"Merde!" sagte Junker Thedel von Münchhausen in der freien Luft, im Licht des Tages vor der Ith¬ höhle seinen geschwollenen blutrünstigen Backen reibend, und das Wort kam mit herzlichstem Nachdruck aus seiner Brust. Er war nicht, ein umgekehrter junger Curtius, aus dem Schlunde aufwärts in die Schrecken der Erd¬ oberfläche gekrochen, ohne ein letztes aber auch unverge߬ lichstes Zeichen von Mamsell Selindens Zärtlichkeit mit ins Tageslicht empor zu nehmen. Die Schöne drunten in Nacht und Dunkel hatte dießmal nicht nur zuge¬ schlagen, sondern auch vier von ihren fünf Fingernägeln ihm in die Wange eingesetzt und vier blutige Striemen dem zärtlichen Knaben vom linken Ohr hinunter bis zum Kinn gezogen: "So caressire Ich, Musjeh Thedel,
Herr Junker von Münchhausen! ....."
"I so 'ne Katze! so 'ne Wildkatze!" ächzte Thedel, seine vom Zufühlen blutgeröthete innere Handfläche be¬ trachtend. "Dafür Cavalier und Ehrenretter bis zum Tode durch Strick und Gewehrkolben? O Venus, o Cypria, Paphia und wie Du sonst geheißen wirst, Canaille!
Zwanzigſtes Kapitel.
„Merde!“ ſagte Junker Thedel von Münchhauſen in der freien Luft, im Licht des Tages vor der Ith¬ höhle ſeinen geſchwollenen blutrünſtigen Backen reibend, und das Wort kam mit herzlichſtem Nachdruck aus ſeiner Bruſt. Er war nicht, ein umgekehrter junger Curtius, aus dem Schlunde aufwärts in die Schrecken der Erd¬ oberfläche gekrochen, ohne ein letztes aber auch unverge߬ lichſtes Zeichen von Mamſell Selindens Zärtlichkeit mit ins Tageslicht empor zu nehmen. Die Schöne drunten in Nacht und Dunkel hatte dießmal nicht nur zuge¬ ſchlagen, ſondern auch vier von ihren fünf Fingernägeln ihm in die Wange eingeſetzt und vier blutige Striemen dem zärtlichen Knaben vom linken Ohr hinunter bis zum Kinn gezogen: „So careſſire Ich, Musjeh Thedel,
Herr Junker von Münchhauſen! .....“
„I ſo 'ne Katze! ſo 'ne Wildkatze!“ ächzte Thedel, ſeine vom Zufühlen blutgeröthete innere Handfläche be¬ trachtend. „Dafür Cavalier und Ehrenretter bis zum Tode durch Strick und Gewehrkolben? O Venus, ο Cypria, Paphia und wie Du ſonſt geheißen wirſt, Canaille!
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Zwanzigſtes Kapitel.
„Merde!“ ſagte Junker Thedel von Münchhauſen
in der freien Luft, im Licht des Tages vor der Ith¬
höhle ſeinen geſchwollenen blutrünſtigen Backen reibend,
und das Wort kam mit herzlichſtem Nachdruck aus ſeiner
Bruſt. Er war nicht, ein umgekehrter junger Curtius,
aus dem Schlunde aufwärts in die Schrecken der Erd¬
oberfläche gekrochen, ohne ein letztes aber auch unverge߬
lichſtes Zeichen von Mamſell Selindens Zärtlichkeit mit
ins Tageslicht empor zu nehmen. Die Schöne drunten
in Nacht und Dunkel hatte dießmal nicht nur zuge¬
ſchlagen, ſondern auch vier von ihren fünf Fingernägeln
ihm in die Wange eingeſetzt und vier blutige Striemen
dem zärtlichen Knaben vom linken Ohr hinunter bis
zum Kinn gezogen: „So careſſire Ich, Musjeh Thedel,
Herr Junker von Münchhauſen! .....“
„I ſo 'ne Katze! ſo 'ne Wildkatze!“ ächzte Thedel,
ſeine vom Zufühlen blutgeröthete innere Handfläche be¬
trachtend. „Dafür Cavalier und Ehrenretter bis zum Tode
durch Strick und Gewehrkolben? O Venus, ο Cypria,
Paphia und wie Du ſonſt geheißen wirſt, Canaille!
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Raabe, Wilhelm: Das Odfeld. Leipzig, 1889, S. [228]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_odfeld_1889/236>, abgerufen am 21.11.2024.
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