DasXVI.Hauptstück. Was ein Flötenist zu beob. hat,
es angefangen worden. Bey der darauf folgenden Solopassagie aber, kann er durch einen deutlichen und recht markireten Anfang derselben, das rechte Tempo zu erkennen geben.
13. §.
Jst der Flötenist, der sich öffentlich will hören lassen, furchtsam, und noch nicht gewohnt, in Gegenwart vieler Menschen zu spielen; so muß er seine Aufmerksamkeit, in währendem Spielen, nur allein auf die Noten, die er vor sich hat, zu richten suchen; niemals aber die Augeu auf die Anwesenden wenden: denn hierdurch werden die Gedanken zer- streuet, und die Gelassenheit geht verlohren. Er unternehme nicht solche schwere Sachen, die ihm bey seiner besondern Uebung noch niemals ge- lungen sind; er halte sich vielmehr an solche, die er ohne Anstoß wegspie- len kann. Die Furcht verursachet eine Wallung des Geblüthes, wodurch die Lunge in ungleiche Bewegung gebracht wird, und die Zunge und Finger ebenfalls in eine Hitze gerathen. Hieraus entsteht nothwendiger Weise ein im Spielen sehr hinderliches Zittern der Glieder: und der Flö- tenspieler wird also nicht im Stande seyn, weder lange Passagien in ei- nem Athem, noch besondere Schwierigkeiten, so wie bey einer gelassenen Gemüthsverfassung, herauszubringen. Hierzu kömmt auch noch wohl, daß er bey solchen Umständen, absonderlich bey warmem Wetter, am Munde schwitzet; und die Flöte folglich nicht am gehörigen Orte fest lie- gen bleibt, sondern unterwärts glitschet: wodurch das Mundloch derselben zu viel bedecket, und der Ton, wo er nicht gar außen bleibt, doch zum we- nigsten zu schwach wird. Diesem letztern Uebel bald abzuhelfen; wische der Flötenist den Mund und die Flöte rein ab, greife nachdem in die Haare, oder Perüke, und reibe den am Finger klebenden feinen Puder an den Mund. Hierdurch werden die Schweißlöcher verstopfet; und er kann ohne große Hinderniß weiter spielen.
14. §.
Aus diesen Ursachen ist einem jeden, der vor einer großen Versamm- lung spielen muß, zu rathen, daß er nicht eher ein schweres Stück zu spielen unternehme, als bis er fühlet, daß er sich in einer vollkommenen Gelassenheit besinde. Die Zuhörer können nicht wissen wie ihm zu Muthe ist; und beurtheilen ihn also, zumal wenn es das erstemal ist daß er vor ihnen spielet, nur nach dem was sie hören, nicht aber nach dem was er vor sich auszuführen fähig ist. Es gereichet überhaupt allezeit zu größerm
Vor-
DasXVI.Hauptſtuͤck. Was ein Floͤteniſt zu beob. hat,
es angefangen worden. Bey der darauf folgenden Solopaſſagie aber, kann er durch einen deutlichen und recht markireten Anfang derſelben, das rechte Tempo zu erkennen geben.
13. §.
Jſt der Floͤteniſt, der ſich oͤffentlich will hoͤren laſſen, furchtſam, und noch nicht gewohnt, in Gegenwart vieler Menſchen zu ſpielen; ſo muß er ſeine Aufmerkſamkeit, in waͤhrendem Spielen, nur allein auf die Noten, die er vor ſich hat, zu richten ſuchen; niemals aber die Augeu auf die Anweſenden wenden: denn hierdurch werden die Gedanken zer- ſtreuet, und die Gelaſſenheit geht verlohren. Er unternehme nicht ſolche ſchwere Sachen, die ihm bey ſeiner beſondern Uebung noch niemals ge- lungen ſind; er halte ſich vielmehr an ſolche, die er ohne Anſtoß wegſpie- len kann. Die Furcht verurſachet eine Wallung des Gebluͤthes, wodurch die Lunge in ungleiche Bewegung gebracht wird, und die Zunge und Finger ebenfalls in eine Hitze gerathen. Hieraus entſteht nothwendiger Weiſe ein im Spielen ſehr hinderliches Zittern der Glieder: und der Floͤ- tenſpieler wird alſo nicht im Stande ſeyn, weder lange Paſſagien in ei- nem Athem, noch beſondere Schwierigkeiten, ſo wie bey einer gelaſſenen Gemuͤthsverfaſſung, herauszubringen. Hierzu koͤmmt auch noch wohl, daß er bey ſolchen Umſtaͤnden, abſonderlich bey warmem Wetter, am Munde ſchwitzet; und die Floͤte folglich nicht am gehoͤrigen Orte feſt lie- gen bleibt, ſondern unterwaͤrts glitſchet: wodurch das Mundloch derſelben zu viel bedecket, und der Ton, wo er nicht gar außen bleibt, doch zum we- nigſten zu ſchwach wird. Dieſem letztern Uebel bald abzuhelfen; wiſche der Floͤteniſt den Mund und die Floͤte rein ab, greife nachdem in die Haare, oder Peruͤke, und reibe den am Finger klebenden feinen Puder an den Mund. Hierdurch werden die Schweißloͤcher verſtopfet; und er kann ohne große Hinderniß weiter ſpielen.
