Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite
Anmerkungen

Kirche S. Luigi de' Francesi. 54)

Auf dem Hauptaltare ist die Assumption der
Maria
von Francesco Bassano gemahlt.

Die Anordnung hat viel vom Paolo Veronese.
Die Gewänder sind gut, auch finde ich die Formen
weniger unedel, als gewöhnlich gewählt; die Köpfe
aber sind alle nach einem Modelle gebildet.

Capelle mit
Mahlereien
von Dome-
nichino.

+ Die zweite Capelle rechter Hand ist wegen
verschiedener Mahlereien des Domenichino be-
rühmt.

Beim Eintritt, rechts, sieht man die heilige
Cäcilia, welche ihre Kleider unter die Armen
vertheilt.
Die Anordnung ist schlecht. Die heil.
Cäcilia steht so versteckt, daß man sie beinahe gar
nicht sieht. Der Ausdruck ist niedrig, aber äußerst
wahr. Jede Figur sagt das, was sie sagen soll;
Schade nur, daß dies Gesagte nicht viel werth ist!
Hin und wieder fällt der Ausdruck gar ins Niedrige:
Zum Beispiel, der Jude, der von weitem den Preis,
den er für ein Kleidungsstück bietet, mit den Fingern
anzeigt; die Mutter, die ihrem Sohne ein Paar Ohr-
seigen giebt, da er seinem Bruder ein Camisol weg-
nehmen will; die Straßenjungen, die sich über ein
Stück Zeug in den Haaren liegen. Inzwischen muß
man immer die Kunst bewundern, mit der Domeni-
chino die geheimsten Affekten der Seele durch die Be-
wegung des Körpers dem Auge des Beschauers ver-
ständlich zu machen gewußt hat.

Die
54) Hr. D. Volkmann S. 469. Titi S. 145. und
468.
Anmerkungen

Kirche S. Luigi de’ Franceſi. 54)

Auf dem Hauptaltare iſt die Aſſumption der
Maria
von Francesco Baſſano gemahlt.

Die Anordnung hat viel vom Paolo Veroneſe.
Die Gewaͤnder ſind gut, auch finde ich die Formen
weniger unedel, als gewoͤhnlich gewaͤhlt; die Koͤpfe
aber ſind alle nach einem Modelle gebildet.

Capelle mit
Mahlereien
von Dome-
nichino.

Die zweite Capelle rechter Hand iſt wegen
verſchiedener Mahlereien des Domenichino be-
ruͤhmt.

Beim Eintritt, rechts, ſieht man die heilige
Caͤcilia, welche ihre Kleider unter die Armen
vertheilt.
Die Anordnung iſt ſchlecht. Die heil.
Caͤcilia ſteht ſo verſteckt, daß man ſie beinahe gar
nicht ſieht. Der Ausdruck iſt niedrig, aber aͤußerſt
wahr. Jede Figur ſagt das, was ſie ſagen ſoll;
Schade nur, daß dies Geſagte nicht viel werth iſt!
Hin und wieder faͤllt der Ausdruck gar ins Niedrige:
Zum Beiſpiel, der Jude, der von weitem den Preis,
den er fuͤr ein Kleidungsſtuͤck bietet, mit den Fingern
anzeigt; die Mutter, die ihrem Sohne ein Paar Ohr-
ſeigen giebt, da er ſeinem Bruder ein Camiſol weg-
nehmen will; die Straßenjungen, die ſich uͤber ein
Stuͤck Zeug in den Haaren liegen. Inzwiſchen muß
man immer die Kunſt bewundern, mit der Domeni-
chino die geheimſten Affekten der Seele durch die Be-
wegung des Koͤrpers dem Auge des Beſchauers ver-
ſtaͤndlich zu machen gewußt hat.

