Jhr Advocat ist noch nicht bey mir gewesen. Aber wozu brauchen denn zween so gute und alte Freun- de, als wir sind, einen Advocaten? Das hätten Sie nicht thun sollen, gewiß nicht, mein Herr. Ein Wort, ein Wort; ein Mann, ein Mann! Jch be- zahle meine rechtschaffnen Freunde ehrlich, und wenn weder Advocaten noch Richter in der Welt wären. Diese Messe werde ich nichts brauchen. Jch habe mich vom Gelde entblößt, und Sie wis- sen wohl, ich kaufe ohne Noth nicht gern, wenn ich nicht gleich, oder doch bald bezahlen kann.
Den Augenblick fällt mir etwas ein. Die Prin- zessinn von - - - will eine Haarnadel kaufen; sie muß aber schön seyn. Dabey wäre ein Thaler zu verdienen. Soll ich Sie vorschlagen? Kommen Sie über morgen früh in die Antichambre, da wer- den Sie mich finden. Oder, wissen Sie was: lie- ber auf den Markt; da wird die Prinzessinn um eilf Uhr selbst seyn. Sehn Sie, wie freundschaftlich ich für Sie sorge. Aber bringen Sie Jhren Advo- caten nicht mit; Jhre Durchlauchten möchten sich vor seiner Perüke entsetzen. Gewiß, das Compli- ment von Jhrem Advocaten kann ich Jhnen noch nicht recht vergeben. Was geschehn ist, ist geschehn. Wir wollen gute Freunde bleiben. Leben Sie wohl, bis auf Wiedersehn. u. s. w.
Hochwohlgebohrner Herr, Gnädiger Herr,
Das Absterben meines seligen Mannes hat mich in kümmerliche Umstände gesetzt. Die Gnade, die
Ew.
Satyriſche Briefe.
Jhr Advocat iſt noch nicht bey mir geweſen. Aber wozu brauchen denn zween ſo gute und alte Freun- de, als wir ſind, einen Advocaten? Das haͤtten Sie nicht thun ſollen, gewiß nicht, mein Herr. Ein Wort, ein Wort; ein Mann, ein Mann! Jch be- zahle meine rechtſchaffnen Freunde ehrlich, und wenn weder Advocaten noch Richter in der Welt waͤren. Dieſe Meſſe werde ich nichts brauchen. Jch habe mich vom Gelde entbloͤßt, und Sie wiſ- ſen wohl, ich kaufe ohne Noth nicht gern, wenn ich nicht gleich, oder doch bald bezahlen kann.
Den Augenblick faͤllt mir etwas ein. Die Prin- zeſſinn von ‒ ‒ ‒ will eine Haarnadel kaufen; ſie muß aber ſchoͤn ſeyn. Dabey waͤre ein Thaler zu verdienen. Soll ich Sie vorſchlagen? Kommen Sie uͤber morgen fruͤh in die Antichambre, da wer- den Sie mich finden. Oder, wiſſen Sie was: lie- ber auf den Markt; da wird die Prinzeſſinn um eilf Uhr ſelbſt ſeyn. Sehn Sie, wie freundſchaftlich ich fuͤr Sie ſorge. Aber bringen Sie Jhren Advo- caten nicht mit; Jhre Durchlauchten moͤchten ſich vor ſeiner Peruͤke entſetzen. Gewiß, das Compli- ment von Jhrem Advocaten kann ich Jhnen noch nicht recht vergeben. Was geſchehn iſt, iſt geſchehn. Wir wollen gute Freunde bleiben. Leben Sie wohl, bis auf Wiederſehn. u. ſ. w.
Hochwohlgebohrner Herr, Gnaͤdiger Herr,
Das Abſterben meines ſeligen Mannes hat mich in kuͤmmerliche Umſtaͤnde geſetzt. Die Gnade, die
Ew.
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Satyriſche Briefe.
Jhr Advocat iſt noch nicht bey mir geweſen. Aber
wozu brauchen denn zween ſo gute und alte Freun-
de, als wir ſind, einen Advocaten? Das haͤtten Sie
nicht thun ſollen, gewiß nicht, mein Herr. Ein
Wort, ein Wort; ein Mann, ein Mann! Jch be-
zahle meine rechtſchaffnen Freunde ehrlich, und
wenn weder Advocaten noch Richter in der Welt
waͤren. Dieſe Meſſe werde ich nichts brauchen.
Jch habe mich vom Gelde entbloͤßt, und Sie wiſ-
ſen wohl, ich kaufe ohne Noth nicht gern, wenn ich
nicht gleich, oder doch bald bezahlen kann.
Den Augenblick faͤllt mir etwas ein. Die Prin-
zeſſinn von ‒ ‒ ‒ will eine Haarnadel kaufen; ſie
muß aber ſchoͤn ſeyn. Dabey waͤre ein Thaler zu
verdienen. Soll ich Sie vorſchlagen? Kommen
Sie uͤber morgen fruͤh in die Antichambre, da wer-
den Sie mich finden. Oder, wiſſen Sie was: lie-
ber auf den Markt; da wird die Prinzeſſinn um
eilf Uhr ſelbſt ſeyn. Sehn Sie, wie freundſchaftlich
ich fuͤr Sie ſorge. Aber bringen Sie Jhren Advo-
caten nicht mit; Jhre Durchlauchten moͤchten ſich
vor ſeiner Peruͤke entſetzen. Gewiß, das Compli-
ment von Jhrem Advocaten kann ich Jhnen noch
nicht recht vergeben. Was geſchehn iſt, iſt geſchehn.
Wir wollen gute Freunde bleiben. Leben Sie
wohl, bis auf Wiederſehn. u. ſ. w.
Hochwohlgebohrner Herr,
Gnaͤdiger Herr,
Das Abſterben meines ſeligen Mannes hat mich in
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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/438>, abgerufen am 22.02.2025.
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