Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Märchen vom ersten April.
von - -, welcher hier in Garnison stehet, ein ir-
render Ritter, und ein unglücklicher Spieler ist.
Wie oft wird sie in drey Jahren an ihren verstor-
benen Mann mit Thränen zurück dencken, wenn sie
bey seinen Freunden um das Gnadenbrodt bit-
ten muß!

19.

N - - wird heute diese Weissagungen in der
Stille lesen, ohne sich es merken zu lassen. Jch
habe sie auf dem Titelblatte gewarnet, sie solle die-
selben vom achten bis zum neunzehnten Artikel
überschlagen, weil für das Frauenzimmer, und
besonders für unverheirathetes Frauenzimmer, viel
anstößige Stellen darinnen wären. Diese War-
nung ist Ursache, daß sie den achten und die fol-
genden Artikel bis zum neunzehnten zuerst gelesen
hat. Sie weis gar nicht, was ich will; denn in
allen diesen Stellen findet sie nichts Anstößiges für
das Frauenzimmer. Jm Ernste, gar nichts.
Desto zufriedner bin ich, meine Schöne! Aber
doch werden sie hier vieles finden, das ihnen sehr
nützlich seyn kann. Hätte ich ihnen gerathen, diese
zwölf Artikel wegen ihrer erbaulichen Moral zu
lesen, so würden sie dieselben vieleicht gar nicht, oder
nach ihrer guten Bequemlichkeit, oder doch mit ih-
rer gewöhnlichen Unachtsamkeit gelesen haben.
Aber da ich bat, sie möchten diese Stellen nicht
lesen, da ich sie davor warnte, weil viel Anstößi-
ges darinnen wäre, welches die Ohren der Frauen-
zimmer beleidigen könnte; mit einem Worte, da

ich

Das Maͤrchen vom erſten April.
von ‒ ‒, welcher hier in Garniſon ſtehet, ein ir-
render Ritter, und ein ungluͤcklicher Spieler iſt.
Wie oft wird ſie in drey Jahren an ihren verſtor-
benen Mann mit Thraͤnen zuruͤck dencken, wenn ſie
bey ſeinen Freunden um das Gnadenbrodt bit-
ten muß!

19.

N ‒ ‒ wird heute dieſe Weiſſagungen in der
Stille leſen, ohne ſich es merken zu laſſen. Jch
habe ſie auf dem Titelblatte gewarnet, ſie ſolle die-
ſelben vom achten bis zum neunzehnten Artikel
uͤberſchlagen, weil fuͤr das Frauenzimmer, und
beſonders fuͤr unverheirathetes Frauenzimmer, viel
anſtoͤßige Stellen darinnen waͤren. Dieſe War-
nung iſt Urſache, daß ſie den achten und die fol-
genden Artikel bis zum neunzehnten zuerſt geleſen
hat. Sie weis gar nicht, was ich will; denn in
allen dieſen Stellen findet ſie nichts Anſtoͤßiges fuͤr
das Frauenzimmer. Jm Ernſte, gar nichts.
Deſto zufriedner bin ich, meine Schoͤne! Aber
doch werden ſie hier vieles finden, das ihnen ſehr
nuͤtzlich ſeyn kann. Haͤtte ich ihnen gerathen, dieſe
zwoͤlf Artikel wegen ihrer erbaulichen Moral zu
leſen, ſo wuͤrden ſie dieſelben vieleicht gar nicht, oder
nach ihrer guten Bequemlichkeit, oder doch mit ih-
rer gewoͤhnlichen Unachtſamkeit geleſen haben.
Aber da ich bat, ſie moͤchten dieſe Stellen nicht
leſen, da ich ſie davor warnte, weil viel Anſtoͤßi-
ges darinnen waͤre, welches die Ohren der Frauen-
zimmer beleidigen koͤnnte; mit einem Worte, da

