Sie blickten Alle auch dem Magister nach, wie er seiner Thür zustapfte, die nicht in das Amts- und Wirthschaftsgebäude führte, sondern in den Flügel des Klosters, der einst hauptsächlich der berühmten Schule und ihren Lehrern Unterkunft gegeben hatte. Bemer¬ kungen machten sie nicht hinter ihm drein, sie schüttelten höchstens die Köpfe. Nur der geschlagene Knecht schien einen Augenblick lang die Absicht zu haben, den alten Herrn am Rockschooß zurück zu halten; doch auch er ließ das, wandte sich zu seiner Arbeit und verschwand im Pferdestall. Es wurde noch einmal still wie im Frieden in Amelungsborn, trotzdem, daß der Krieg von Neuem über den Solling heranzog und die Wetter¬ wolken drüben am andern Ufer der Weser gleichfalls Miene machten, sich von Ohr her in Bewegung zu setzen. Wie der Rabenzug es verkündigt, und das Gerücht es über das Land hier geheult, dort geächzt hatte.
Es war ganz dunkel, doch wer dreißig Jahre lang den selben Weg gegangen ist, findet ihn im Dunkeln.
Fünftes Kapitel.
Sie blickten Alle auch dem Magiſter nach, wie er ſeiner Thür zuſtapfte, die nicht in das Amts- und Wirthſchaftsgebäude führte, ſondern in den Flügel des Kloſters, der einſt hauptſächlich der berühmten Schule und ihren Lehrern Unterkunft gegeben hatte. Bemer¬ kungen machten ſie nicht hinter ihm drein, ſie ſchüttelten höchſtens die Köpfe. Nur der geſchlagene Knecht ſchien einen Augenblick lang die Abſicht zu haben, den alten Herrn am Rockſchooß zurück zu halten; doch auch er ließ das, wandte ſich zu ſeiner Arbeit und verſchwand im Pferdeſtall. Es wurde noch einmal ſtill wie im Frieden in Amelungsborn, trotzdem, daß der Krieg von Neuem über den Solling heranzog und die Wetter¬ wolken drüben am andern Ufer der Weſer gleichfalls Miene machten, ſich von Ohr her in Bewegung zu ſetzen. Wie der Rabenzug es verkündigt, und das Gerücht es über das Land hier geheult, dort geächzt hatte.
Es war ganz dunkel, doch wer dreißig Jahre lang den ſelben Weg gegangen iſt, findet ihn im Dunkeln.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0055"n="[47]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Fünftes Kapitel.</hi><lb/></head><p>Sie blickten Alle auch dem Magiſter nach, wie er<lb/>ſeiner Thür zuſtapfte, die nicht in das Amts- und<lb/>
Wirthſchaftsgebäude führte, ſondern in den Flügel des<lb/>
Kloſters, der einſt hauptſächlich der berühmten Schule<lb/>
und ihren Lehrern Unterkunft gegeben hatte. Bemer¬<lb/>
kungen machten ſie nicht hinter ihm drein, ſie ſchüttelten<lb/>
höchſtens die Köpfe. Nur der geſchlagene Knecht ſchien<lb/>
einen Augenblick lang die Abſicht zu haben, den alten<lb/>
Herrn am Rockſchooß zurück zu halten; doch auch er<lb/>
ließ das, wandte ſich zu ſeiner Arbeit und verſchwand<lb/>
im Pferdeſtall. Es wurde noch einmal ſtill wie im<lb/>
Frieden in Amelungsborn, trotzdem, daß der Krieg von<lb/>
Neuem über den Solling heranzog und die Wetter¬<lb/>
wolken drüben am andern Ufer der Weſer gleichfalls<lb/>
Miene machten, ſich von Ohr her in Bewegung zu<lb/>ſetzen. Wie der Rabenzug es verkündigt, und das<lb/>
Gerücht es über das Land hier geheult, dort geächzt<lb/>
hatte.</p><lb/><p>Es war ganz dunkel, doch wer dreißig Jahre lang<lb/>
den ſelben Weg gegangen iſt, findet ihn im Dunkeln.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[47]/0055]
Fünftes Kapitel.
Sie blickten Alle auch dem Magiſter nach, wie er
ſeiner Thür zuſtapfte, die nicht in das Amts- und
Wirthſchaftsgebäude führte, ſondern in den Flügel des
Kloſters, der einſt hauptſächlich der berühmten Schule
und ihren Lehrern Unterkunft gegeben hatte. Bemer¬
kungen machten ſie nicht hinter ihm drein, ſie ſchüttelten
höchſtens die Köpfe. Nur der geſchlagene Knecht ſchien
einen Augenblick lang die Abſicht zu haben, den alten
Herrn am Rockſchooß zurück zu halten; doch auch er
ließ das, wandte ſich zu ſeiner Arbeit und verſchwand
im Pferdeſtall. Es wurde noch einmal ſtill wie im
Frieden in Amelungsborn, trotzdem, daß der Krieg von
Neuem über den Solling heranzog und die Wetter¬
wolken drüben am andern Ufer der Weſer gleichfalls
Miene machten, ſich von Ohr her in Bewegung zu
ſetzen. Wie der Rabenzug es verkündigt, und das
Gerücht es über das Land hier geheult, dort geächzt
hatte.
Es war ganz dunkel, doch wer dreißig Jahre lang
den ſelben Weg gegangen iſt, findet ihn im Dunkeln.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [47]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/55>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.