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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

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Satyrische Briefe.
"winne ich auf der andern Seite als ein aufrichtiger
"Patriot wieder.

Mademoiselle,

Jch habe Jhnen einen Vorschlag zu thun, der
Jhnen Ehre macht. Mein Vater heirathete
ein blutarmes Fräulein aus einem uralten Hause.
Mein Großvater vermählte sich mit der Barones-
sinn von - - - deren Vorfahren zu Kaiser Frie-
drichs des Rothbarts Zeiten zum heiligen Grabe
als Ritter reisten. Von meinem Urgroßvater ist
es bekannt, daß er sich nicht entschliessen konnte,
eine reiche Gräfinn zu heirathen, bloß darum, weil
ihr Vater ein Kaufmann gewesen war. Er nahm
ein armes Fräulein, welche von so gutem Adel
war, daß sie selbst den Beyfall des Herzogs erhielt.
Mit einem Worte, alle meine Vorfahren sind so
vorsichtig gewesen, daß sie nicht unter ihren Stand
geheirathet, und niemals ihren Adel mit bürgerli-
chem Blute befleckt und vermengt haben. Und
dennoch habe ich so viel Ueberwindung, Jhnen,
Mademoiselle, zu sagen, daß ich Sie liebe, und
dieses in der ernstlichen Absicht, Sie zu meiner Ge-
mahlinn zu nehmen. Jch gebe mich der Verach-
tung des ganzen Adels bloß, ich weiß es wohl;
aber ich kann es nicht ändern. Ein Bürgermäd-
chen zu heirathen: das will viel sagen! Sonst war
ich der erste, der gegen dergleichen widernatürliche
Ehe eiferte. Aber Noth bricht Eisen! Meine

Um-
A a 5

Satyriſche Briefe.
„winne ich auf der andern Seite als ein aufrichtiger
„Patriot wieder.

Mademoiſelle,

Jch habe Jhnen einen Vorſchlag zu thun, der
Jhnen Ehre macht. Mein Vater heirathete
ein blutarmes Fraͤulein aus einem uralten Hauſe.
Mein Großvater vermaͤhlte ſich mit der Baroneſ-
ſinn von ‒ ‒ ‒ deren Vorfahren zu Kaiſer Frie-
drichs des Rothbarts Zeiten zum heiligen Grabe
als Ritter reiſten. Von meinem Urgroßvater iſt
es bekannt, daß er ſich nicht entſchlieſſen konnte,
eine reiche Graͤfinn zu heirathen, bloß darum, weil
ihr Vater ein Kaufmann geweſen war. Er nahm
ein armes Fraͤulein, welche von ſo gutem Adel
war, daß ſie ſelbſt den Beyfall des Herzogs erhielt.
Mit einem Worte, alle meine Vorfahren ſind ſo
vorſichtig geweſen, daß ſie nicht unter ihren Stand
geheirathet, und niemals ihren Adel mit buͤrgerli-
chem Blute befleckt und vermengt haben. Und
dennoch habe ich ſo viel Ueberwindung, Jhnen,
Mademoiſelle, zu ſagen, daß ich Sie liebe, und
dieſes in der ernſtlichen Abſicht, Sie zu meiner Ge-
mahlinn zu nehmen. Jch gebe mich der Verach-
tung des ganzen Adels bloß, ich weiß es wohl;
aber ich kann es nicht aͤndern. Ein Buͤrgermaͤd-
chen zu heirathen: das will viel ſagen! Sonſt war
ich der erſte, der gegen dergleichen widernatuͤrliche
Ehe eiferte. Aber Noth bricht Eiſen! Meine

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[377/0405] Satyriſche Briefe. „winne ich auf der andern Seite als ein aufrichtiger „Patriot wieder. Mademoiſelle, Jch habe Jhnen einen Vorſchlag zu thun, der Jhnen Ehre macht. Mein Vater heirathete ein blutarmes Fraͤulein aus einem uralten Hauſe. Mein Großvater vermaͤhlte ſich mit der Baroneſ- ſinn von ‒ ‒ ‒ deren Vorfahren zu Kaiſer Frie- drichs des Rothbarts Zeiten zum heiligen Grabe als Ritter reiſten. Von meinem Urgroßvater iſt es bekannt, daß er ſich nicht entſchlieſſen konnte, eine reiche Graͤfinn zu heirathen, bloß darum, weil ihr Vater ein Kaufmann geweſen war. Er nahm ein armes Fraͤulein, welche von ſo gutem Adel war, daß ſie ſelbſt den Beyfall des Herzogs erhielt. Mit einem Worte, alle meine Vorfahren ſind ſo vorſichtig geweſen, daß ſie nicht unter ihren Stand geheirathet, und niemals ihren Adel mit buͤrgerli- chem Blute befleckt und vermengt haben. Und dennoch habe ich ſo viel Ueberwindung, Jhnen, Mademoiſelle, zu ſagen, daß ich Sie liebe, und dieſes in der ernſtlichen Abſicht, Sie zu meiner Ge- mahlinn zu nehmen. Jch gebe mich der Verach- tung des ganzen Adels bloß, ich weiß es wohl; aber ich kann es nicht aͤndern. Ein Buͤrgermaͤd- chen zu heirathen: das will viel ſagen! Sonſt war ich der erſte, der gegen dergleichen widernatuͤrliche Ehe eiferte. Aber Noth bricht Eiſen! Meine Um- A a 5

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/405>, abgerufen am 21.12.2024.