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Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896.

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also doch wenigstens bis zu der Abreise zusammen¬
geblieben, Velten?"

"Jawohl. Aber da frage nur den alten Hart¬
leben nach dem Dank, den er für seine langjährige
Gastfreundschaft gehabt hat von Papa und Mama
Trotzendorff!"

"Und Helene?"

Da faßte der Freund meine Schulter.

"Wäre dieser ganze Quark des Erzählens werth,
wenn die nicht auch bei uns zu meiner Mutter Kind
geworden wäre? Wie hätte man vor Lust kreischen
können, wenn man nicht selber mit an dem Wurm
erzogen hätte! Jetzt offen gesagt, ich ganz besonders
sehr, Krumhardt! Carlos, sie gehörte doch zu uns,
und so lasse ich sie auch noch nicht fahren. Sie
weiß es auch selber, was für ein gut Stück von uns
sie mit in die neue Herrlichkeit, drüben jenseits des
Oceans, nimmt. Krumhardt, ich nehme gar nichts
dafür, mich auch vor Dir bodenlos lächerlich zu
machen: es steht geschrieben, daß ich dem Geschöpfchen
bis an der Welt Ende nachlaufen soll."

"Über Berlin?" fragte ich, um doch etwas zu
sagen.

"Jawohl über Berlin! Habe ich mein Leben
und damit auch alle meine Wege nicht noch vor mir?"

Er hob den linken Arm, dessen gelähmtes Hand¬

alſo doch wenigſtens bis zu der Abreiſe zuſammen¬
geblieben, Velten?“

„Jawohl. Aber da frage nur den alten Hart¬
leben nach dem Dank, den er für ſeine langjährige
Gaſtfreundſchaft gehabt hat von Papa und Mama
Trotzendorff!“

„Und Helene?“

Da faßte der Freund meine Schulter.

„Wäre dieſer ganze Quark des Erzählens werth,
wenn die nicht auch bei uns zu meiner Mutter Kind
geworden wäre? Wie hätte man vor Luſt kreiſchen
können, wenn man nicht ſelber mit an dem Wurm
erzogen hätte! Jetzt offen geſagt, ich ganz beſonders
ſehr, Krumhardt! Carlos, ſie gehörte doch zu uns,
und ſo laſſe ich ſie auch noch nicht fahren. Sie
weiß es auch ſelber, was für ein gut Stück von uns
ſie mit in die neue Herrlichkeit, drüben jenſeits des
Oceans, nimmt. Krumhardt, ich nehme gar nichts
dafür, mich auch vor Dir bodenlos lächerlich zu
machen: es ſteht geſchrieben, daß ich dem Geſchöpfchen
bis an der Welt Ende nachlaufen ſoll.“

„Über Berlin?“ fragte ich, um doch etwas zu
ſagen.

„Jawohl über Berlin! Habe ich mein Leben
und damit auch alle meine Wege nicht noch vor mir?“

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[104/0114] alſo doch wenigſtens bis zu der Abreiſe zuſammen¬ geblieben, Velten?“ „Jawohl. Aber da frage nur den alten Hart¬ leben nach dem Dank, den er für ſeine langjährige Gaſtfreundſchaft gehabt hat von Papa und Mama Trotzendorff!“ „Und Helene?“ Da faßte der Freund meine Schulter. „Wäre dieſer ganze Quark des Erzählens werth, wenn die nicht auch bei uns zu meiner Mutter Kind geworden wäre? Wie hätte man vor Luſt kreiſchen können, wenn man nicht ſelber mit an dem Wurm erzogen hätte! Jetzt offen geſagt, ich ganz beſonders ſehr, Krumhardt! Carlos, ſie gehörte doch zu uns, und ſo laſſe ich ſie auch noch nicht fahren. Sie weiß es auch ſelber, was für ein gut Stück von uns ſie mit in die neue Herrlichkeit, drüben jenſeits des Oceans, nimmt. Krumhardt, ich nehme gar nichts dafür, mich auch vor Dir bodenlos lächerlich zu machen: es ſteht geſchrieben, daß ich dem Geſchöpfchen bis an der Welt Ende nachlaufen ſoll.“ „Über Berlin?“ fragte ich, um doch etwas zu ſagen. „Jawohl über Berlin! Habe ich mein Leben und damit auch alle meine Wege nicht noch vor mir?“ Er hob den linken Arm, deſſen gelähmtes Hand¬

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/114>, abgerufen am 27.04.2024.