Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.Das XVIII. Hauptstück. Wie ein Musikus ob gleich der eine eben so viel als der andere beytragen muß, wenn dieOper, von Seiten der Verfasser, vollkommen seyn soll. Eine gute, und durch den Dichter wohl ausgeführte Materie eines Singspiels, kann eine mittelmäßige Musik erheben: eine schlecht abgehandelte hingegen, kann verursachen, daß eine darüber sehr wohl gesetzete Musik, wenn man sie öfters höret, Verdruß und lange Weile machet: besonders wenn die Sänger und Accompagnisten das Jhrige nicht auch gehörig dazu beytragen. 71. §. Wenn aber der Poet eine gute Materie gewählet, und selbige nach 72. §. Hier-
Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus ob gleich der eine eben ſo viel als der andere beytragen muß, wenn dieOper, von Seiten der Verfaſſer, vollkommen ſeyn ſoll. Eine gute, und durch den Dichter wohl ausgefuͤhrte Materie eines Singſpiels, kann eine mittelmaͤßige Muſik erheben: eine ſchlecht abgehandelte hingegen, kann verurſachen, daß eine daruͤber ſehr wohl geſetzete Muſik, wenn man ſie oͤfters hoͤret, Verdruß und lange Weile machet: beſonders wenn die Saͤnger und Accompagniſten das Jhrige nicht auch gehoͤrig dazu beytragen. 71. §. Wenn aber der Poet eine gute Materie gewaͤhlet, und ſelbige nach 72. §. Hier-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0338" n="320"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">XVIII.</hi> Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus</hi></fw><lb/> ob gleich der eine eben ſo viel als der andere beytragen muß, wenn die<lb/> Oper, von Seiten der Verfaſſer, vollkommen ſeyn ſoll. Eine gute,<lb/> und durch den Dichter wohl ausgefuͤhrte Materie eines Singſpiels, kann<lb/> eine mittelmaͤßige Muſik erheben: eine ſchlecht abgehandelte hingegen,<lb/> kann verurſachen, daß eine daruͤber ſehr wohl geſetzete Muſik, wenn man<lb/> ſie oͤfters hoͤret, Verdruß und lange Weile machet: beſonders wenn die<lb/> Saͤnger und Accompagniſten das Jhrige nicht auch gehoͤrig dazu beytragen.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>71. §.</head><lb/> <p>Wenn aber der Poet eine gute Materie gewaͤhlet, und ſelbige nach<lb/> aller moͤglichen Wahrſcheinlichkeit ausgefuͤhret hat; wenn er die Charakte-<lb/> re der aufgefuͤhrten Perſonen wohl von einander unterſchieden, und ſol-<lb/> che, ſo viel als moͤglich iſt, den Faͤhigkeiten, dem Alter, den Gemuͤths-<lb/> neigungen, und der Geſtalt der Saͤnger gemaͤß eingerichtet hat; wenn<lb/> er einen jeden ſo ſprechen laͤßt, wie es dem Charaktere, den er vorſtel-<lb/> let, zukoͤmmt; wenn die Recitative nicht gar zu weitlaͤuftig, nnd die<lb/> Worte der Arien nicht zu lang noch zu hochtrabend ſind; wenn in den<lb/> Arien zwar zuweilen einige, mit der Muſik bequem nachzumalende Gleich-<lb/> niſſe, vornehmlich und unumgaͤnglich aber die Sprache der Leidenſchaf-<lb/> ten, eingefuͤhret worden; wenn die Leidenſchaften, ſo wohl an ihrer zu- und<lb/> abnehmenden Staͤrke, als an ihrer Verſchiedenheit, geſchikt mit einander<lb/> abwechſeln; wenn bequeme Versarten zu den Arien erwaͤhlet worden ſind;<lb/> wenn auch auf die zum Singen vorzuͤglich bequemen Woͤrter eine vernuͤnfti-<lb/> ge Abſicht gerichtet worden, die ungeſchikten aber nach Moͤglichkeit ver-<lb/> mieden ſind; wenn ferner der Componiſt einen gereinigten Geſchmack, und<lb/> das Vermoͤgen hat, die Leidenſchaften, den Worten gemaͤß, mit der<lb/> Muſik auszudruͤcken; wenn er einen jeden Saͤnger nach ſeiner Staͤrke,<lb/> und