Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite
Satyrische Briefe.

Hätte ich diesen ungeschickten und pedantischen
Brief etliche Jahre eher bekommen: so würde ich
ihn gewiß, ohne mich lang zu besinnen, unter den
Tisch geschmissen haben. Jtzt war ich gedemüthiget
genug, daß ich ihn zweymal durchlas, und un-
schlüssig blieb, was ich thun wollte. Die Ge-
lübde, mich niemals zu verheirathen, fieng nach
und nach an, mich zu gereuen. Mein Vater lag
mir alle Tage in den Ohren, und er hätte, glau-
be ich, lieber gesehn, ich wäre selbst auf die Hei-
rath ausgegangen. Jch wies ihm den Brief. Er
gestund, der Herr Advocatus immatriculatus
sey ein Narr, er meynte aber auch, daß ich nicht
die erste, und nicht die letzte Frau seyn würde, die
einen Narren heirathe. Es kostete mich viel Ue-
berwindung, und doch war ich im Begriffe, auf
Befehl meines Vaters diesem geschäfftigen Liebha-
ber Hoffnung zu geben, als ich, vielleicht zu mei-
nem Glücke, noch bey Zeiten erfuhr, daß eine
Magd, mit der er auf Universitäten zu vertraut
gelebt haben mochte, ihn auf die Ehe verklagen
wollte. Jch war bey allen meinem Unglücke noch
immer boshaft genug, mich darüber zu freuen, und
ich ergriff diesen Vorwand mit beiden Händen,
mich von ihm loszureißen, und mit meiner gewöhn-
lichen Bitterkeit ihm also zu antworten.

Mein Herr,

"Was Dieselben in höchster Eil mir wegen der
"legalen, und in allen Rechten gegründeten

Gesin-
Satyriſche Briefe.

Haͤtte ich dieſen ungeſchickten und pedantiſchen
Brief etliche Jahre eher bekommen: ſo wuͤrde ich
ihn gewiß, ohne mich lang zu beſinnen, unter den
Tiſch geſchmiſſen haben. Jtzt war ich gedemuͤthiget
genug, daß ich ihn zweymal durchlas, und un-
ſchluͤſſig blieb, was ich thun wollte. Die Ge-
luͤbde, mich niemals zu verheirathen, fieng nach
und nach an, mich zu gereuen. Mein Vater lag
mir alle Tage in den Ohren, und er haͤtte, glau-
be ich, lieber geſehn, ich waͤre ſelbſt auf die Hei-
rath ausgegangen. Jch wies ihm den Brief. Er
geſtund, der Herr Advocatus immatriculatus
ſey ein Narr, er meynte aber auch, daß ich nicht
die erſte, und nicht die letzte Frau ſeyn wuͤrde, die
einen Narren heirathe. Es koſtete mich viel Ue-
berwindung, und doch war ich im Begriffe, auf
Befehl meines Vaters dieſem geſchaͤfftigen Liebha-
ber Hoffnung zu geben, als ich, vielleicht zu mei-
nem Gluͤcke, noch bey Zeiten erfuhr, daß eine
Magd, mit der er auf Univerſitaͤten zu vertraut
gelebt haben mochte, ihn auf die Ehe verklagen
wollte. Jch war bey allen meinem Ungluͤcke noch
immer boshaft genug, mich daruͤber zu freuen, und
ich ergriff dieſen Vorwand mit beiden Haͤnden,
mich von ihm loszureißen, und mit meiner gewoͤhn-
lichen Bitterkeit ihm alſo zu antworten.

Mein Herr,

Was Dieſelben in hoͤchſter Eil mir wegen der
„legalen, und in allen Rechten gegruͤndeten

