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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

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Einleitung.
lichkeit. Wer aber sowohl zur Setzkunst, als zum Singen und den Jn-
strumenten zugleich, das gehörige Talent hat; von diesem kann man ei-
gentlich, im genauesten Verstande sagen, daß er zur Musik gebohren sey.

6. §.

Nun wird erfodert, daß ein jeder, ehe er sich in der Musik zu et-
was entschließet, recht erforsche, wozu sich sein Talent am meisten nei-
get. Geschähe dieses allezeit mit rechtem Bedacht; so würde die Unvoll-
kommenheit in der Musik nicht so groß seyn, als sie zur Zeit noch ist, und
vielleicht noch ferner seyn wird. Denn wer sich in der Musik auf etwas
leget, wozu er die Gaben nicht hat; der bleibt bey aller guten Anwei-
sung und Bemühung doch nur immer ein mittelmäßiger Musikus.

7. §.

Zu einem geschikten und gelehrten Musikus wird nun, wie aus oben-
gesagtem erhellet, ein besonder Talent erfodert. Unter dem Worte: ge-
schikter Musikus, verstehe ich einen guten Sänger oder Jnstrumentisten:
ein gelehrter Musikus hingegen heißt bey mir, einer der die Composition
gründlich erlernet hat. Weil man aber nicht lauter Helden in der Musik
nöthig hat; und auch ein mittelmäßiger Musikus einen guten Ripienisten
oder Ausführer der Ausfüllungsstimmen abgeben kann: so ist zu merken, daß
zu einem, der auf nichts weiter sein Absehen gerichtet hat, als einen tüch-
tigen Ripienisten vorzustellen, ein so besonder Talent eben nicht erfodert
werde: Denn wer einen gesunden Körper, und gerade und gesunde Glied-
maßen hat; dabey aber nur nicht dumm, oder blödes Verstandes ist; der
kann das, was man in der Musik mechanisch nennet, und was eigent-
lich zu einem Ripienisten erfodert wird, durch vielen Fleiß erlernen.
Alles was hierbey zu wissen nöthig ist, z. E. das Zeitmaaß; die Geltung
und Eintheilung der Noten, und was sonst mit diesen verknüpfet ist;
der Bogenstrich auf Seyteninstrumenten, und der Zungenstoß, Ansatz,
und Fingerordnung auf blasenden Jnstrumenten, kann durch Regeln,
welche man deutlich und vollständig erklären kann, begriffen werden.
Daß es so viele giebt, die weder von dem einen noch von dem andern rechte
Begriffe haben, ist der meisten eigene Schuld: und muß man sich daher
wundern, wenn mancher Musikus das, was er in einer Zeit von zwey
bis drey Jahren hätte fassen können, noch in seinem männlichen Alter
schuldig bleibt; ohngeachtet es ihm an Gelegenheit dazu zu gelangen nicht
gemangelt hätte. Man wolle aber, aus dem was ich oben gesaget habe,
keinesweges eine Geringschätzung guter Ripienisten zu erzwingen suchen.

Wie
A 3

Einleitung.
lichkeit. Wer aber ſowohl zur Setzkunſt, als zum Singen und den Jn-
ſtrumenten zugleich, das gehoͤrige Talent hat; von dieſem kann man ei-
gentlich, im genaueſten Verſtande ſagen, daß er zur Muſik gebohren ſey.

6. §.

Nun wird erfodert, daß ein jeder, ehe er ſich in der Muſik zu et-
was entſchließet, recht erforſche, wozu ſich ſein Talent am meiſten nei-
get. Geſchaͤhe dieſes allezeit mit rechtem Bedacht; ſo wuͤrde die Unvoll-
kommenheit in der Muſik nicht ſo groß ſeyn, als ſie zur Zeit noch iſt, und
vielleicht noch ferner ſeyn wird. Denn wer ſich in der Muſik auf etwas
leget, wozu er die Gaben nicht hat; der bleibt bey aller guten Anwei-
ſung und Bemuͤhung doch nur immer ein mittelmaͤßiger Muſikus.

7. §.

