Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
X. Carl der VI. 1711-1740.


V.
Verhandlungen über die Frage von der Gericht-
barkeit der höchsten Reichsgerichte in evangeli-
schen geistlichen Sachen.


I-III. Auf Veranlaßung eines abgesetzten evangelischen
Predigers zu Wetzlar kam es bey der Visitation des Cam-
mergerichts zur Sprache: ob in protestantischen geistlichen
Sachen die Gerichtbarkeit des Cammergerichts gegründet
sey? -- IV. V. Sowohl der Religionsfriede als der West-
phälische Friede hat die geistliche Gerichtbarkeit, wie sie bis
dahin war, über die Protestanten aufgehoben, ohne eine
neue Art der geistlichen Gerichtbarkeit an deren Stelle zu
setzen. -- VI. Der Westphälische Friede hat namentlich die
ganze geistliche Gerichtbarkeit mit allen ihren Gattungen über
die Protestanten aufgehoben. -- VII. Damit fiel auch der
Anstand weg, den man nach dem Religionsfrieden noch we-
gen der protestantischen Ehesachen gemacht hatte, -- deren
Annehmung dem Cammergerichte doch schon 1570. verboten
ward. -- VIII-X. Dabey hat es nun der Westphälische Frie-
de gelaßen, -- und was von Ehesachen gilt, gilt auch von
anderen Gegenständen der geistlichen Gerichtbarkeit. -- XI.
Ueberhaupt erfordert auch hier die völlige Gleichheit beider
Religionstheile, daß gegen Evangelische und Catholische bey
Reichsgerichten einerley Verhältniß statt finde. -- XII.
Daß evangelische Reichsstände in ihren geistlichen Sachen
keinen höheren Richter haben, macht nach der Teutschen
Verfassung keine so große Anomalie. -- XIII. Unsere Reichs-
stände werden auch in anderen Fällen in ihren eignen Sa-
chen oft von ihren eignen Gerichten gerichtet, -- zumal
mit gestatteter Verschickung der Acten. -- XIV. Auch von
Appellationen sind sie überhaupt häufig befreyet. -- XV.
Nichtigkeitsklagen können zwar in peinlichen Sachen statt
finden, wenn gleich nicht darin appellirt werden kann. --
XVI-XVIII. Allein das setzt doch voraus, daß der Beklagte
unter den Reichsgerichten stehe. -- So wenig aber das
bey catholischen Bischöfen in ihren geistlichen Sachen der
Fall ist, so wenig auch bey protestantischen Reichsständen. --
XIX-XXII. Ohne allen Grund wird dem entgegengesetzt,
daß die evangelischen Reichsstände ihre geistliche Gerichtbar-
keit vermöge ihrer Landeshoheit ausübten. -- XXIII. Selbst
auf die Förmlichkeit eigner Consistorien kömmt es nicht an,
sondern auf die eigentliche Natur und Beschaffenheit der

geist-
X. Carl der VI. 1711-1740.


V.
Verhandlungen uͤber die Frage von der Gericht-
barkeit der hoͤchſten Reichsgerichte in evangeli-
ſchen geiſtlichen Sachen.


I-III. Auf Veranlaßung eines abgeſetzten evangeliſchen
Predigers zu Wetzlar kam es bey der Viſitation des Cam-
mergerichts zur Sprache: ob in proteſtantiſchen geiſtlichen
Sachen die Gerichtbarkeit des Cammergerichts gegruͤndet
ſey? — IV. V. Sowohl der Religionsfriede als der Weſt-
phaͤliſche Friede hat die geiſtliche Gerichtbarkeit, wie ſie bis
dahin war, uͤber die Proteſtanten aufgehoben, ohne eine
neue Art der geiſtlichen Gerichtbarkeit an deren Stelle zu
ſetzen. — VI. Der Weſtphaͤliſche Friede hat namentlich die
ganze geiſtliche Gerichtbarkeit mit allen ihren Gattungen uͤber
die Proteſtanten aufgehoben. — VII. Damit fiel auch der
Anſtand weg, den man nach dem Religionsfrieden noch we-
gen der proteſtantiſchen Eheſachen gemacht hatte, — deren
Annehmung dem Cammergerichte doch ſchon 1570. verboten
ward. — VIII-X. Dabey hat es nun der Weſtphaͤliſche Frie-
de gelaßen, — und was von Eheſachen gilt, gilt auch von
anderen Gegenſtaͤnden der geiſtlichen Gerichtbarkeit. — XI.
Ueberhaupt erfordert auch hier die voͤllige Gleichheit beider
Religionstheile, daß gegen Evangeliſche und Catholiſche bey
Reichsgerichten einerley Verhaͤltniß ſtatt finde. — XII.
Daß evangeliſche Reichsſtaͤnde in ihren geiſtlichen Sachen
keinen hoͤheren Richter haben, macht nach der Teutſchen
Verfaſſung keine ſo große Anomalie. — XIII. Unſere Reichs-
ſtaͤnde werden auch in anderen Faͤllen in ihren eignen Sa-
chen oft von ihren eignen Gerichten gerichtet, — zumal
mit geſtatteter Verſchickung der Acten. — XIV. Auch von
Appellationen ſind ſie uͤberhaupt haͤufig befreyet. — XV.
Nichtigkeitsklagen koͤnnen zwar in peinlichen Sachen ſtatt
finden, wenn gleich nicht darin appellirt werden kann. —
XVI-XVIII. Allein das ſetzt doch voraus, daß der Beklagte
unter den Reichsgerichten ſtehe. — So wenig aber das
bey catholiſchen Biſchoͤfen in ihren geiſtlichen Sachen der
Fall iſt, ſo wenig auch bey proteſtantiſchen Reichsſtaͤnden. —
XIX-XXII. Ohne allen Grund wird dem entgegengeſetzt,
daß die evangeliſchen Reichsſtaͤnde ihre geiſtliche Gerichtbar-
keit vermoͤge ihrer Landeshoheit ausuͤbten. — XXIII. Selbſt
auf die Foͤrmlichkeit eigner Conſiſtorien koͤmmt es nicht an,
ſondern auf die eigentliche Natur und Beſchaffenheit der

