Wahl dieser Lebensart nicht irren; und, wenn dieselbe übel getroffen worden, Schaden und Schande zu befürchten haben mögen.
2. §.
Jch rede aber hier nur von solchen, welche eigentlich die Musik zu ihrem Hauptwerke machen, und in derselben mit der Zeit vortrefflich wer- den wollen. Wer hingegen die Musik nur als ein Nebenwerk, zu seinem Vergnügen, treiben will, von dem wird zwar in diesem Stücke, nicht so viel, als von jenen, gefodert: doch, wofern er sich alles, was hier und in folgendem gesaget werden wird, zu Nutze machen kann und will; wird es ihm desto mehr Ehre und Vergnügen bringen.
3. §.
Die Wahl der Lebensart, und der Entschluß, diese oder jene, und folglich auch die Musik zu ergreifen, muß mit großer Behutsamkeit an- gestellet werden. Die wenigsten Menschen haben das Glück derjenigen Wissenschaft oder Profeßion gewidmet zu werden, wozu sie von Natur am allermeisten aufgeleget sind. Oefters rühret dieses Uebel aus Mangel der Erkenntniß, von Seiten der Eltern oder Vorgesetzten, her. Diese zwingen nicht selten die Jugend zu dem, woran sie, die Vorgesetzten, selbst nur einen Gefallen haben; oder sie glauben diese oder jene Wissen- schaft oder Profeßion bringe mehr Ehre, oder größere Vortheile, als eine andere; oder sie verlangen, daß die Kinder eben dasjenige erlernen sollen, wovon die Eltern Werk machen; und zwingen sie also eine Sache zu ergreifen, wozu sie, die Kinder, weder Lust noch Geschicke haben. Man darf sich also nicht wundern, wenn die ausserordentlichen Gelehrten, und die besonders hervorragenden Künstler so rar sind. Gäbe man aber auf die Neigung junger Leute fleißig Achtung; suchte man zu erforschen, womit sie sich aus eigenem Antriebe am allermeisten zu beschäftigen pfle- gen; ließe man ihnen die Freyheit, selbst zu wählen, wozu sie die größte Lust zeigen: so würden sowohl mehr nützliche, als glückliche Leute in der Welt gefunden werden. Denn daß mancher sogenannter Gelehrter, oder Künstler, sich kaum zu einem gemeinen Handwerker geschicket hätte: mancher Handwerker hingegen, ein Gelehrter, oder geschikter Künstler hätte werden können, wenn anders bey beyden die rechte Wahl getroffen worden wäre; bedarf wohl keines Beweises. Mir selbst ist ein Beyspiel von zween Tonkünstlern bekannt, die zu gleicher Zeit, vor ohngefähr vier- zig Jahren, bey einem Meister gelernet haben, und deren beyder Väter
Schmiede
Einleitung.
Wahl dieſer Lebensart nicht irren; und, wenn dieſelbe uͤbel getroffen worden, Schaden und Schande zu befuͤrchten haben moͤgen.
2. §.
Jch rede aber hier nur von ſolchen, welche eigentlich die Muſik zu ihrem Hauptwerke machen, und in derſelben mit der Zeit vortrefflich wer- den wollen. Wer hingegen die Muſik nur als ein Nebenwerk, zu ſeinem Vergnuͤgen, treiben will, von dem wird zwar in dieſem Stuͤcke, nicht ſo viel, als von jenen, gefodert: doch, wofern er ſich alles, was hier und in folgendem geſaget werden wird, zu Nutze machen kann und will; wird es ihm deſto mehr Ehre und Vergnuͤgen bringen.
3. §.
