Quantz, Johann Joachim: Versuch einer Anweisung die Flöte traversiere zu spielen. Berlin, 1752.im Singen und Spielen überhaupt. ter Vortrag der schönsten Rede auf dem Papiere schadet; man weis nichtweniger, daß eine Rede, wenn sie von verschiedenen Personen, mit eben denselben Worten gehalten werden sollte, doch immer von dem einen besser oder schlimmer anzuhören seyn würde, als von dem andern. Mit dem Vortrage in der Musik hat es gleiche Bewandtniß: so daß, wenn ein Stück entweder von einem oder dem andern gesungen, oder gespielet wird, es immer eine verschiedene Wirkung hervorbringt. 3. §. Von einem Redner wird, was den Vortrag anbelanget, erfodert, 4. §. Jch will mich bemühen zu zeigen, daß alles dieses auch bey dem guten 5. §. Die gute Wirkung einer Musik hängt fast eben so viel von den Aus- aber N 3
im Singen und Spielen uͤberhaupt. ter Vortrag der ſchoͤnſten Rede auf dem Papiere ſchadet; man weis nichtweniger, daß eine Rede, wenn ſie von verſchiedenen Perſonen, mit eben denſelben Worten gehalten werden ſollte, doch immer von dem einen beſſer oder ſchlimmer anzuhoͤren ſeyn wuͤrde, als von dem andern. Mit dem Vortrage in der Muſik hat es gleiche Bewandtniß: ſo daß, wenn ein Stuͤck entweder von einem oder dem andern geſungen, oder geſpielet wird, es immer eine verſchiedene Wirkung hervorbringt. 3. §. Von einem Redner wird, was den Vortrag anbelanget, erfodert, 4. §. Jch will mich bemuͤhen zu zeigen, daß alles dieſes auch bey dem guten 5. §. Die gute Wirkung einer Muſik haͤngt faſt eben ſo viel von den Aus- aber N 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0119" n="101"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">im Singen und Spielen uͤberhaupt.</hi></fw><lb/> ter Vortrag der ſchoͤnſten Rede auf dem Papiere ſchadet; man weis nicht<lb/> weniger, daß eine Rede, wenn ſie von verſchiedenen Perſonen, mit eben<lb/> denſelben Worten gehalten werden ſollte, doch immer von dem einen beſſer<lb/> oder ſchlimmer anzuhoͤren ſeyn wuͤrde, als von dem andern. Mit dem<lb/> Vortrage in der Muſik hat es gleiche Bewandtniß: ſo daß, wenn ein<lb/> Stuͤck entweder von einem oder dem andern geſungen, oder geſpielet wird,<lb/> es immer eine verſchiedene Wirkung hervorbringt.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>3. §.</head><lb/> <p>Von einem Redner wird, was den Vortrag anbelanget, erfodert,<lb/> daß er eine laute, klare und reine Stimme, und eine deutliche und voll-<lb/> kommen reine Ausſprache habe: daß er nicht einige Buchſtaben mit ein-<lb/> ander verwechſele, oder gar verſchlucke: daß er ſich auf eine angenehme<lb/> Mannigfaltigkeit in der Stimme und Sprache befleißige: daß er die Ein-<lb/> foͤrmigkeit in der Rede vermeide; vielmehr den Ton in Sylben und Woͤr-<lb/> tern bald laut bald leife, bald geſchwind bald langſam hoͤren laſſe: daß er<lb/> folglich bey einigen Woͤrtern die einen Nachdruck erfodern die Stimme<lb/> erhebe, bey andern hingegen wieder maͤßige: daß er jeden Affect mit einer<lb/> verſchiedenen, dem Affecte gemaͤßen Stimme ausdruͤcke; und daß er<lb/> ſich uͤberhaupt nach dem Orte, wo er redet, nach den Zuhoͤrern, die er<lb/> vor ſich hat, und nach dem Jnnhalte der Reden die er vortraͤgt, richte,<lb/> und folglich, z. E. unter einer Trauerrede, einer Lobrede, einer ſcherz-<lb/> haften Rede, u. d. gl. den gehoͤrigen Unterſchied zu machen wiſſe; daß er<lb/> endlich eine aͤuſſerliche gute Stellung annehme.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>4. §.</head><lb/> <p>Jch will mich bemuͤhen zu zeigen, daß alles dieſes auch bey dem guten<lb/> muſikaliſchen Vortrage erfodert werde; wenn ich vorher von der Noth-<lb/> wendigkeit dieſes guten Vortrages, und von den Fehlern ſo dabey began-<lb/> gen werden, noch etwas werde geſaget haben.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>5. §.</head><lb/> <p>Die gute Wirkung einer Muſik haͤngt faſt eben ſo viel von den Aus-<lb/> fuͤhrern, als von dem Componiſten ſelbſt ab. Die beſte Compoſition<lb/> kann durch einen ſchlechten Vortrag verſtuͤmmelt, eine mittelmaͤßige Com-<lb/> poſition aber durch einen guten Vortrag verbeſſert, und erhoben werden.<lb/> Man hoͤret oͤfters ein Stuͤck ſingen oder ſpielen, da die Compoſition nicht<lb/> zu verachten iſt, die Auszierungen des Adagio den Regeln der Harmonie<lb/> nicht zuwider ſind, die Paſſagien im Allegro auch geſchwind genug gema-<lb/> chet werden; es gefaͤllt aber dem ungeachtet den wenigſten. Wenn es<lb/> <fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><fw place="bottom" type="catch">aber</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [101/0119]
im Singen und Spielen uͤberhaupt.
