Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Das XVIII. Hauptstück. Wie ein Musikus
daß man im letzten Satze die Tonarten nicht so nach einander berühre, wie
im ersten Satze geschehen ist: um die Aehnlichkeit zu vermeiden.

39. §.

Jm letzten Satze muß überhaupt 1) das Ritornell kurtz, lustig,
feurig, doch dabey etwas tändelnd seyn. 2) Die Hauptstimme muß
einen gefälligen, flüchtigen und leichten Gesang haben. 3) Die Passa-
gien müssen leicht seyn, damit man nicht an der Geschwindigkeit gehin-
dert werde. Mit den Passagien im ersten Satze aber, dürfen sie keine
Aehnlichkeit haben. Z. E. Wenn die im ersten Satze aus gebrochenen
oder harpeggirten Noten bestehen; so können die im letztern Satze stufen-
weise gehen, oder rollend seyn. Oder wenn im ersten Satze Triolen sind;
so können die Passagien im letzten Satze aus gleichen Noten bestehen:
und so das Gegentheil. 4) Das Metrum muß auf das strengste beobach-
tet werden. Denn je kürzer und geschwinder die Tactarten sind: je em-
pfindlicher ist es, wenn dawider gehandelt wird. Die Cäsur muß also
im - und im geschwinden - - und Tacte allezeit auf den Anfang des
zweyten Tacts, die Haupteinschnitte aber, auf den vierten und achten
Tact fallen. 5) Das Accompagnement darf nicht zu vollstimmig oder
überhäufet seyn. Es muß vielmehr aus solchen Noten bestehen, welche
die begleitenden Stimmen, ohne große Bewegung oder Mühsamkeit, her-
aus bringen können: weil der letzte Satz gemeiniglich sehr geschwind ge-
spielet wird.

40. §.

Um auch bey einem Concert eine proportionirliche Länge zu
beobachten; kann man die Uhr dabey zu Rathe ziehen. Wenn der erste
Satz die Zeit von fünf Minuten, das Adagio fünf bis sechs Minuten,
und der letzte Satz drey bis vier Minuten einnimmt: so hat das ganze
Concert seine gehörige Länge. Es ist überhaupt ein größerer Vortheil,
wenn die Zuhörer ein Stück eher zu kurz, als zu lang finden.

41. §.

Wer nun ein solches Concert zu machen weis, dem wird es nicht
schwer fallen, auch ein scherzhaftes und kleines tändelndes Kammer-
concert
zu verfertigen. Es würde also unnöthig seyn, hiervon beson-
ders zu handeln.

42. §.

Eine Ouvertüre, welche zum Anfange einer Oper gespielet wird,
erfodert einen prächtigen und gravitätischen Anfang, einen brillanten,

wohl-

Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus
daß man im letzten Satze die Tonarten nicht ſo nach einander beruͤhre, wie
im erſten Satze geſchehen iſt: um die Aehnlichkeit zu vermeiden.

39. §.

Jm letzten Satze muß uͤberhaupt 1) das Ritornell kurtz, luſtig,
feurig, doch dabey etwas taͤndelnd ſeyn. 2) Die Hauptſtimme muß
einen gefaͤlligen, fluͤchtigen und leichten Geſang haben. 3) Die Paſſa-
gien muͤſſen leicht ſeyn, damit man nicht an der Geſchwindigkeit gehin-
dert werde. Mit den Paſſagien im erſten Satze aber, duͤrfen ſie keine
Aehnlichkeit haben. Z. E. Wenn die im erſten Satze aus gebrochenen
oder harpeggirten Noten beſtehen; ſo koͤnnen die im letztern Satze ſtufen-
weiſe gehen, oder rollend ſeyn. Oder wenn im erſten Satze Triolen ſind;
ſo koͤnnen die Paſſagien im letzten Satze aus gleichen Noten beſtehen:
und ſo das Gegentheil. 4) Das Metrum muß auf das ſtrengſte beobach-
tet werden. Denn je kuͤrzer und geſchwinder die Tactarten ſind: je em-
pfindlicher iſt es, wenn dawider gehandelt wird. Die Caͤſur muß alſo
im - und im geſchwinden - - und Tacte allezeit auf den Anfang des
zweyten Tacts, die Haupteinſchnitte aber, auf den vierten und achten
Tact fallen. 5) Das Accompagnement darf nicht zu vollſtimmig oder
uͤberhaͤufet ſeyn. Es muß vielmehr aus ſolchen Noten beſtehen, welche
die begleitenden Stimmen, ohne große Bewegung oder Muͤhſamkeit, her-
aus bringen koͤnnen: weil der letzte Satz gemeiniglich ſehr geſchwind ge-
ſpielet wird.

