Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Von den Ripien-Violinisten insbesondere.
daß sie gar leicht falsch, und gemeiniglich zu hoch greifen; besonders in
den Molltönen: wie denn auch bey ihnen das Laufwerck mehrentheils
ungleich und nicht rund klingt; weil sie die Finger, wegen Ungleichheit
ihrer Länge, ungleich abwechseln. Der kleine Finger ist ohnedem gemei-
niglich schwächer als die andern drey; deswegen muß man suchen ein Mit-
tel zu finden, die Stärke in den drey längern Fingern zu mäßigen; dage-
gen aber dem kleinen Finger durch eine Art von schnellem Schlage zu Hül-
fe zu kommen, um also das gehörige Verhältniß mit den andern zu tref-
fen. Ueberhaupt sollten alle junge Violinisten den kleinen Finger fleißig
üben: und zwar mehr als eines höchstnöthigen Vortheils wegen.

33. §.

Das sogenannte mezzo manico, da die Hand um einen halben,
ganzen, oder mehrere Töne weiter auf dem Griffbrete hinauf gesetzet wird,
giebt einen großen Vortheil, nicht nur um die bloßen Seyten, welche
anders klingen, als wenn die Finger darauf stehen, bey gewissen Gele-
genheiten zu vermeiden; sondern auch noch in vielen andern Fällen;
hauptsächlich im Cadenziren. Z. E. Bey denen Tab. XXII. Fig. 50. 51.
angemerkten Tönen, sind die Triller mit dem dritten Finger gemeiniglich
besser, als mit dem kleinen, zu machen.

Man versuche die drey Exempel, Tab. XXII. Fig. 52. a) b) c) in
der gewöhnlichen Lage; und rücke darauf die Hand einen Ton höher, so
daß man bey a), anstatt des dritten Fingers, den zweyten; und bey b)
und c) anstatt des zweyten Fingers den ersten brauche: so wird man bald,
wegen des Gleichlauts, einen großen Unterschied in der Ausnahme be-
merken.

34. §.

Wenn die concertirende Stimme nur von Violinen begleitet wird;
so muß jeder Violinist wohl Achtung geben, ob er eine pure Mittelstim-
me, oder eine, in gewissen kleinen Sätzen, mit der concertirenden ab-
wechselnde Stimme, oder ein Bassetchen, zu spielen habe. Bey der Mit-
telstimme muß er die Stärke des Tones sehr mäßigen. Wenn er etwas
abwechselndes hat, kann er stärker, das Bassetchen aber noch stärker spie-
len: absonderlich, wenn er von dem Concertisten, oder auch von den Zu-
hörern, weit entfernet ist. Haben beyde Violinen nur Mittelstimmen;
so müssen sie auch in einerley Stärke spielen. Hat die zweyte Violine im

Ritor-
C c 3

Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere.
daß ſie gar leicht falſch, und gemeiniglich zu hoch greifen; beſonders in
den Molltoͤnen: wie denn auch bey ihnen das Laufwerck mehrentheils
ungleich und nicht rund klingt; weil ſie die Finger, wegen Ungleichheit
ihrer Laͤnge, ungleich abwechſeln. Der kleine Finger iſt ohnedem gemei-
niglich ſchwaͤcher als die andern drey; deswegen muß man ſuchen ein Mit-
tel zu finden, die Staͤrke in den drey laͤngern Fingern zu maͤßigen; dage-
gen aber dem kleinen Finger durch eine Art von ſchnellem Schlage zu Huͤl-
fe zu kommen, um alſo das gehoͤrige Verhaͤltniß mit den andern zu tref-
fen. Ueberhaupt ſollten alle junge Violiniſten den kleinen Finger fleißig
uͤben: und zwar mehr als eines hoͤchſtnoͤthigen Vortheils wegen.

33. §.

Das ſogenannte mezzo manico, da die Hand um einen halben,
ganzen, oder mehrere Toͤne weiter auf dem Griffbrete hinauf geſetzet wird,
giebt einen großen Vortheil, nicht nur um die bloßen Seyten, welche
anders klingen, als wenn die Finger darauf ſtehen, bey gewiſſen Gele-
genheiten zu vermeiden; ſondern auch noch in vielen andern Faͤllen;
hauptſaͤchlich im Cadenziren. Z. E. Bey denen Tab. XXII. Fig. 50. 51.
angemerkten Toͤnen, ſind die Triller mit dem dritten Finger gemeiniglich
beſſer, als mit dem kleinen, zu machen.

