Der Magister hielt seinen Gehstock unterm Arm und den schwarzen, leise zappelnden und erschöpft sich wehrenden Streiter zwischen beiden Händen, behutsam und mit allem Mitleid gegen die Kreatur, betrachtend vor sich. Nun zog er sein Sacktuch, und an den ge¬ schickten Griffen, mit welchen er den Vogel hineinband, erwies sich einleuchtend, daß er nicht nur aus seinen Büchern, sondern auch von seinen Scholaren etwas ge¬ lernt habe; daß er nicht umsonst an einer hohen Wald- und Wildniß-Schule zum Katheder hinan- und von dem¬ selben herabgestiegen sei.
Der Amtmann sah seinem Beginnen anfangs ver¬ wundert stumm, sodann aber mit ängstlich-unwilliger Remonstranz zu und meinte zuletzt:
"Er wird mir doch das Unthier nicht gar mit sich nach Hause schleppen wollen?"
"Ich möchte es wohl, mit des Herrn Amtmanns gütiger Permission. Sei es ad memoriam dieses selt¬ samen Abends, sei es zur Genossenschaft in der Einsam¬ keit der Winterstube."
Viertes Kapitel.
Der Magiſter hielt ſeinen Gehſtock unterm Arm und den ſchwarzen, leiſe zappelnden und erſchöpft ſich wehrenden Streiter zwiſchen beiden Händen, behutſam und mit allem Mitleid gegen die Kreatur, betrachtend vor ſich. Nun zog er ſein Sacktuch, und an den ge¬ ſchickten Griffen, mit welchen er den Vogel hineinband, erwies ſich einleuchtend, daß er nicht nur aus ſeinen Büchern, ſondern auch von ſeinen Scholaren etwas ge¬ lernt habe; daß er nicht umſonſt an einer hohen Wald- und Wildniß-Schule zum Katheder hinan- und von dem¬ ſelben herabgeſtiegen ſei.
Der Amtmann ſah ſeinem Beginnen anfangs ver¬ wundert ſtumm, ſodann aber mit ängſtlich-unwilliger Remonſtranz zu und meinte zuletzt:
„Er wird mir doch das Unthier nicht gar mit ſich nach Hauſe ſchleppen wollen?“
„Ich möchte es wohl, mit des Herrn Amtmanns gütiger Permiſſion. Sei es ad memoriam dieſes ſelt¬ ſamen Abends, ſei es zur Genoſſenſchaft in der Einſam¬ keit der Winterſtube.“
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[[38]/0046]
Viertes Kapitel.
Der Magiſter hielt ſeinen Gehſtock unterm Arm
und den ſchwarzen, leiſe zappelnden und erſchöpft ſich
wehrenden Streiter zwiſchen beiden Händen, behutſam
und mit allem Mitleid gegen die Kreatur, betrachtend
vor ſich. Nun zog er ſein Sacktuch, und an den ge¬
ſchickten Griffen, mit welchen er den Vogel hineinband,
erwies ſich einleuchtend, daß er nicht nur aus ſeinen
Büchern, ſondern auch von ſeinen Scholaren etwas ge¬
lernt habe; daß er nicht umſonſt an einer hohen Wald-
und Wildniß-Schule zum Katheder hinan- und von dem¬
ſelben herabgeſtiegen ſei.
Der Amtmann ſah ſeinem Beginnen anfangs ver¬
wundert ſtumm, ſodann aber mit ängſtlich-unwilliger
Remonſtranz zu und meinte zuletzt:
„Er wird mir doch das Unthier nicht gar mit ſich
nach Hauſe ſchleppen wollen?“
„Ich möchte es wohl, mit des Herrn Amtmanns
gütiger Permiſſion. Sei es ad memoriam dieſes ſelt¬
ſamen Abends, ſei es zur Genoſſenſchaft in der Einſam¬
keit der Winterſtube.“
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [38]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/46>, abgerufen am 22.02.2025.
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