40. §.

Um auch bey einem Concert eine proportionirliche Laͤnge zu
beobachten; kann man die Uhr dabey zu Rathe ziehen. Wenn der erſte
Satz die Zeit von fuͤnf Minuten, das Adagio fuͤnf bis ſechs Minuten,
und der letzte Satz drey bis vier Minuten einnimmt: ſo hat das ganze
Concert ſeine gehoͤrige Laͤnge. Es iſt uͤberhaupt ein groͤßerer Vortheil,
wenn die Zuhoͤrer ein Stuͤck eher zu kurz, als zu lang finden.

41. §.

Wer nun ein ſolches Concert zu machen weis, dem wird es nicht
ſchwer fallen, auch ein ſcherzhaftes und kleines taͤndelndes Kammer-
concert
zu verfertigen. Es wuͤrde alſo unnoͤthig ſeyn, hiervon beſon-
ders zu handeln.

42. §.

Eine Ouvertuͤre, welche zum Anfange einer Oper geſpielet wird,
erfodert einen praͤchtigen und gravitaͤtiſchen Anfang, einen brillanten,

wohl-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0318" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">XVIII.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck. Wie ein Mu&#x017F;ikus</hi></fw><lb/>
daß man im letzten Satze die Tonarten nicht &#x017F;o nach einander beru&#x0364;hre, wie<lb/>
im er&#x017F;ten Satze ge&#x017F;chehen i&#x017F;t: um die Aehnlichkeit zu vermeiden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>39. §.</head><lb/>
            <p>Jm letzten Satze muß u&#x0364;berhaupt 1) das Ritornell kurtz, lu&#x017F;tig,<lb/>
feurig, doch dabey etwas ta&#x0364;ndelnd &#x017F;eyn. 2) Die Haupt&#x017F;timme muß<lb/>
einen gefa&#x0364;lligen, flu&#x0364;chtigen und leichten Ge&#x017F;ang haben. 3) Die Pa&#x017F;&#x017F;a-<lb/>
gien mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en leicht &#x017F;eyn, damit man nicht an der Ge&#x017F;chwindigkeit gehin-<lb/>
dert werde. Mit den Pa&#x017F;&#x017F;agien im er&#x017F;ten Satze aber, du&#x0364;rfen &#x017F;ie keine<lb/>
Aehnlichkeit haben. Z. E. Wenn die im er&#x017F;ten Satze aus gebrochenen<lb/>
oder harpeggirten Noten be&#x017F;tehen; &#x017F;o ko&#x0364;nnen die im letztern Satze &#x017F;tufen-<lb/>
wei&#x017F;e gehen, oder rollend &#x017F;eyn. Oder wenn im er&#x017F;ten Satze Triolen &#x017F;ind;<lb/>
&#x017F;o ko&#x0364;nnen die Pa&#x017F;&#x017F;agien im letzten Satze aus gleichen Noten be&#x017F;tehen:<lb/>
und &#x017F;o das Gegentheil. 4) Das Metrum muß auf das &#x017F;treng&#x017F;te beobach-<lb/>
tet werden. Denn je ku&#x0364;rzer und ge&#x017F;chwinder die Tactarten &#x017F;ind: je em-<lb/>
pfindlicher i&#x017F;t es, wenn dawider gehandelt wird. Die Ca&#x0364;&#x017F;ur muß al&#x017F;o<lb/>
im <formula notation="TeX">\frac{2}{4}</formula>- und im ge&#x017F;chwinden <formula notation="TeX">\frac{3}{4}</formula>- <formula notation="TeX">\frac{3}{8}</formula>- und <formula notation="TeX">\frac{6}{8}</formula> Tacte allezeit auf den Anfang des<lb/>
zweyten Tacts, die Hauptein&#x017F;chnitte aber, auf den vierten und achten<lb/>
Tact fallen. 5) Das Accompagnement darf nicht zu voll&#x017F;timmig oder<lb/>
u&#x0364;berha&#x0364;ufet &#x017F;eyn. Es muß vielmehr aus &#x017F;olchen Noten be&#x017F;tehen, welche<lb/>
die begleitenden Stimmen, ohne große Bewegung oder Mu&#x0364;h&#x017F;amkeit, her-<lb/>
aus bringen ko&#x0364;nnen: weil der letzte Satz gemeiniglich &#x017F;ehr ge&#x017F;chwind ge-<lb/>
&#x017F;pielet wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>40. §.</head><lb/>
            <p>Um auch bey einem Concert eine <hi rendition="#fr">proportionirliche La&#x0364;nge</hi> zu<lb/>
beobachten; kann man die Uhr dabey zu Rathe ziehen. Wenn der er&#x017F;te<lb/>
Satz die Zeit von fu&#x0364;nf Minuten, das Adagio fu&#x0364;nf bis &#x017F;echs Minuten,<lb/>