Man verſuche die drey Exempel, Tab. XXII. Fig. 52. a) b) c) in
der gewoͤhnlichen Lage; und ruͤcke darauf die Hand einen Ton hoͤher, ſo
daß man bey a), anſtatt des dritten Fingers, den zweyten; und bey b)
und c) anſtatt des zweyten Fingers den erſten brauche: ſo wird man bald,
wegen des Gleichlauts, einen großen Unterſchied in der Ausnahme be-
merken.

34. §.

Wenn die concertirende Stimme nur von Violinen begleitet wird;
ſo muß jeder Violiniſt wohl Achtung geben, ob er eine pure Mittelſtim-
me, oder eine, in gewiſſen kleinen Saͤtzen, mit der concertirenden ab-
wechſelnde Stimme, oder ein Baſſetchen, zu ſpielen habe. Bey der Mit-
telſtimme muß er die Staͤrke des Tones ſehr maͤßigen. Wenn er etwas
abwechſelndes hat, kann er ſtaͤrker, das Baſſetchen aber noch ſtaͤrker ſpie-
len: abſonderlich, wenn er von dem Concertiſten, oder auch von den Zu-
hoͤrern, weit entfernet iſt. Haben beyde Violinen nur Mittelſtimmen;
ſo muͤſſen ſie auch in einerley Staͤrke ſpielen. Hat die zweyte Violine im