ter Vortrag der ſchoͤnſten Rede auf dem Papiere ſchadet; man weis nicht
weniger, daß eine Rede, wenn ſie von verſchiedenen Perſonen, mit eben
denſelben Worten gehalten werden ſollte, doch immer von dem einen beſſer
oder ſchlimmer anzuhoͤren ſeyn wuͤrde, als von dem andern. Mit dem
Vortrage in der Muſik hat es gleiche Bewandtniß: ſo daß, wenn ein
Stuͤck entweder von einem oder dem andern geſungen, oder geſpielet wird,
es immer eine verſchiedene Wirkung hervorbringt.
3. §.
Von einem Redner wird, was den Vortrag anbelanget, erfodert,
daß er eine laute, klare und reine Stimme, und eine deutliche und voll-
kommen reine Ausſprache habe: daß er nicht einige Buchſtaben mit ein-
ander verwechſele, oder gar verſchlucke: daß er ſich auf eine angenehme
Mannigfaltigkeit in der Stimme und Sprache befleißige: daß er die Ein-
foͤrmigkeit in der Rede vermeide; vielmehr den Ton in Sylben und Woͤr-
tern bald laut bald leife, bald geſchwind bald langſam hoͤren laſſe: daß er
folglich bey einigen Woͤrtern die einen Nachdruck erfodern die Stimme
erhebe, bey andern hingegen wieder maͤßige: daß er jeden Affect mit einer
verſchiedenen, dem Affecte gemaͤßen Stimme ausdruͤcke; und daß er
ſich uͤberhaupt nach dem Orte, wo er redet, nach den Zuhoͤrern, die er
vor ſich hat, und nach dem Jnnhalte der Reden die er vortraͤgt, richte,
und folglich, z. E. unter einer Trauerrede, einer Lobrede, einer ſcherz-
haften Rede, u. d. gl. den gehoͤrigen Unterſchied zu machen wiſſe; daß er
endlich eine aͤuſſerliche gute Stellung annehme.
4. §.
Jch will mich bemuͤhen zu zeigen, daß alles dieſes auch bey dem guten
muſikaliſchen Vortrage erfodert werde; wenn ich vorher von der Noth-
wendigkeit dieſes guten Vortrages, und von den Fehlern ſo dabey began-
gen werden, noch etwas werde geſaget haben.
5. §.
Die gute Wirkung einer Muſik haͤngt faſt eben ſo viel von den Aus-
fuͤhrern, als von dem Componiſten ſelbſt ab. Die beſte Compoſition
kann durch einen ſchlechten Vortrag verſtuͤmmelt, eine mittelmaͤßige Com-
poſition aber durch einen guten Vortrag verbeſſert, und erhoben werden.
Man hoͤret oͤfters ein Stuͤck ſingen oder ſpielen, da die Compoſition nicht
zu verachten iſt, die Auszierungen des Adagio den Regeln der Harmonie
nicht zuwider ſind, die Paſſagien im Allegro auch geſchwind genug gema-
chet werden; es gefaͤllt aber dem ungeachtet den wenigſten. Wenn es
aber
N 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |