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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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und eine Musik zu beurtheilen sey.
81. §.

Die Jnstrumentalmusik der Deutschen in den vorigen Zeiten,
sah mehrentheils auf dem Papiere sehr bunt und gefährlich aus. Sie
schrieben viele drey- vier- und mehrmal geschwänzten Noten. Weil
sie aber dieselben in einer sehr gelassenen Geschwindigkeit ausführeten: so
klangen ihre Stücke dessen ungeachtet nicht lebhaft, sondern matt und
schläfrig.

Sie hielten mehr von schweren als leichten Stücken, und sucheten
mehr Verwunderung zu erwecken, als zu gefallen.

Sie beflissen sich mehr, den Gesang der Thiere, z. E. des Kukuks,
der Nachtigall, der Henne, der Wachtel, u. s. w. auf ihren Jnstrumen-
ten nachzumachen; wobey der Trompete und der Leyer auch nicht ver-
gessen wurde: als der Menschenstimme nachzuahmen.

Oefters war ein sogenanntes Quodlibet, wobey entweder in Sing-
stücken lächerliche Worte, ohne Zusammenhang, vorkamen, oder, in Jn-
strumentalstücken, die Sangweisen gemeiner und niederträchtiger Trink-
lieder unter einander gemischet wurden, ihr angenehmster Zeitvertreib.

Auf der Geige spieleten sie mehr harmonisch, als melodisch. Sie
setzeten viele Stücke, wozu die Violinen umgestimmet werden mußten.
Die Seyten wurden nämlich, nach Anzeige des Componisten, anstatt
der Quinten, in Secunden, Terzen, oder Quarten gestimmet; um
die Accorde desto leichter zu haben: welches aber bey den Passagien eine
nicht geringe Schwierigkeit verursachete.

Jhre Jnstrumentalstücke bestunden meistentheils aus Sonaten,
Partieen, Jntraden, Märschen, Gassenhauern, und vielen andern
oft lächerlichen Charakteren, deren Gedächtniß itzo verloschen ist.

Das Allegro bestund mehrentheils vom Anfange bis zum Ende aus
lauter Passagien, da fast immer ein Tact dem andern ähnlich war, und
von einem Tone zum andern, durch die Transpositionen, wiederholet
wurde; welches aber endlich nothwendig einen Ekel verursachen mußte.
Oefters blieben sie nicht länger als nur wenige Tacte bey einerley Tempo:
sie vermischeten vielmehr, in einem Satze, bald etwas Langsameres, bald
wieder etwas Geschwinderes, mit einander.

Jhr
welchen, schon von vielen Zeiten her, dießsalls die besten Anstalten vorhanden sind:
es wäre denn, daß große Herren Vorschub thäten, Singschulen anzulegen, in
welchen die gute nnd echte italiänische Singart gelehret würde.
und eine Muſik zu beurtheilen ſey.
81. §.

Die Jnſtrumentalmuſik der Deutſchen in den vorigen Zeiten,
ſah mehrentheils auf dem Papiere ſehr bunt und gefaͤhrlich aus. Sie
ſchrieben viele drey- vier- und mehrmal geſchwaͤnzten Noten. Weil
ſie aber dieſelben in einer ſehr gelaſſenen Geſchwindigkeit ausfuͤhreten: ſo
klangen ihre Stuͤcke deſſen ungeachtet nicht lebhaft, ſondern matt und
ſchlaͤfrig.

Sie hielten mehr von ſchweren als leichten Stuͤcken, und ſucheten
mehr Verwunderung zu erwecken, als zu gefallen.

Sie befliſſen ſich mehr, den Geſang der Thiere, z. E. des Kukuks,
der Nachtigall, der Henne, der Wachtel, u. ſ. w. auf ihren Jnſtrumen-
ten nachzumachen; wobey der Trompete und der Leyer auch nicht ver-
geſſen wurde: als der Menſchenſtimme nachzuahmen.

Oefters war ein ſogenanntes Quodlibet, wobey entweder in Sing-
ſtuͤcken laͤcherliche Worte, ohne Zuſammenhang, vorkamen, oder, in Jn-
ſtrumentalſtuͤcken, die Sangweiſen gemeiner und niedertraͤchtiger Trink-
lieder unter einander gemiſchet wurden, ihr angenehmſter Zeitvertreib.

Auf der Geige ſpieleten ſie mehr harmoniſch, als melodiſch. Sie
ſetzeten viele Stuͤcke, wozu die Violinen umgeſtimmet werden mußten.
Die Seyten wurden naͤmlich, nach Anzeige des Componiſten, anſtatt
der Quinten, in Secunden, Terzen, oder Quarten geſtimmet; um
die Accorde deſto leichter zu haben: welches aber bey den Paſſagien eine
nicht geringe Schwierigkeit verurſachete.