14. §.
Aus dieſen Urſachen iſt einem jeden, der vor einer großen Verſamm- lung ſpielen muß, zu rathen, daß er nicht eher ein ſchweres Stuͤck zu ſpielen unternehme, als bis er fuͤhlet, daß er ſich in einer vollkommenen Gelaſſenheit beſinde. Die Zuhoͤrer koͤnnen nicht wiſſen wie ihm zu Muthe iſt; und beurtheilen ihn alſo, zumal wenn es das erſtemal iſt daß er vor ihnen ſpielet, nur nach dem was ſie hoͤren, nicht aber nach dem was er vor ſich auszufuͤhren faͤhig iſt. Es gereichet uͤberhaupt allezeit zu groͤßerm
Vor-
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Das XVI. Hauptſtuͤck. Was ein Floͤteniſt zu beob. hat,
es angefangen worden. Bey der darauf folgenden Solopaſſagie aber,
kann er durch einen deutlichen und recht markireten Anfang derſelben, das
rechte Tempo zu erkennen geben.
13. §.
Jſt der Floͤteniſt, der ſich oͤffentlich will hoͤren laſſen, furchtſam, und
noch nicht gewohnt, in Gegenwart vieler Menſchen zu ſpielen; ſo muß
er ſeine Aufmerkſamkeit, in waͤhrendem Spielen, nur allein auf die
Noten, die er vor ſich hat, zu richten ſuchen; niemals aber die Augeu
auf die Anweſenden wenden: denn hierdurch werden die Gedanken zer-
ſtreuet, und die Gelaſſenheit geht verlohren. Er unternehme nicht ſolche
ſchwere Sachen, die ihm bey ſeiner beſondern Uebung noch niemals ge-
lungen ſind; er halte ſich vielmehr an ſolche, die er ohne Anſtoß wegſpie-
len kann. Die Furcht verurſachet eine Wallung des Gebluͤthes, wodurch
die Lunge in ungleiche Bewegung gebracht wird, und die Zunge und
Finger ebenfalls in eine Hitze gerathen. Hieraus entſteht nothwendiger
Weiſe ein im Spielen ſehr hinderliches Zittern der Glieder: und der Floͤ-
tenſpieler wird alſo nicht im Stande ſeyn, weder lange Paſſagien in ei-
nem Athem, noch beſondere Schwierigkeiten, ſo wie bey einer gelaſſenen
Gemuͤthsverfaſſung, herauszubringen. Hierzu koͤmmt auch noch wohl,
daß er bey ſolchen Umſtaͤnden, abſonderlich bey warmem Wetter, am
Munde ſchwitzet; und die Floͤte folglich nicht am gehoͤrigen Orte feſt lie-
gen bleibt, ſondern unterwaͤrts glitſchet: wodurch das Mundloch derſelben
zu viel bedecket, und der Ton, wo er nicht gar außen bleibt, doch zum we-
nigſten zu ſchwach wird. Dieſem letztern Uebel bald abzuhelfen; wiſche
der Floͤteniſt den Mund und die Floͤte rein ab, greife nachdem in die Haare,
oder Peruͤke, und reibe den am Finger klebenden feinen Puder an den
Mund. Hierdurch werden die Schweißloͤcher verſtopfet; und er kann
ohne große Hinderniß weiter ſpielen.
14. §.
Aus dieſen Urſachen iſt einem jeden, der vor einer großen Verſamm-
lung ſpielen muß, zu rathen, daß er nicht eher ein ſchweres Stuͤck zu
ſpielen unternehme, als bis er fuͤhlet, daß er ſich in einer vollkommenen
Gelaſſenheit beſinde. Die Zuhoͤrer koͤnnen nicht wiſſen wie ihm zu Muthe
iſt; und beurtheilen ihn alſo, zumal wenn es das erſtemal iſt daß er vor
ihnen ſpielet, nur nach dem was ſie hoͤren, nicht aber nach dem was er
vor ſich auszufuͤhren faͤhig iſt. Es gereichet uͤberhaupt allezeit zu groͤßerm
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Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/quantz_versuch_1752/186>, abgerufen am 22.07.2024.
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