Die Wahl der Lebensart, und der Entſchluß, dieſe oder jene, und folglich auch die Muſik zu ergreifen, muß mit großer Behutſamkeit an- geſtellet werden. Die wenigſten Menſchen haben das Gluͤck derjenigen Wiſſenſchaft oder Profeßion gewidmet zu werden, wozu ſie von Natur am allermeiſten aufgeleget ſind. Oefters ruͤhret dieſes Uebel aus Mangel der Erkenntniß, von Seiten der Eltern oder Vorgeſetzten, her. Dieſe zwingen nicht ſelten die Jugend zu dem, woran ſie, die Vorgeſetzten, ſelbſt nur einen Gefallen haben; oder ſie glauben dieſe oder jene Wiſſen- ſchaft oder Profeßion bringe mehr Ehre, oder groͤßere Vortheile, als eine andere; oder ſie verlangen, daß die Kinder eben dasjenige erlernen ſollen, wovon die Eltern Werk machen; und zwingen ſie alſo eine Sache zu ergreifen, wozu ſie, die Kinder, weder Luſt noch Geſchicke haben. Man darf ſich alſo nicht wundern, wenn die auſſerordentlichen Gelehrten, und die beſonders hervorragenden Kuͤnſtler ſo rar ſind. Gaͤbe man aber auf die Neigung junger Leute fleißig Achtung; ſuchte man zu erforſchen, womit ſie ſich aus eigenem Antriebe am allermeiſten zu beſchaͤftigen pfle- gen; ließe man ihnen die Freyheit, ſelbſt zu waͤhlen, wozu ſie die groͤßte Luſt zeigen: ſo wuͤrden ſowohl mehr nuͤtzliche, als gluͤckliche Leute in der Welt gefunden werden. Denn daß mancher ſogenannter Gelehrter, oder Kuͤnſtler, ſich kaum zu einem gemeinen Handwerker geſchicket haͤtte: mancher Handwerker hingegen, ein Gelehrter, oder geſchikter Kuͤnſtler haͤtte werden koͤnnen, wenn anders bey beyden die rechte Wahl getroffen worden waͤre; bedarf wohl keines Beweiſes. Mir ſelbſt iſt ein Beyſpiel von zween Tonkuͤnſtlern bekannt, die zu gleicher Zeit, vor ohngefaͤhr vier- zig Jahren, bey einem Meiſter gelernet haben, und deren beyder Vaͤter
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Einleitung.
Wahl dieſer Lebensart nicht irren; und, wenn dieſelbe uͤbel getroffen
worden, Schaden und Schande zu befuͤrchten haben moͤgen.
2. §.
Jch rede aber hier nur von ſolchen, welche eigentlich die Muſik zu
ihrem Hauptwerke machen, und in derſelben mit der Zeit vortrefflich wer-
den wollen. Wer hingegen die Muſik nur als ein Nebenwerk, zu ſeinem
Vergnuͤgen, treiben will, von dem wird zwar in dieſem Stuͤcke, nicht
ſo viel, als von jenen, gefodert: doch, wofern er ſich alles, was hier
und in folgendem geſaget werden wird, zu Nutze machen kann und will;
wird es ihm deſto mehr Ehre und Vergnuͤgen bringen.
3. §.
Die Wahl der Lebensart, und der Entſchluß, dieſe oder jene, und
folglich auch die Muſik zu ergreifen, muß mit großer Behutſamkeit an-
geſtellet werden. Die wenigſten Menſchen haben das Gluͤck derjenigen
Wiſſenſchaft oder Profeßion gewidmet zu werden, wozu ſie von Natur
am allermeiſten aufgeleget ſind. Oefters ruͤhret dieſes Uebel aus Mangel
der Erkenntniß, von Seiten der Eltern oder Vorgeſetzten, her. Dieſe
zwingen nicht ſelten die Jugend zu dem, woran ſie, die Vorgeſetzten,
ſelbſt nur einen Gefallen haben; oder ſie glauben dieſe oder jene Wiſſen-
ſchaft oder Profeßion bringe mehr Ehre, oder groͤßere Vortheile, als
eine andere; oder ſie verlangen, daß die Kinder eben dasjenige erlernen
ſollen, wovon die Eltern Werk machen; und zwingen ſie alſo eine Sache
zu ergreifen, wozu ſie, die Kinder, weder Luſt noch Geſchicke haben.
Man darf ſich alſo nicht wundern, wenn die auſſerordentlichen Gelehrten,
und die beſonders hervorragenden Kuͤnſtler ſo rar ſind. Gaͤbe man aber
auf die Neigung junger Leute fleißig Achtung; ſuchte man zu erforſchen,
womit ſie ſich aus eigenem Antriebe am allermeiſten zu beſchaͤftigen pfle-
gen; ließe man ihnen die Freyheit, ſelbſt zu waͤhlen, wozu ſie die groͤßte
Luſt zeigen: ſo wuͤrden ſowohl mehr nuͤtzliche, als gluͤckliche Leute in der
Welt gefunden werden. Denn daß mancher ſogenannter Gelehrter, oder
Kuͤnſtler, ſich kaum zu einem gemeinen Handwerker geſchicket haͤtte:
mancher Handwerker hingegen, ein Gelehrter, oder geſchikter Kuͤnſtler
haͤtte werden koͤnnen, wenn anders bey beyden die rechte Wahl getroffen
worden waͤre; bedarf wohl keines Beweiſes. Mir ſelbſt iſt ein Beyſpiel
von zween Tonkuͤnſtlern bekannt, die zu gleicher Zeit, vor ohngefaͤhr vier-
zig Jahren, bey einem Meiſter gelernet haben, und deren beyder Vaͤter
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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/20>, abgerufen am 22.07.2024.
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