Ritor-
C c 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0223" n="205"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von den Ripien-Violini&#x017F;ten insbe&#x017F;ondere.</hi></fw><lb/>
daß &#x017F;ie gar leicht fal&#x017F;ch, und gemeiniglich zu hoch greifen; be&#x017F;onders in<lb/>
den Mollto&#x0364;nen: wie denn auch bey ihnen das Laufwerck mehrentheils<lb/>
ungleich und nicht rund klingt; weil &#x017F;ie die Finger, wegen Ungleichheit<lb/>
ihrer La&#x0364;nge, ungleich abwech&#x017F;eln. Der kleine Finger i&#x017F;t ohnedem gemei-<lb/>
niglich &#x017F;chwa&#x0364;cher als die andern drey; deswegen muß man &#x017F;uchen ein Mit-<lb/>
tel zu finden, die Sta&#x0364;rke in den drey la&#x0364;ngern Fingern zu ma&#x0364;ßigen; dage-<lb/>
gen aber dem kleinen Finger durch eine Art von &#x017F;chnellem Schlage zu Hu&#x0364;l-<lb/>
fe zu kommen, um al&#x017F;o das geho&#x0364;rige Verha&#x0364;ltniß mit den andern zu tref-<lb/>
fen. Ueberhaupt &#x017F;ollten alle junge Violini&#x017F;ten den kleinen Finger fleißig<lb/>
u&#x0364;ben: und zwar mehr als eines ho&#x0364;ch&#x017F;tno&#x0364;thigen Vortheils wegen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>33. §.</head><lb/>
            <p>Das &#x017F;ogenannte <hi rendition="#aq">mezzo manico,</hi> da die Hand um einen halben,<lb/>
ganzen, oder mehrere To&#x0364;ne weiter auf dem Griffbrete hinauf ge&#x017F;etzet wird,<lb/>
giebt einen großen Vortheil, nicht nur um die bloßen Seyten, welche<lb/>
anders klingen, als wenn die Finger darauf &#x017F;tehen, bey gewi&#x017F;&#x017F;en Gele-<lb/>
genheiten zu vermeiden; &#x017F;ondern auch noch in vielen andern Fa&#x0364;llen;<lb/>
haupt&#x017F;a&#x0364;chlich im Cadenziren. Z. E. Bey denen Tab. <hi rendition="#aq">XXII.</hi> Fig. 50. 51.<lb/>
angemerkten To&#x0364;nen, &#x017F;ind die Triller mit dem dritten Finger gemeiniglich<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er, als mit dem kleinen, zu machen.</p><lb/>
            <p>Man ver&#x017F;uche die drey Exempel, Tab. <hi rendition="#aq">XXII.</hi> Fig. 52. <hi rendition="#aq">a) b) c)</hi> in<lb/>
der gewo&#x0364;hnlichen Lage; und ru&#x0364;cke darauf die Hand einen Ton ho&#x0364;her, &#x017F;o<lb/>
daß man bey <hi rendition="#aq">a),</hi> an&#x017F;tatt des dritten Fingers, den zweyten; und bey <hi rendition="#aq">b)</hi><lb/>
und <hi rendition="#aq">c)</hi> an&#x017F;tatt des zweyten Fingers den er&#x017F;ten brauche: &#x017F;o wird man bald,<lb/>
wegen des Gleichlauts, einen großen Unter&#x017F;chied in der Ausnahme be-<lb/>
merken.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>34. §.</head><lb/>
            <p>Wenn die concertirende Stimme nur von Violinen begleitet wird;<lb/>
&#x017F;o muß jeder Violini&#x017F;t wohl Achtung geben, ob er eine pure Mittel&#x017F;tim-<lb/>
me, oder eine, in gewi&#x017F;&#x017F;en kleinen Sa&#x0364;tzen, mit der concertirenden ab-<lb/>
wech&#x017F;elnde Stimme, oder ein Ba&#x017F;&#x017F;etchen, zu &#x017F;pielen habe. Bey der Mit-<lb/>
tel&#x017F;timme muß er die Sta&#x0364;rke des Tones &#x017F;ehr ma&#x0364;ßigen. Wenn er etwas<lb/>
abwech&#x017F;elndes hat, kann er &#x017F;ta&#x0364;rker, das Ba&#x017F;&#x017F;etchen aber noch &#x017F;ta&#x0364;rker &#x017F;pie-<lb/>
len: ab&#x017F;onderlich, wenn er von dem Concerti&#x017F;ten, oder auch von den Zu-<lb/>
ho&#x0364;rern, weit entfernet i&#x017F;t. Haben beyde Violinen nur Mittel&#x017F;timmen;<lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie auch in einerley Sta&#x0364;rke &#x017F;pielen. Hat die zweyte Violine im<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C c 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Ritor-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0223] Von den Ripien-Violiniſten insbeſondere. daß ſie gar leicht falſch, und gemeiniglich zu hoch greifen; beſonders in den Molltoͤnen: wie denn auch bey ihnen das Laufwerck mehrentheils ungleich und nicht rund klingt; weil ſie die Finger, wegen Ungleichheit ihrer Laͤnge, ungleich abwechſeln. Der kleine Finger iſt ohnedem gemei- niglich ſchwaͤcher als die andern drey; deswegen muß man ſuchen ein Mit- tel zu finden, die Staͤrke in den drey laͤngern Fingern zu maͤßigen; dage- gen aber dem kleinen Finger durch eine Art von ſchnellem Schlage zu Huͤl- fe zu kommen, um alſo das gehoͤrige Verhaͤltniß mit den andern zu tref- fen. Ueberhaupt ſollten alle junge Violiniſten den kleinen Finger fleißig uͤben: und zwar mehr als eines hoͤchſtnoͤthigen Vortheils wegen. 33. §. Das ſogenannte mezzo manico, da die Hand um einen halben, ganzen, oder mehrere Toͤne weiter auf dem Griffbrete hinauf geſetzet wird, giebt einen großen Vortheil, nicht nur um die bloßen Seyten, welche anders klingen, als wenn die Finger darauf ſtehen, bey gewiſſen Gele- genheiten zu vermeiden; ſondern auch noch in vielen andern Faͤllen; hauptſaͤchlich im Cadenziren. Z. E. Bey denen Tab. XXII. Fig. 50. 51. angemerkten Toͤnen, ſind die Triller mit dem dritten Finger gemeiniglich beſſer, als mit dem kleinen, zu machen. Man verſuche die drey Exempel, Tab. XXII. Fig. 52. a) b) c) in der gewoͤhnlichen Lage; und ruͤcke darauf die Hand einen Ton hoͤher, ſo daß man bey a), anſtatt des dritten Fingers, den zweyten; und bey b) und c) anſtatt des zweyten Fingers den erſten brauche: ſo wird man bald, wegen des Gleichlauts, einen großen Unterſchied in der Ausnahme be- merken. 34. §. Wenn die concertirende Stimme nur von Violinen begleitet wird; ſo muß jeder Violiniſt wohl Achtung geben, ob er eine pure Mittelſtim- me, oder eine, in gewiſſen kleinen Saͤtzen, mit der concertirenden ab- wechſelnde Stimme, oder ein Baſſetchen, zu ſpielen habe. Bey der Mit- telſtimme muß er die Staͤrke des Tones ſehr maͤßigen. Wenn er etwas abwechſelndes hat, kann er ſtaͤrker, das Baſſetchen aber noch ſtaͤrker ſpie- len: abſonderlich, wenn er von dem Concertiſten, oder auch von den Zu- hoͤrern, weit entfernet iſt. Haben beyde Violinen nur Mittelſtimmen; ſo muͤſſen ſie auch in einerley Staͤrke ſpielen. Hat die zweyte Violine im Ritor- C c 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/223
Zitationshilfe: Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/223>, abgerufen am 13.11.2024.