Jhre Jnſtrumentalſtuͤcke beſtunden meiſtentheils aus Sonaten,
Partieen, Jntraden, Maͤrſchen, Gaſſenhauern, und vielen andern
oft laͤcherlichen Charakteren, deren Gedaͤchtniß itzo verloſchen iſt.

Das Allegro beſtund mehrentheils vom Anfange bis zum Ende aus
lauter Paſſagien, da faſt immer ein Tact dem andern aͤhnlich war, und
von einem Tone zum andern, durch die Transpoſitionen, wiederholet
wurde; welches aber endlich nothwendig einen Ekel verurſachen mußte.
Oefters blieben ſie nicht laͤnger als nur wenige Tacte bey einerley Tempo:
ſie vermiſcheten vielmehr, in einem Satze, bald etwas Langſameres, bald
wieder etwas Geſchwinderes, mit einander.

Jhr
welchen, ſchon von vielen Zeiten her, dießſalls die beſten Anſtalten vorhanden ſind:
es waͤre denn, daß große Herren Vorſchub thaͤten, Singſchulen anzulegen, in
welchen die gute nnd echte italiaͤniſche Singart gelehret wuͤrde.
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[327/0345] und eine Muſik zu beurtheilen ſey. (*) 81. §. Die Jnſtrumentalmuſik der Deutſchen in den vorigen Zeiten, ſah mehrentheils auf dem Papiere ſehr bunt und gefaͤhrlich aus. Sie ſchrieben viele drey- vier- und mehrmal geſchwaͤnzten Noten. Weil ſie aber dieſelben in einer ſehr gelaſſenen Geſchwindigkeit ausfuͤhreten: ſo klangen ihre Stuͤcke deſſen ungeachtet nicht lebhaft, ſondern matt und ſchlaͤfrig. Sie hielten mehr von ſchweren als leichten Stuͤcken, und ſucheten mehr Verwunderung zu erwecken, als zu gefallen. Sie befliſſen ſich mehr, den Geſang der Thiere, z. E. des Kukuks, der Nachtigall, der Henne, der Wachtel, u. ſ. w. auf ihren Jnſtrumen- ten nachzumachen; wobey der Trompete und der Leyer auch nicht ver- geſſen wurde: als der Menſchenſtimme nachzuahmen. Oefters war ein ſogenanntes Quodlibet, wobey entweder in Sing- ſtuͤcken laͤcherliche Worte, ohne Zuſammenhang, vorkamen, oder, in Jn- ſtrumentalſtuͤcken, die Sangweiſen gemeiner und niedertraͤchtiger Trink- lieder unter einander gemiſchet wurden, ihr angenehmſter Zeitvertreib. Auf der Geige ſpieleten ſie mehr harmoniſch, als melodiſch. Sie ſetzeten viele Stuͤcke, wozu die Violinen umgeſtimmet werden mußten. Die Seyten wurden naͤmlich, nach Anzeige des Componiſten, anſtatt der Quinten, in Secunden, Terzen, oder Quarten geſtimmet; um die Accorde deſto leichter zu haben: welches aber bey den Paſſagien eine nicht geringe Schwierigkeit verurſachete. Jhre Jnſtrumentalſtuͤcke beſtunden meiſtentheils aus Sonaten, Partieen, Jntraden, Maͤrſchen, Gaſſenhauern, und vielen andern oft laͤcherlichen Charakteren, deren Gedaͤchtniß itzo verloſchen iſt. Das Allegro beſtund mehrentheils vom Anfange bis zum Ende aus lauter Paſſagien, da faſt immer ein Tact dem andern aͤhnlich war, und von einem Tone zum andern, durch die Transpoſitionen, wiederholet wurde; welches aber endlich nothwendig einen Ekel verurſachen mußte. Oefters blieben ſie nicht laͤnger als nur wenige Tacte bey einerley Tempo: ſie vermiſcheten vielmehr, in einem Satze, bald etwas Langſameres, bald wieder etwas Geſchwinderes, mit einander. Jhr (*) welchen, ſchon von vielen Zeiten her, dießſalls die beſten Anſtalten vorhanden ſind: es waͤre denn, daß große Herren Vorſchub thaͤten, Singſchulen anzulegen, in welchen die gute nnd echte italiaͤniſche Singart gelehret wuͤrde.

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/345>, abgerufen am 21.11.2024.