Geſin-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0242" n="214"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Satyri&#x017F;che Briefe.</hi> </fw><lb/>
        <p>Ha&#x0364;tte ich die&#x017F;en unge&#x017F;chickten und pedanti&#x017F;chen<lb/>
Brief etliche Jahre eher bekommen: &#x017F;o wu&#x0364;rde ich<lb/>
ihn gewiß, ohne mich lang zu be&#x017F;innen, unter den<lb/>
Ti&#x017F;ch ge&#x017F;chmi&#x017F;&#x017F;en haben. Jtzt war ich gedemu&#x0364;thiget<lb/>
genug, daß ich ihn zweymal durchlas, und un-<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig blieb, was ich thun wollte. Die Ge-<lb/>
lu&#x0364;bde, mich niemals zu verheirathen, fieng nach<lb/>
und nach an, mich zu gereuen. Mein Vater lag<lb/>
mir alle Tage in den Ohren, und er ha&#x0364;tte, glau-<lb/>
be ich, lieber ge&#x017F;ehn, ich wa&#x0364;re &#x017F;elb&#x017F;t auf die Hei-<lb/>
rath ausgegangen. Jch wies ihm den Brief. Er<lb/>
ge&#x017F;tund, der Herr <hi rendition="#aq">Advocatus immatriculatus</hi><lb/>
&#x017F;ey ein Narr, er meynte aber auch, daß ich nicht<lb/>
die er&#x017F;te, und nicht die letzte Frau &#x017F;eyn wu&#x0364;rde, die<lb/>
einen Narren heirathe. Es ko&#x017F;tete mich viel Ue-<lb/>
berwindung, und doch war ich im Begriffe, auf<lb/>
Befehl meines Vaters die&#x017F;em ge&#x017F;cha&#x0364;fftigen Liebha-<lb/>
ber Hoffnung zu geben, als ich, vielleicht zu mei-<lb/>
nem Glu&#x0364;cke, noch bey Zeiten erfuhr, daß eine<lb/>
Magd, mit der er auf Univer&#x017F;ita&#x0364;ten zu vertraut<lb/>
gelebt haben mochte, ihn auf die Ehe verklagen<lb/>
wollte. Jch war bey allen meinem Unglu&#x0364;cke noch<lb/>
immer boshaft genug, mich daru&#x0364;ber zu freuen, und<lb/>
ich ergriff die&#x017F;en Vorwand mit beiden Ha&#x0364;nden,<lb/>
mich von ihm loszureißen, und mit meiner gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen Bitterkeit ihm al&#x017F;o zu antworten.</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Mein Herr,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <p>&#x201E;<hi rendition="#in">W</hi>as Die&#x017F;elben in ho&#x0364;ch&#x017F;ter Eil mir wegen der<lb/>
&#x201E;legalen, und in allen Rechten gegru&#x0364;ndeten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ge&#x017F;in-</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0242] Satyriſche Briefe. Haͤtte ich dieſen ungeſchickten und pedantiſchen Brief etliche Jahre eher bekommen: ſo wuͤrde ich ihn gewiß, ohne mich lang zu beſinnen, unter den Tiſch geſchmiſſen haben. Jtzt war ich gedemuͤthiget genug, daß ich ihn zweymal durchlas, und un- ſchluͤſſig blieb, was ich thun wollte. Die Ge- luͤbde, mich niemals zu verheirathen, fieng nach und nach an, mich zu gereuen. Mein Vater lag mir alle Tage in den Ohren, und er haͤtte, glau- be ich, lieber geſehn, ich waͤre ſelbſt auf die Hei- rath ausgegangen. Jch wies ihm den Brief. Er geſtund, der Herr Advocatus immatriculatus ſey ein Narr, er meynte aber auch, daß ich nicht die erſte, und nicht die letzte Frau ſeyn wuͤrde, die einen Narren heirathe. Es koſtete mich viel Ue- berwindung, und doch war ich im Begriffe, auf Befehl meines Vaters dieſem geſchaͤfftigen Liebha- ber Hoffnung zu geben, als ich, vielleicht zu mei- nem Gluͤcke, noch bey Zeiten erfuhr, daß eine Magd, mit der er auf Univerſitaͤten zu vertraut gelebt haben mochte, ihn auf die Ehe verklagen wollte. Jch war bey allen meinem Ungluͤcke noch immer boshaft genug, mich daruͤber zu freuen, und ich ergriff dieſen Vorwand mit beiden Haͤnden, mich von ihm loszureißen, und mit meiner gewoͤhn- lichen Bitterkeit ihm alſo zu antworten. Mein Herr, „Was Dieſelben in hoͤchſter Eil mir wegen der „legalen, und in allen Rechten gegruͤndeten Geſin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/242
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 3. Leipzig, 1752, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung03_1752/242>, abgerufen am 20.11.2024.