingegen jenes Bestreben, eine Person vom andern Geschlechte ganz zu gewinnen, sich ganz anzueignen, anders, als das Bestreben nach dem Bewußtseyn, daß sie uns eine Zuneigung schenkt, die ihrer Natur nach mit keiner andern Person getheilt werden kann, die folglich den Begriff des ausschließenden Besitzes, und dadurch sogar gewisse Ideen von Rechten über ihr Physisches und Moralisches, und von Eigenthum mit sich führt. Wir entziehen dadurch die Person allen Ansprüchen, die andere in eben der Rücksicht auf sie machen könnten; wir sondern sie zu einer engeren Gesellschaft mit uns von der größeren ab. Es läßt sich nicht läugnen, daß, so viel auch unsere policierteren Sitten die Idee der Dienstbarkeit, in welche sich das zärtere Geschlecht durch Verschenkung seines Herzens gegen das geringe Begünstigung für die Eitelkeit, dazu vor allen andern würdig gefunden zu werden. V. Dieß führt mich auf die merkwürdige Habsucht in dem Bestreben, eine Person von verschiedenem Geschlechte zu gewinnen, und auf den eben so merkwürdigen Stolz auf den Besitz dieser Person bey dem Gelingen jenes Bestrebens. Das Gefühl: ich habe die Person, sie ist mein! wird weder als Zweck noch als Genuß bey der Bestrebung, die Zuneigung von Personen unsers Geschlechts zu gewinnen, angetroffen, wenn diese nicht in Leidenschaft ausartet. Hier begnügen wir uns mit dem Bewußtseyn eines vorzüglichen Anspruchs auf das Herz oder die Vereinigung der Naturen! Was heißt hingegen jenes Bestreben, eine Person vom andern Geschlechte ganz zu gewinnen, sich ganz anzueignen, anders, als das Bestreben nach dem Bewußtseyn, daß sie uns eine Zuneigung schenkt, die ihrer Natur nach mit keiner andern Person getheilt werden kann, die folglich den Begriff des ausschließenden Besitzes, und dadurch sogar gewisse Ideen von Rechten über ihr Physisches und Moralisches, und von Eigenthum mit sich führt. Wir entziehen dadurch die Person allen Ansprüchen, die andere in eben der Rücksicht auf sie machen könnten; wir sondern sie zu einer engeren Gesellschaft mit uns von der größeren ab. Es läßt sich nicht läugnen, daß, so viel auch unsere policierteren Sitten die Idee der Dienstbarkeit, in welche sich das zärtere Geschlecht durch Verschenkung seines Herzens gegen das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0182" n="182"/> geringe Begünstigung für die Eitelkeit, dazu vor allen andern würdig gefunden zu werden.</p> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="3"> <head>V.<lb/></head> <p>Dieß führt mich auf die merkwürdige Habsucht in dem Bestreben, eine <hi rendition="#g">Person</hi> von verschiedenem Geschlechte zu gewinnen, und auf den eben so merkwürdigen Stolz auf den Besitz dieser <hi rendition="#g">Person</hi> bey dem Gelingen jenes Bestrebens. Das Gefühl: ich habe die <hi rendition="#g">Person</hi>, sie ist mein! wird weder als Zweck noch als Genuß bey der Bestrebung, die Zuneigung von Personen unsers Geschlechts zu gewinnen, angetroffen, wenn diese nicht in Leidenschaft ausartet. Hier begnügen wir uns mit dem Bewußtseyn eines vorzüglichen Anspruchs auf das Herz oder die Vereinigung der Naturen! Was heißt hingegen jenes Bestreben, eine Person vom andern Geschlechte <hi rendition="#g">ganz</hi> zu gewinnen, sich <hi rendition="#g">ganz</hi> anzueignen, anders, als das Bestreben nach dem Bewußtseyn, daß sie uns eine Zuneigung schenkt, die ihrer Natur nach mit keiner andern Person getheilt werden kann, die folglich den Begriff des <hi rendition="#g">ausschließenden</hi> Besitzes, und dadurch sogar gewisse Ideen von Rechten über ihr Physisches und Moralisches, und von Eigenthum mit sich führt. Wir entziehen dadurch die Person allen Ansprüchen, die andere in eben der Rücksicht auf sie machen könnten; wir sondern sie zu einer engeren Gesellschaft mit uns von der größeren ab. Es läßt sich nicht läugnen, daß, so viel auch unsere policierteren Sitten die Idee der Dienstbarkeit, in welche sich das zärtere Geschlecht durch Verschenkung seines Herzens gegen das </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0182]
geringe Begünstigung für die Eitelkeit, dazu vor allen andern würdig gefunden zu werden.
V.
Dieß führt mich auf die merkwürdige Habsucht in dem Bestreben, eine Person von verschiedenem Geschlechte zu gewinnen, und auf den eben so merkwürdigen Stolz auf den Besitz dieser Person bey dem Gelingen jenes Bestrebens. Das Gefühl: ich habe die Person, sie ist mein! wird weder als Zweck noch als Genuß bey der Bestrebung, die Zuneigung von Personen unsers Geschlechts zu gewinnen, angetroffen, wenn diese nicht in Leidenschaft ausartet. Hier begnügen wir uns mit dem Bewußtseyn eines vorzüglichen Anspruchs auf das Herz oder die Vereinigung der Naturen! Was heißt hingegen jenes Bestreben, eine Person vom andern Geschlechte ganz zu gewinnen, sich ganz anzueignen, anders, als das Bestreben nach dem Bewußtseyn, daß sie uns eine Zuneigung schenkt, die ihrer Natur nach mit keiner andern Person getheilt werden kann, die folglich den Begriff des ausschließenden Besitzes, und dadurch sogar gewisse Ideen von Rechten über ihr Physisches und Moralisches, und von Eigenthum mit sich führt. Wir entziehen dadurch die Person allen Ansprüchen, die andere in eben der Rücksicht auf sie machen könnten; wir sondern sie zu einer engeren Gesellschaft mit uns von der größeren ab. Es läßt sich nicht läugnen, daß, so viel auch unsere policierteren Sitten die Idee der Dienstbarkeit, in welche sich das zärtere Geschlecht durch Verschenkung seines Herzens gegen das
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