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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.

N. S. Jch habe von meinem seligen Herrn, trö-
ste ihn Gott, ein einziges Kind, und das ar-
me Würmchen ist immer kränklich, daß es
wohl nicht lange leben dürfte. Was für Herz-
leid muß ich nicht bey allen meinem Gelde
als eine unglückliche Wittwe im zwey und
zwanzigsten Jahre erleben! Antworten Sie
ja bald.

Mein Herr,

Der Herr Stifftsrath hat mir so viel gutes von
Jhnen zu rühmen gewußt, daß ich glaube, kei-
ne bessere Wahl treffen zu können, als wenn ich Jh-
nen die durch den Tod meines Pfarrers erledigte
Stelle anbiete. Das Amt ist eines der austräg-
lichsten; doch muß ich Jhnen auch dieses sagen, daß
die meisten Einkünfte in der Wirthschaft bestehen.
Es wird nöthig seyn, daß Sie wenigstens tausend
Thaler in Händen haben, um das Jnventarium
anzuschaffen. Könnten Sie Sich mit der Wittwe
verstehn, daß sie Jhnen das gegenwärtige Jnven-
tarium für ein billiges überließe: so wären einige
hundert Thaler zu ersparen. Sie ist ein billiges
Weib, und ich habe sie allemal als eine gute Frau
gefunden. Noch eins will ich Jhnen rathen. Wenn
die Sache zur Richtigkeit kömmt, so sehn Sie Sich
nach einer guten Wirthinn um, welche auf dem Lan-
de erzogen ist, und die Haushaltung, besonders die

hiesige
Satyriſche Briefe.

N. S. Jch habe von meinem ſeligen Herrn, troͤ-
ſte ihn Gott, ein einziges Kind, und das ar-
me Wuͤrmchen iſt immer kraͤnklich, daß es
wohl nicht lange leben duͤrfte. Was fuͤr Herz-
leid muß ich nicht bey allen meinem Gelde
als eine ungluͤckliche Wittwe im zwey und
zwanzigſten Jahre erleben! Antworten Sie
ja bald.

Mein Herr,

Der Herr Stifftsrath hat mir ſo viel gutes von
Jhnen zu ruͤhmen gewußt, daß ich glaube, kei-
ne beſſere Wahl treffen zu koͤnnen, als wenn ich Jh-
nen die durch den Tod meines Pfarrers erledigte
Stelle anbiete. Das Amt iſt eines der austraͤg-
lichſten; doch muß ich Jhnen auch dieſes ſagen, daß
die meiſten Einkuͤnfte in der Wirthſchaft beſtehen.
Es wird noͤthig ſeyn, daß Sie wenigſtens tauſend
Thaler in Haͤnden haben, um das Jnventarium
anzuſchaffen. Koͤnnten Sie Sich mit der Wittwe
verſtehn, daß ſie Jhnen das gegenwaͤrtige Jnven-
tarium fuͤr ein billiges uͤberließe: ſo waͤren einige
hundert Thaler zu erſparen. Sie iſt ein billiges
Weib, und ich habe ſie allemal als eine gute Frau
gefunden. Noch eins will ich Jhnen rathen. Wenn
die Sache zur Richtigkeit koͤmmt, ſo ſehn Sie Sich
nach einer guten Wirthinn um, welche auf dem Lan-
de erzogen iſt, und die Haushaltung, beſonders die

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[30/0058] Satyriſche Briefe. N. S. Jch habe von meinem ſeligen Herrn, troͤ- ſte ihn Gott, ein einziges Kind, und das ar- me Wuͤrmchen iſt immer kraͤnklich, daß es wohl nicht lange leben duͤrfte. Was fuͤr Herz- leid muß ich nicht bey allen meinem Gelde als eine ungluͤckliche Wittwe im zwey und zwanzigſten Jahre erleben! Antworten Sie ja bald. Mein Herr, Der Herr Stifftsrath hat mir ſo viel gutes von Jhnen zu ruͤhmen gewußt, daß ich glaube, kei- ne beſſere Wahl treffen zu koͤnnen, als wenn ich Jh- nen die durch den Tod meines Pfarrers erledigte Stelle anbiete. Das Amt iſt eines der austraͤg- lichſten; doch muß ich Jhnen auch dieſes ſagen, daß die meiſten Einkuͤnfte in der Wirthſchaft beſtehen. Es wird noͤthig ſeyn, daß Sie wenigſtens tauſend Thaler in Haͤnden haben, um das Jnventarium anzuſchaffen. Koͤnnten Sie Sich mit der Wittwe verſtehn, daß ſie Jhnen das gegenwaͤrtige Jnven- tarium fuͤr ein billiges uͤberließe: ſo waͤren einige hundert Thaler zu erſparen. Sie iſt ein billiges Weib, und ich habe ſie allemal als eine gute Frau gefunden. Noch eins will ich Jhnen rathen. Wenn die Sache zur Richtigkeit koͤmmt, ſo ſehn Sie Sich nach einer guten Wirthinn um, welche auf dem Lan- de erzogen iſt, und die Haushaltung, beſonders die hieſige

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/58>, abgerufen am 30.12.2024.