geiſt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0462" n="420"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">X.</hi> Carl der <hi rendition="#aq">VI.</hi> 1711-1740.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">V.</hi><lb/>
Verhandlungen u&#x0364;ber die Frage von der Gericht-<lb/>
barkeit der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Reichsgerichte in evangeli-<lb/>
&#x017F;chen gei&#x017F;tlichen Sachen.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <argument>
            <p><hi rendition="#aq">I-III.</hi> Auf Veranlaßung eines abge&#x017F;etzten evangeli&#x017F;chen<lb/>
Predigers zu Wetzlar kam es bey der Vi&#x017F;itation des Cam-<lb/>
mergerichts zur Sprache: ob in prote&#x017F;tanti&#x017F;chen gei&#x017F;tlichen<lb/>
Sachen die Gerichtbarkeit des Cammergerichts gegru&#x0364;ndet<lb/>
&#x017F;ey? &#x2014; <hi rendition="#aq">IV. V.</hi> Sowohl der Religionsfriede als der We&#x017F;t-<lb/>
pha&#x0364;li&#x017F;che Friede hat die gei&#x017F;tliche Gerichtbarkeit, wie &#x017F;ie bis<lb/>
dahin war, u&#x0364;ber die Prote&#x017F;tanten aufgehoben, ohne eine<lb/>
neue Art der gei&#x017F;tlichen Gerichtbarkeit an deren Stelle zu<lb/>
&#x017F;etzen. &#x2014; <hi rendition="#aq">VI.</hi> Der We&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;che Friede hat namentlich die<lb/>
ganze gei&#x017F;tliche Gerichtbarkeit mit allen ihren Gattungen u&#x0364;ber<lb/>
die Prote&#x017F;tanten aufgehoben. &#x2014; <hi rendition="#aq">VII.</hi> Damit fiel auch der<lb/>
An&#x017F;tand weg, den man nach dem Religionsfrieden noch we-<lb/>
gen der prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Ehe&#x017F;achen gemacht hatte, &#x2014; deren<lb/>
Annehmung dem Cammergerichte doch &#x017F;chon 1570. verboten<lb/>
ward. &#x2014; <hi rendition="#aq">VIII-X.</hi> Dabey hat es nun der We&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;che Frie-<lb/>
de gelaßen, &#x2014; und was von Ehe&#x017F;achen gilt, gilt auch von<lb/>
anderen Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden der gei&#x017F;tlichen Gerichtbarkeit. &#x2014; <hi rendition="#aq">XI.</hi><lb/>
Ueberhaupt erfordert auch hier die vo&#x0364;llige Gleichheit beider<lb/>
Religionstheile, daß gegen Evangeli&#x017F;che und Catholi&#x017F;che bey<lb/>
Reichsgerichten einerley Verha&#x0364;ltniß &#x017F;tatt finde. &#x2014; <hi rendition="#aq">XII.</hi><lb/>
Daß evangeli&#x017F;che Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde in ihren gei&#x017F;tlichen Sachen<lb/>
keinen ho&#x0364;heren Richter haben, macht nach der Teut&#x017F;chen<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ung keine &#x017F;o große Anomalie. &#x2014; <hi rendition="#aq">XIII.</hi> Un&#x017F;ere Reichs-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde werden auch in anderen Fa&#x0364;llen in ihren eignen Sa-<lb/>
chen oft von ihren eignen Gerichten gerichtet, &#x2014; zumal<lb/>
mit ge&#x017F;tatteter Ver&#x017F;chickung der Acten. &#x2014; <hi rendition="#aq">XIV.</hi> Auch von<lb/>
Appellationen &#x017F;ind &#x017F;ie u&#x0364;berhaupt ha&#x0364;ufig befreyet. &#x2014; <hi rendition="#aq">XV.</hi><lb/>
Nichtigkeitsklagen ko&#x0364;nnen zwar in peinlichen Sachen &#x017F;tatt<lb/>
finden, wenn gleich nicht darin appellirt werden kann. &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">XVI-XVIII.</hi> Allein das &#x017F;etzt doch voraus, daß der Beklagte<lb/>
unter den Reichsgerichten &#x017F;tehe. &#x2014; So wenig aber das<lb/>