ich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0542" n="520[518]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Ma&#x0364;rchen vom er&#x017F;ten April.</hi></fw><lb/>
von &#x2012; &#x2012;, welcher hier in Garni&#x017F;on &#x017F;tehet, ein ir-<lb/>
render Ritter, und ein unglu&#x0364;cklicher Spieler i&#x017F;t.<lb/>
Wie oft wird &#x017F;ie in drey Jahren an ihren ver&#x017F;tor-<lb/>
benen Mann mit Thra&#x0364;nen zuru&#x0364;ck dencken, wenn &#x017F;ie<lb/>
bey &#x017F;einen Freunden um das Gnadenbrodt bit-<lb/>
ten muß!</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>19.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#fr">N</hi> &#x2012; &#x2012; wird heute die&#x017F;e Wei&#x017F;&#x017F;agungen in der<lb/>
Stille le&#x017F;en, ohne &#x017F;ich es merken zu la&#x017F;&#x017F;en. Jch<lb/>
habe &#x017F;ie auf dem Titelblatte gewarnet, &#x017F;ie &#x017F;olle die-<lb/>
&#x017F;elben vom achten bis zum neunzehnten Artikel<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;chlagen, weil fu&#x0364;r das Frauenzimmer, und<lb/>
be&#x017F;onders fu&#x0364;r unverheirathetes Frauenzimmer, viel<lb/>
an&#x017F;to&#x0364;ßige Stellen darinnen wa&#x0364;ren. Die&#x017F;e War-<lb/>
nung i&#x017F;t Ur&#x017F;ache, daß &#x017F;ie den achten und die fol-<lb/>
genden Artikel bis zum neunzehnten zuer&#x017F;t gele&#x017F;en<lb/>
hat. Sie weis gar nicht, was ich will; denn in<lb/>
allen die&#x017F;en Stellen findet &#x017F;ie nichts An&#x017F;to&#x0364;ßiges fu&#x0364;r<lb/>
das Frauenzimmer. Jm Ern&#x017F;te, gar nichts.<lb/>
De&#x017F;to zufriedner bin ich, meine Scho&#x0364;ne! Aber<lb/>
doch werden &#x017F;ie hier vieles finden, das ihnen &#x017F;ehr<lb/>
nu&#x0364;tzlich &#x017F;eyn kann. Ha&#x0364;tte ich ihnen gerathen, die&#x017F;e<lb/>
zwo&#x0364;lf Artikel wegen ihrer erbaulichen Moral zu<lb/>
le&#x017F;en, &#x017F;o wu&#x0364;rden &#x017F;ie die&#x017F;elben vieleicht gar nicht, oder<lb/>
nach ihrer guten Bequemlichkeit, oder doch mit ih-<lb/>
rer gewo&#x0364;hnlichen Unacht&#x017F;amkeit gele&#x017F;en haben.<lb/>
Aber da ich bat, &#x017F;ie mo&#x0364;chten die&#x017F;e Stellen nicht<lb/>
le&#x017F;en, da ich &#x017F;ie davor warnte, weil viel An&#x017F;to&#x0364;ßi-<lb/>
ges darinnen wa&#x0364;re, welches die Ohren der Frauen-<lb/>
zimmer beleidigen ko&#x0364;nnte; mit einem Worte, da<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ich</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[520[518]/0542] Das Maͤrchen vom erſten April. von ‒ ‒, welcher hier in Garniſon ſtehet, ein ir- render Ritter, und ein ungluͤcklicher Spieler iſt. Wie oft wird ſie in drey Jahren an ihren verſtor- benen Mann mit Thraͤnen zuruͤck dencken, wenn ſie bey ſeinen Freunden um das Gnadenbrodt bit- ten muß! 19. N ‒ ‒ wird heute dieſe Weiſſagungen in der Stille leſen, ohne ſich es merken zu laſſen. Jch habe ſie auf dem Titelblatte gewarnet, ſie ſolle die- ſelben vom achten bis zum neunzehnten Artikel uͤberſchlagen, weil fuͤr das Frauenzimmer, und beſonders fuͤr unverheirathetes Frauenzimmer, viel anſtoͤßige Stellen darinnen waͤren. Dieſe War- nung iſt Urſache, daß ſie den achten und die fol- genden Artikel bis zum neunzehnten zuerſt geleſen hat. Sie weis gar nicht, was ich will; denn in allen dieſen Stellen findet ſie nichts Anſtoͤßiges fuͤr das Frauenzimmer. Jm Ernſte, gar nichts. Deſto zufriedner bin ich, meine Schoͤne! Aber doch werden ſie hier vieles finden, das ihnen ſehr nuͤtzlich ſeyn kann. Haͤtte ich ihnen gerathen, dieſe zwoͤlf Artikel wegen ihrer erbaulichen Moral zu leſen, ſo wuͤrden ſie dieſelben vieleicht gar nicht, oder nach ihrer guten Bequemlichkeit, oder doch mit ih- rer gewoͤhnlichen Unachtſamkeit geleſen haben. Aber da ich bat, ſie moͤchten dieſe Stellen nicht leſen, da ich ſie davor warnte, weil viel Anſtoͤßi- ges darinnen waͤre, welches die Ohren der Frauen- zimmer beleidigen koͤnnte; mit einem Worte, da ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/542
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 520[518]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/542>, abgerufen am 21.12.2024.