Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich lachte herzlich über diese Schilderung. "Es
wachse, blühe und grüne das Haus Pümpel et Comp.
wie -- wie -- --"

"Hopfen! -- Vivat hoch!" -- schrie der Zeichner,
nahm den Hut und trabte wieder davon. Wo er ge-
sessen hatte, stand ein kleiner Sumpf Regenwasser. Einen
Schirm brauchte ich ihm also nicht anzubieten! --



Wie traurig hat dieser Tag geendet! Ich wollte die
Geschichte der armen Tänzerin über mir, die wir einst
auf den Weihnachtsmarkt begleiteten, nicht erzählen aus
Furcht, diesem Bilderbuch eine dunkle Seite mehr zu
schaffen, aber die unsichtbare Hand, welche die gewalti-
gen Blätter des Buches, Welt und Leben, eins nach
dem andern umwendet, mit ihren zertretenen Generatio-
nen, gemordeten Völkern und gestorbenen Individuen,
will es anders, als der kleine nachzeichnende Mensch.
Dunkel wird doch dieses Blatt, dunkel -- wie der Tod! --

"Herr Wachholder," sagte die Frau Anna Werner,
die um neun Uhr Abends an meiner Thür klopfte. "Herr
Wachholder, das Kind der Tänzerin stirbt in dieser

Ich lachte herzlich über dieſe Schilderung. „Es
wachſe, blühe und grüne das Haus Pümpel et Comp.
wie — wie — —“

„Hopfen! — Vivat hoch!“ — ſchrie der Zeichner,
nahm den Hut und trabte wieder davon. Wo er ge-
ſeſſen hatte, ſtand ein kleiner Sumpf Regenwaſſer. Einen
Schirm brauchte ich ihm alſo nicht anzubieten! —



Wie traurig hat dieſer Tag geendet! Ich wollte die
Geſchichte der armen Tänzerin über mir, die wir einſt
auf den Weihnachtsmarkt begleiteten, nicht erzählen aus
Furcht, dieſem Bilderbuch eine dunkle Seite mehr zu
ſchaffen, aber die unſichtbare Hand, welche die gewalti-
gen Blätter des Buches, Welt und Leben, eins nach
dem andern umwendet, mit ihren zertretenen Generatio-
nen, gemordeten Völkern und geſtorbenen Individuen,
will es anders, als der kleine nachzeichnende Menſch.
Dunkel wird doch dieſes Blatt, dunkel — wie der Tod! —

„Herr Wachholder,“ ſagte die Frau Anna Werner,
die um neun Uhr Abends an meiner Thür klopfte. „Herr
Wachholder, das Kind der Tänzerin ſtirbt in dieſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0195" n="185"/>
        <p>Ich lachte herzlich über die&#x017F;e Schilderung. &#x201E;Es<lb/>
wach&#x017F;e, blühe und grüne das Haus <hi rendition="#aq">Pümpel et Comp.</hi><lb/>
wie &#x2014; wie &#x2014; &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hopfen! &#x2014; Vivat hoch!&#x201C; &#x2014; &#x017F;chrie der Zeichner,<lb/>
nahm den Hut und trabte wieder davon. Wo er ge-<lb/>
&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en hatte, &#x017F;tand ein kleiner Sumpf Regenwa&#x017F;&#x017F;er. Einen<lb/>
Schirm brauchte ich ihm al&#x017F;o nicht anzubieten! &#x2014;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
      <div n="1">
        <dateline> <hi rendition="#right">Abends 11 Uhr. &#x2014;</hi> </dateline><lb/>
        <p>Wie traurig hat die&#x017F;er Tag geendet! Ich wollte die<lb/>
Ge&#x017F;chichte der armen Tänzerin über mir, die wir ein&#x017F;t<lb/>
auf den Weihnachtsmarkt begleiteten, nicht erzählen aus<lb/>
Furcht, die&#x017F;em Bilderbuch eine dunkle Seite mehr zu<lb/>
&#x017F;chaffen, aber die un&#x017F;ichtbare Hand, welche die gewalti-<lb/>
gen Blätter des Buches, <hi rendition="#g">Welt und Leben</hi>, eins nach<lb/>
dem andern umwendet, mit ihren zertretenen Generatio-<lb/>
nen, gemordeten Völkern und ge&#x017F;torbenen Individuen,<lb/>
will es anders, als der kleine nachzeichnende Men&#x017F;ch.<lb/>
Dunkel wird doch die&#x017F;es Blatt, dunkel &#x2014; wie der Tod! &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr Wachholder,&#x201C; &#x017F;agte die Frau Anna Werner,<lb/>
die um neun Uhr Abends an meiner Thür klopfte. &#x201E;Herr<lb/>
Wachholder, das Kind der Tänzerin &#x017F;tirbt in die&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0195] Ich lachte herzlich über dieſe Schilderung. „Es wachſe, blühe und grüne das Haus Pümpel et Comp. wie — wie — —“ „Hopfen! — Vivat hoch!“ — ſchrie der Zeichner, nahm den Hut und trabte wieder davon. Wo er ge- ſeſſen hatte, ſtand ein kleiner Sumpf Regenwaſſer. Einen Schirm brauchte ich ihm alſo nicht anzubieten! — Abends 11 Uhr. — Wie traurig hat dieſer Tag geendet! Ich wollte die Geſchichte der armen Tänzerin über mir, die wir einſt auf den Weihnachtsmarkt begleiteten, nicht erzählen aus Furcht, dieſem Bilderbuch eine dunkle Seite mehr zu ſchaffen, aber die unſichtbare Hand, welche die gewalti- gen Blätter des Buches, Welt und Leben, eins nach dem andern umwendet, mit ihren zertretenen Generatio- nen, gemordeten Völkern und geſtorbenen Individuen, will es anders, als der kleine nachzeichnende Menſch. Dunkel wird doch dieſes Blatt, dunkel — wie der Tod! — „Herr Wachholder,“ ſagte die Frau Anna Werner, die um neun Uhr Abends an meiner Thür klopfte. „Herr Wachholder, das Kind der Tänzerin ſtirbt in dieſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/195
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/195>, abgerufen am 22.12.2024.