Die
54) Hr. D. Volkmann S. 469. Titi S. 145. und
468.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0316" n="292"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Anmerkungen</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Kirche</hi> <hi rendition="#aq">S. Luigi de&#x2019; France&#x017F;i.</hi> <note place="foot" n="54)">Hr. D. Volkmann S. 469. Titi S. 145. und<lb/>
468.</note>
            </head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr"><hi rendition="#in">A</hi>uf dem Hauptaltare i&#x017F;t die A&#x017F;&#x017F;umption der<lb/>
Maria</hi> von <hi rendition="#fr">Francesco Ba&#x017F;&#x017F;ano</hi> gemahlt.</p><lb/>
            <p>Die Anordnung hat viel vom Paolo Verone&#x017F;e.<lb/>
Die Gewa&#x0364;nder &#x017F;ind gut, auch finde ich die Formen<lb/>
weniger unedel, als gewo&#x0364;hnlich gewa&#x0364;hlt; die Ko&#x0364;pfe<lb/>
aber &#x017F;ind alle nach einem Modelle gebildet.</p><lb/>
            <note place="left">Capelle mit<lb/>
Mahlereien<lb/>
von Dome-<lb/>
nichino.</note>
            <p>&#x2020; <hi rendition="#fr">Die zweite Capelle rechter Hand</hi> i&#x017F;t wegen<lb/>
ver&#x017F;chiedener <hi rendition="#fr">Mahlereien des Domenichino</hi> be-<lb/>
ru&#x0364;hmt.</p><lb/>
            <p>Beim Eintritt, rechts, &#x017F;ieht man <hi rendition="#fr">die heilige<lb/>
Ca&#x0364;cilia, welche ihre Kleider unter die Armen<lb/>
vertheilt.</hi> Die Anordnung i&#x017F;t &#x017F;chlecht. Die heil.<lb/>
Ca&#x0364;cilia &#x017F;teht &#x017F;o ver&#x017F;teckt, daß man &#x017F;ie beinahe gar<lb/>
nicht &#x017F;ieht. Der Ausdruck i&#x017F;t niedrig, aber a&#x0364;ußer&#x017F;t<lb/>
wahr. Jede Figur &#x017F;agt das, was &#x017F;ie &#x017F;agen &#x017F;oll;<lb/>
Schade nur, daß dies Ge&#x017F;agte nicht viel werth i&#x017F;t!<lb/>
Hin und wieder fa&#x0364;llt der Ausdruck gar ins Niedrige:<lb/>
Zum Bei&#x017F;piel, der Jude, der von weitem den Preis,<lb/>
den er fu&#x0364;r ein Kleidungs&#x017F;tu&#x0364;ck bietet, mit den Fingern<lb/>
anzeigt; die Mutter, die ihrem Sohne ein Paar Ohr-<lb/>
&#x017F;eigen giebt, da er &#x017F;einem Bruder ein Cami&#x017F;ol weg-<lb/>
nehmen will; die Straßenjungen, die &#x017F;ich u&#x0364;ber ein<lb/>
Stu&#x0364;ck Zeug in den Haaren liegen. Inzwi&#x017F;chen muß<lb/>
man immer die Kun&#x017F;t bewundern, mit der Domeni-<lb/>
chino die geheim&#x017F;ten Affekten der Seele durch die Be-<lb/>
wegung des Ko&#x0364;rpers dem Auge des Be&#x017F;chauers ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlich zu machen gewußt hat.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0316] Anmerkungen Kirche S. Luigi de’ Franceſi. 54) Auf dem Hauptaltare iſt die Aſſumption der Maria von Francesco Baſſano gemahlt. Die Anordnung hat viel vom Paolo Veroneſe. Die Gewaͤnder ſind gut, auch finde ich die Formen weniger unedel, als gewoͤhnlich gewaͤhlt; die Koͤpfe aber ſind alle nach einem Modelle gebildet. † Die zweite Capelle rechter Hand iſt wegen verſchiedener Mahlereien des Domenichino be- ruͤhmt. Beim Eintritt, rechts, ſieht man die heilige Caͤcilia, welche ihre Kleider unter die Armen vertheilt. Die Anordnung iſt ſchlecht. Die heil. Caͤcilia ſteht ſo verſteckt, daß man ſie beinahe gar nicht ſieht. Der Ausdruck iſt niedrig, aber aͤußerſt wahr. Jede Figur ſagt das, was ſie ſagen ſoll; Schade nur, daß dies Geſagte nicht viel werth iſt! Hin und wieder faͤllt der Ausdruck gar ins Niedrige: Zum Beiſpiel, der Jude, der von weitem den Preis, den er fuͤr ein Kleidungsſtuͤck bietet, mit den Fingern anzeigt; die Mutter, die ihrem Sohne ein Paar Ohr- ſeigen giebt, da er ſeinem Bruder ein Camiſol weg- nehmen will; die Straßenjungen, die ſich uͤber ein Stuͤck Zeug in den Haaren liegen. Inzwiſchen muß man immer die Kunſt bewundern, mit der Domeni- chino die geheimſten Affekten der Seele durch die Be- wegung des Koͤrpers dem Auge des Beſchauers ver- ſtaͤndlich zu machen gewußt hat. Die 54) Hr. D. Volkmann S. 469. Titi S. 145. und 468.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/316
Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/316>, abgerufen am 30.12.2024.