und der letzte Satz drey bis vier Minuten einnimmt: &#x017F;o hat das ganze<lb/>
Concert &#x017F;eine geho&#x0364;rige La&#x0364;nge. Es i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt ein gro&#x0364;ßerer Vortheil,<lb/>
wenn die Zuho&#x0364;rer ein Stu&#x0364;ck eher zu kurz, als zu lang finden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>41. §.</head><lb/>
            <p>Wer nun ein &#x017F;olches Concert zu machen weis, dem wird es nicht<lb/>
&#x017F;chwer fallen, auch ein &#x017F;cherzhaftes und <hi rendition="#fr">kleines</hi> ta&#x0364;ndelndes <hi rendition="#fr">Kammer-<lb/>
concert</hi> zu verfertigen. Es wu&#x0364;rde al&#x017F;o unno&#x0364;thig &#x017F;eyn, hiervon be&#x017F;on-<lb/>
ders zu handeln.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>42. §.</head><lb/>
            <p>Eine <hi rendition="#fr">Ouvertu&#x0364;re,</hi> welche zum Anfange einer Oper ge&#x017F;pielet wird,<lb/>
erfodert einen pra&#x0364;chtigen und gravita&#x0364;ti&#x017F;chen Anfang, einen brillanten,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wohl-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0318] Das XVIII. Hauptſtuͤck. Wie ein Muſikus daß man im letzten Satze die Tonarten nicht ſo nach einander beruͤhre, wie im erſten Satze geſchehen iſt: um die Aehnlichkeit zu vermeiden. 39. §. Jm letzten Satze muß uͤberhaupt 1) das Ritornell kurtz, luſtig, feurig, doch dabey etwas taͤndelnd ſeyn. 2) Die Hauptſtimme muß einen gefaͤlligen, fluͤchtigen und leichten Geſang haben. 3) Die Paſſa- gien muͤſſen leicht ſeyn, damit man nicht an der Geſchwindigkeit gehin- dert werde. Mit den Paſſagien im erſten Satze aber, duͤrfen ſie keine Aehnlichkeit haben. Z. E. Wenn die im erſten Satze aus gebrochenen oder harpeggirten Noten beſtehen; ſo koͤnnen die im letztern Satze ſtufen- weiſe gehen, oder rollend ſeyn. Oder wenn im erſten Satze Triolen ſind; ſo koͤnnen die Paſſagien im letzten Satze aus gleichen Noten beſtehen: und ſo das Gegentheil. 4) Das Metrum muß auf das ſtrengſte beobach- tet werden. Denn je kuͤrzer und geſchwinder die Tactarten ſind: je em- pfindlicher iſt es, wenn dawider gehandelt wird. Die Caͤſur muß alſo im [FORMEL]- und im geſchwinden [FORMEL]- [FORMEL]- und [FORMEL] Tacte allezeit auf den Anfang des zweyten Tacts, die Haupteinſchnitte aber, auf den vierten und achten Tact fallen. 5) Das Accompagnement darf nicht zu vollſtimmig oder uͤberhaͤufet ſeyn. Es muß vielmehr aus ſolchen Noten beſtehen, welche die begleitenden Stimmen, ohne große Bewegung oder Muͤhſamkeit, her- aus bringen koͤnnen: weil der letzte Satz gemeiniglich ſehr geſchwind ge- ſpielet wird. 40. §. Um auch bey einem Concert eine proportionirliche Laͤnge zu beobachten; kann man die Uhr dabey zu Rathe ziehen. Wenn der erſte Satz die Zeit von fuͤnf Minuten, das Adagio fuͤnf bis ſechs Minuten, und der letzte Satz drey bis vier Minuten einnimmt: ſo hat das ganze Concert ſeine gehoͤrige Laͤnge. Es iſt uͤberhaupt ein groͤßerer Vortheil, wenn die Zuhoͤrer ein Stuͤck eher zu kurz, als zu lang finden. 41. §. Wer nun ein ſolches Concert zu machen weis, dem wird es nicht ſchwer fallen, auch ein ſcherzhaftes und kleines taͤndelndes Kammer- concert zu verfertigen. Es wuͤrde alſo unnoͤthig ſeyn, hiervon beſon- ders zu handeln. 42. §. Eine Ouvertuͤre, welche zum Anfange einer Oper geſpielet wird, erfodert einen praͤchtigen und gravitaͤtiſchen Anfang, einen brillanten, wohl-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/318
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/318>, abgerufen am 22.12.2024.