bey catholi&#x017F;chen Bi&#x017F;cho&#x0364;fen in ihren gei&#x017F;tlichen Sachen der<lb/>
Fall i&#x017F;t, &#x017F;o wenig auch bey prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Reichs&#x017F;ta&#x0364;nden. &#x2014;<lb/><hi rendition="#aq">XIX-XXII.</hi> Ohne allen Grund wird dem entgegenge&#x017F;etzt,<lb/>
daß die evangeli&#x017F;chen Reichs&#x017F;ta&#x0364;nde ihre gei&#x017F;tliche Gerichtbar-<lb/>
keit vermo&#x0364;ge ihrer Landeshoheit ausu&#x0364;bten. &#x2014; <hi rendition="#aq">XXIII.</hi> Selb&#x017F;t<lb/>
auf die Fo&#x0364;rmlichkeit eigner Con&#x017F;i&#x017F;torien ko&#x0364;mmt es nicht an,<lb/>
&#x017F;ondern auf die eigentliche Natur und Be&#x017F;chaffenheit der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gei&#x017F;t-</fw><lb/></p>
          </argument>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0462] X. Carl der VI. 1711-1740. V. Verhandlungen uͤber die Frage von der Gericht- barkeit der hoͤchſten Reichsgerichte in evangeli- ſchen geiſtlichen Sachen. I-III. Auf Veranlaßung eines abgeſetzten evangeliſchen Predigers zu Wetzlar kam es bey der Viſitation des Cam- mergerichts zur Sprache: ob in proteſtantiſchen geiſtlichen Sachen die Gerichtbarkeit des Cammergerichts gegruͤndet ſey? — IV. V. Sowohl der Religionsfriede als der Weſt- phaͤliſche Friede hat die geiſtliche Gerichtbarkeit, wie ſie bis dahin war, uͤber die Proteſtanten aufgehoben, ohne eine neue Art der geiſtlichen Gerichtbarkeit an deren Stelle zu ſetzen. — VI. Der Weſtphaͤliſche Friede hat namentlich die ganze geiſtliche Gerichtbarkeit mit allen ihren Gattungen uͤber die Proteſtanten aufgehoben. — VII. Damit fiel auch der Anſtand weg, den man nach dem Religionsfrieden noch we- gen der proteſtantiſchen Eheſachen gemacht hatte, — deren Annehmung dem Cammergerichte doch ſchon 1570. verboten ward. — VIII-X. Dabey hat es nun der Weſtphaͤliſche Frie- de gelaßen, — und was von Eheſachen gilt, gilt auch von anderen Gegenſtaͤnden der geiſtlichen Gerichtbarkeit. — XI. Ueberhaupt erfordert auch hier die voͤllige Gleichheit beider Religionstheile, daß gegen Evangeliſche und Catholiſche bey Reichsgerichten einerley Verhaͤltniß ſtatt finde. — XII. Daß evangeliſche Reichsſtaͤnde in ihren geiſtlichen Sachen keinen hoͤheren Richter haben, macht nach der Teutſchen Verfaſſung keine ſo große Anomalie. — XIII. Unſere Reichs- ſtaͤnde werden auch in anderen Faͤllen in ihren eignen Sa- chen oft von ihren eignen Gerichten gerichtet, — zumal mit geſtatteter Verſchickung der Acten. — XIV. Auch von Appellationen ſind ſie uͤberhaupt haͤufig befreyet. — XV. Nichtigkeitsklagen koͤnnen zwar in peinlichen Sachen ſtatt finden, wenn gleich nicht darin appellirt werden kann. — XVI-XVIII. Allein das ſetzt doch voraus, daß der Beklagte unter den Reichsgerichten ſtehe. — So wenig aber das bey catholiſchen Biſchoͤfen in ihren geiſtlichen Sachen der Fall iſt, ſo wenig auch bey proteſtantiſchen Reichsſtaͤnden. — XIX-XXII. Ohne allen Grund wird dem entgegengeſetzt, daß die evangeliſchen Reichsſtaͤnde ihre geiſtliche Gerichtbar- keit vermoͤge ihrer Landeshoheit ausuͤbten. — XXIII. Selbſt auf die Foͤrmlichkeit eigner Conſiſtorien koͤmmt es nicht an, ſondern auf die eigentliche Natur und Beſchaffenheit der geiſt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/462
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 2: Von 1558 bis 1740. Göttingen, 1786, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung02_1786/462>, abgerufen am 21.12.2024.