ohne Partheylichkeit eingekleidet hat; wenn er alles in ſeinem gehoͤ-<lb/> rigen Zuſammenhange wohl mit einander verbunden, dabey aber eine bil-<lb/> lige Kuͤrze beobachtet hat; wenn die Saͤnger ihre Rollen dem vorzuſtel-<lb/> lenden Charaktere, und der Abſicht des Componiſten gemaͤß, mit Ernſt<lb/> und Eifer ausfuͤhren; wenn die Accompagniſten der Vorſchrift des Com-<lb/> poniſten, und ihrer Pflicht nachkommen; wenn endlich die Auszierungen<lb/> des Theaters und die Ballette mit dem Jnhalte der Oper wohl uͤberein-<lb/> ſtimmen: ſo iſt kein Zweifel, daß nicht eine ſolche italiaͤniſche, oder nach<lb/> italiaͤniſcher Art eingerichtete Oper, jedermann gefallen, und fuͤr eines<lb/> der angenehmſten Schauſpiele gehalten werden koͤnne.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="catch">72. §. Hier-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0338]
Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
ob gleich der eine eben ſo viel als der andere beytragen muß, wenn die
Oper, von Seiten der Verfaſſer, vollkommen ſeyn ſoll. Eine gute,
und durch den Dichter wohl ausgefuͤhrte Materie eines Singſpiels, kann
eine mittelmaͤßige Muſik erheben: eine ſchlecht abgehandelte hingegen,
kann verurſachen, daß eine daruͤber ſehr wohl geſetzete Muſik, wenn man
ſie oͤfters hoͤret, Verdruß und lange Weile machet: beſonders wenn die
Saͤnger und Accompagniſten das Jhrige nicht auch gehoͤrig dazu beytragen.
71. §.
Wenn aber der Poet eine gute Materie gewaͤhlet, und ſelbige nach
aller moͤglichen Wahrſcheinlichkeit ausgefuͤhret hat; wenn er die Charakte-
re der aufgefuͤhrten Perſonen wohl von einander unterſchieden, und ſol-
che, ſo viel als moͤglich iſt, den Faͤhigkeiten, dem Alter, den Gemuͤths-
neigungen, und der Geſtalt der Saͤnger gemaͤß eingerichtet hat; wenn
er einen jeden ſo ſprechen laͤßt, wie es dem Charaktere, den er vorſtel-
let, zukoͤmmt; wenn die Recitative nicht gar zu weitlaͤuftig, nnd die
Worte der Arien nicht zu lang noch zu hochtrabend ſind; wenn in den
Arien zwar zuweilen einige, mit der Muſik bequem nachzumalende Gleich-
niſſe, vornehmlich und unumgaͤnglich aber die Sprache der Leidenſchaf-
ten, eingefuͤhret worden; wenn die Leidenſchaften, ſo wohl an ihrer zu- und
abnehmenden Staͤrke, als an ihrer Verſchiedenheit, geſchikt mit einander
abwechſeln; wenn bequeme Versarten zu den Arien erwaͤhlet worden ſind;
wenn auch auf die zum Singen vorzuͤglich bequemen Woͤrter eine vernuͤnfti-
ge Abſicht gerichtet worden, die ungeſchikten aber nach Moͤglichkeit ver-
mieden ſind; wenn ferner der Componiſt einen gereinigten Geſchmack, und
das Vermoͤgen hat, die Leidenſchaften, den Worten gemaͤß, mit der
Muſik auszudruͤcken; wenn er einen jeden Saͤnger nach ſeiner Staͤrke,
und ohne Partheylichkeit eingekleidet hat; wenn er alles in ſeinem gehoͤ-
rigen Zuſammenhange wohl mit einander verbunden, dabey aber eine bil-
lige Kuͤrze beobachtet hat; wenn die Saͤnger ihre Rollen dem vorzuſtel-
lenden Charaktere, und der Abſicht des Componiſten gemaͤß, mit Ernſt
und Eifer ausfuͤhren; wenn die Accompagniſten der Vorſchrift des Com-
poniſten, und ihrer Pflicht nachkommen; wenn endlich die Auszierungen
des Theaters und die Ballette mit dem Jnhalte der Oper wohl uͤberein-
ſtimmen: ſo iſt kein Zweifel, daß nicht eine ſolche italiaͤniſche, oder nach
italiaͤniſcher Art eingerichtete Oper, jedermann gefallen, und fuͤr eines
der angenehmſten Schauſpiele gehalten werden koͤnne.
72. §. Hier-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |