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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889.

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"Du Dummrian!" rief Wieschen, ihren immer mehr
zum Leben erwachenden Schatz von Neuem fester
packend und eindringlicher schüttelnd. "Du hast es ja
nun, wie Du es gestern Abend für mich und Dich
haben wolltest. Bist nun mit mir und noch dazu mit
dem Herrn Magister und der Mamsell und dem Herrn
von Münchhausen mitten derzwischen! O Herr Magister,
Herr Magister, bei Ihrem lieben Herzen, lasse Er es
Keinem von uns armen Sündern entgelten, was wir
an Ihm verböset haben! Helfe Er uns! Helfe Er uns
Allen heraus aus dem Krieg, und der Noth, und der
Angst, und dem Elend!"

"Wenn wir über die Straße wären!" murmelte
der alte Herr, des Klosteramtmanns Schimmel am
Zügel immer hastiger sich nachzerrend durch den Wald
und das Dickicht. --

Ei ja, die Straße und die Straße von der Weser,
von dem Hauptquartier zu Ohr her, zu beiden Seiten
des Iths bis zu dem neuen Hauptquartier Seiner Durch¬
laucht des Herzogs Ferdinand zu Wickensen, an diesem
fünften November 1761!

Schon vor Tage hatten die Schotten Kapellenhagen
jenseits der Berge den Franzosen nach heftigem Kampfe
abgenommen und sie durch den Ith auf der Landstraße
nach Scharfoldendorf hinuntergetrieben; und wenn das
Dorf jenseits der Berge noch rauchte, so brannte es jetzt
in Oelkassen wie in Lüerdissen, und die Herrenmühle

„Du Dummrian!“ rief Wieſchen, ihren immer mehr
zum Leben erwachenden Schatz von Neuem feſter
packend und eindringlicher ſchüttelnd. „Du haſt es ja
nun, wie Du es geſtern Abend für mich und Dich
haben wollteſt. Biſt nun mit mir und noch dazu mit
dem Herrn Magiſter und der Mamſell und dem Herrn
von Münchhauſen mitten derzwiſchen! O Herr Magiſter,
Herr Magiſter, bei Ihrem lieben Herzen, laſſe Er es
Keinem von uns armen Sündern entgelten, was wir
an Ihm verböſet haben! Helfe Er uns! Helfe Er uns
Allen heraus aus dem Krieg, und der Noth, und der
Angſt, und dem Elend!“

„Wenn wir über die Straße wären!“ murmelte
der alte Herr, des Kloſteramtmanns Schimmel am
Zügel immer haſtiger ſich nachzerrend durch den Wald
und das Dickicht. —

Ei ja, die Straße und die Straße von der Weſer,
von dem Hauptquartier zu Ohr her, zu beiden Seiten
des Iths bis zu dem neuen Hauptquartier Seiner Durch¬
laucht des Herzogs Ferdinand zu Wickenſen, an dieſem
fünften November 1761!

Schon vor Tage hatten die Schotten Kapellenhagen
jenſeits der Berge den Franzoſen nach heftigem Kampfe
abgenommen und ſie durch den Ith auf der Landſtraße
nach Scharfoldendorf hinuntergetrieben; und wenn das
Dorf jenſeits der Berge noch rauchte, ſo brannte es jetzt
in Oelkaſſen wie in Lüerdiſſen, und die Herrenmühle

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[184/0192] „Du Dummrian!“ rief Wieſchen, ihren immer mehr zum Leben erwachenden Schatz von Neuem feſter packend und eindringlicher ſchüttelnd. „Du haſt es ja nun, wie Du es geſtern Abend für mich und Dich haben wollteſt. Biſt nun mit mir und noch dazu mit dem Herrn Magiſter und der Mamſell und dem Herrn von Münchhauſen mitten derzwiſchen! O Herr Magiſter, Herr Magiſter, bei Ihrem lieben Herzen, laſſe Er es Keinem von uns armen Sündern entgelten, was wir an Ihm verböſet haben! Helfe Er uns! Helfe Er uns Allen heraus aus dem Krieg, und der Noth, und der Angſt, und dem Elend!“ „Wenn wir über die Straße wären!“ murmelte der alte Herr, des Kloſteramtmanns Schimmel am Zügel immer haſtiger ſich nachzerrend durch den Wald und das Dickicht. — Ei ja, die Straße und die Straße von der Weſer, von dem Hauptquartier zu Ohr her, zu beiden Seiten des Iths bis zu dem neuen Hauptquartier Seiner Durch¬ laucht des Herzogs Ferdinand zu Wickenſen, an dieſem fünften November 1761! Schon vor Tage hatten die Schotten Kapellenhagen jenſeits der Berge den Franzoſen nach heftigem Kampfe abgenommen und ſie durch den Ith auf der Landſtraße nach Scharfoldendorf hinuntergetrieben; und wenn das Dorf jenſeits der Berge noch rauchte, ſo brannte es jetzt in Oelkaſſen wie in Lüerdiſſen, und die Herrenmühle

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/192>, abgerufen am 26.04.2024.