Zu einem geſchikten und gelehrten Muſikus wird nun, wie aus oben-
geſagtem erhellet, ein beſonder Talent erfodert. Unter dem Worte: ge-
ſchikter Muſikus, verſtehe ich einen guten Saͤnger oder Jnſtrumentiſten:
ein gelehrter Muſikus hingegen heißt bey mir, einer der die Compoſition
gruͤndlich erlernet hat. Weil man aber nicht lauter Helden in der Muſik
noͤthig hat; und auch ein mittelmaͤßiger Muſikus einen guten Ripieniſten
oder Ausfuͤhrer der Ausfuͤllungsſtimmen abgeben kann: ſo iſt zu merken, daß
zu einem, der auf nichts weiter ſein Abſehen gerichtet hat, als einen tuͤch-
tigen Ripieniſten vorzuſtellen, ein ſo beſonder Talent eben nicht erfodert
werde: Denn wer einen geſunden Koͤrper, und gerade und geſunde Glied-
maßen hat; dabey aber nur nicht dumm, oder bloͤdes Verſtandes iſt; der
kann das, was man in der Muſik mechaniſch nennet, und was eigent-
lich zu einem Ripieniſten erfodert wird, durch vielen Fleiß erlernen.
Alles was hierbey zu wiſſen noͤthig iſt, z. E. das Zeitmaaß; die Geltung
und Eintheilung der Noten, und was ſonſt mit dieſen verknuͤpfet iſt;
der Bogenſtrich auf Seyteninſtrumenten, und der Zungenſtoß, Anſatz,
und Fingerordnung auf blaſenden Jnſtrumenten, kann durch Regeln,
welche man deutlich und vollſtaͤndig erklaͤren kann, begriffen werden.
Daß es ſo viele giebt, die weder von dem einen noch von dem andern rechte
Begriffe haben, iſt der meiſten eigene Schuld: und muß man ſich daher
wundern, wenn mancher Muſikus das, was er in einer Zeit von zwey
bis drey Jahren haͤtte faſſen koͤnnen, noch in ſeinem maͤnnlichen Alter
ſchuldig bleibt; ohngeachtet es ihm an Gelegenheit dazu zu gelangen nicht
gemangelt haͤtte. Man wolle aber, aus dem was ich oben geſaget habe,
keinesweges eine Geringſchaͤtzung guter Ripieniſten zu erzwingen ſuchen.

Wie
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[5/0023] Einleitung. lichkeit. Wer aber ſowohl zur Setzkunſt, als zum Singen und den Jn- ſtrumenten zugleich, das gehoͤrige Talent hat; von dieſem kann man ei- gentlich, im genaueſten Verſtande ſagen, daß er zur Muſik gebohren ſey. 6. §. Nun wird erfodert, daß ein jeder, ehe er ſich in der Muſik zu et- was entſchließet, recht erforſche, wozu ſich ſein Talent am meiſten nei- get. Geſchaͤhe dieſes allezeit mit rechtem Bedacht; ſo wuͤrde die Unvoll- kommenheit in der Muſik nicht ſo groß ſeyn, als ſie zur Zeit noch iſt, und vielleicht noch ferner ſeyn wird. Denn wer ſich in der Muſik auf etwas leget, wozu er die Gaben nicht hat; der bleibt bey aller guten Anwei- ſung und Bemuͤhung doch nur immer ein mittelmaͤßiger Muſikus. 7. §. Zu einem geſchikten und gelehrten Muſikus wird nun, wie aus oben- geſagtem erhellet, ein beſonder Talent erfodert. Unter dem Worte: ge- ſchikter Muſikus, verſtehe ich einen guten Saͤnger oder Jnſtrumentiſten: ein gelehrter Muſikus hingegen heißt bey mir, einer der die Compoſition gruͤndlich erlernet hat. Weil man aber nicht lauter Helden in der Muſik noͤthig hat; und auch ein mittelmaͤßiger Muſikus einen guten Ripieniſten oder Ausfuͤhrer der Ausfuͤllungsſtimmen abgeben kann: ſo iſt zu merken, daß zu einem, der auf nichts weiter ſein Abſehen gerichtet hat, als einen tuͤch- tigen Ripieniſten vorzuſtellen, ein ſo beſonder Talent eben nicht erfodert werde: Denn wer einen geſunden Koͤrper, und gerade und geſunde Glied- maßen hat; dabey aber nur nicht dumm, oder bloͤdes Verſtandes iſt; der kann das, was man in der Muſik mechaniſch nennet, und was eigent- lich zu einem Ripieniſten erfodert wird, durch vielen Fleiß erlernen. Alles was hierbey zu wiſſen noͤthig iſt, z. E. das Zeitmaaß; die Geltung und Eintheilung der Noten, und was ſonſt mit dieſen verknuͤpfet iſt; der Bogenſtrich auf Seyteninſtrumenten, und der Zungenſtoß, Anſatz, und Fingerordnung auf blaſenden Jnſtrumenten, kann durch Regeln, welche man deutlich und vollſtaͤndig erklaͤren kann, begriffen werden. Daß es ſo viele giebt, die weder von dem einen noch von dem andern rechte Begriffe haben, iſt der meiſten eigene Schuld: und muß man ſich daher wundern, wenn mancher Muſikus das, was er in einer Zeit von zwey bis drey Jahren haͤtte faſſen koͤnnen, noch in ſeinem maͤnnlichen Alter ſchuldig bleibt; ohngeachtet es ihm an Gelegenheit dazu zu gelangen nicht gemangelt haͤtte. Man wolle aber, aus dem was ich oben geſaget habe, keinesweges eine Geringſchaͤtzung guter Ripieniſten zu erzwingen ſuchen. Wie A 3

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Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/23>, abgerufen am 13.11.2024.