Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Alte Zeiten bis 888.
deren jedes seinen eignen Regenten gehabt hat,
jedoch dem Teutschen Reiche in der Folge unter-
würfig gemacht worden ist.


XI.

Was aber jene ursprünglich Teutsche Völker
betrifft, da mochte zwar ein jedes derselben im Kriege
gegen einen dritten Feind gemeine Sache machen,
und einem gemeinsamen Heerführer folgen, der
alsdann als Herzog (Heertog, Anführer des
Heers,) oder als Fürst (d. i. der Vorderste, der
Erste, wie noch jetzt im Englischen the first, Hol-
ländisch de Voorst) oder auch unter dem Namen
eines Königes zu befehlen hatte. Allein sobald der
Krieg ein Ende nahm, hörte auch diese Befehls-
habung auf. In Friedenszeiten war jeder Stamm,
ja jedes freye Geschlecht, oder jeder Gau, (d. i.
jeder nach gewissen Gränzen von Gebirgen, Gewäs-
sern, oder Himmelsgegenden abgetheilter District
von einer oder etlichen Quadratmeilen,) worin etwa
mehrere freye Geschlechter in gewisser Verbindung
lebten, wieder ganz für sich. Selbst einzelne
Stämme oder Gaue konnten wieder mit einander
in Krieg gerathen; alsdann konnte jeder Stamm
oder Gau wieder für sich seinen eignen Befehls-
haber haben. So machten zwar die Franken ein
Teutsches Hauptvolk aus; aber Salier, Ripua-
rier, Cenomannier, Moriner, waren verschiedene
Stämme derselben. Auch in Friedenszeiten konnte
ein Gau seinen eignen erwehlten Richter haben;
wozu gemeiniglich ein Mann von Jahren und Er-
fahrung genommen wurde, der schon, wie wir noch
jetzt sagen, in Geschäfften grau geworden war,
und daher mit dem Namen Grau, Grave, (Gra-

vio,

I. Alte Zeiten bis 888.
deren jedes ſeinen eignen Regenten gehabt hat,
jedoch dem Teutſchen Reiche in der Folge unter-
wuͤrfig gemacht worden iſt.


XI.

Was aber jene urſpruͤnglich Teutſche Voͤlker
betrifft, da mochte zwar ein jedes derſelben im Kriege
gegen einen dritten Feind gemeine Sache machen,
und einem gemeinſamen Heerfuͤhrer folgen, der
alsdann als Herzog (Heertog, Anfuͤhrer des
Heers,) oder als Fuͤrſt (d. i. der Vorderſte, der
Erſte, wie noch jetzt im Engliſchen the firſt, Hol-
laͤndiſch de Voorſt) oder auch unter dem Namen
eines Koͤniges zu befehlen hatte. Allein ſobald der
Krieg ein Ende nahm, hoͤrte auch dieſe Befehls-
habung auf. In Friedenszeiten war jeder Stamm,
ja jedes freye Geſchlecht, oder jeder Gau, (d. i.
jeder nach gewiſſen Graͤnzen von Gebirgen, Gewaͤſ-
ſern, oder Himmelsgegenden abgetheilter Diſtrict
von einer oder etlichen Quadratmeilen,) worin etwa
mehrere freye Geſchlechter in gewiſſer Verbindung
lebten, wieder ganz fuͤr ſich. Selbſt einzelne
Staͤmme oder Gaue konnten wieder mit einander
in Krieg gerathen; alsdann konnte jeder Stamm
oder Gau wieder fuͤr ſich ſeinen eignen Befehls-
haber haben. So machten zwar die Franken ein
Teutſches Hauptvolk aus; aber Salier, Ripua-
rier, Cenomannier, Moriner, waren verſchiedene
Staͤmme derſelben. Auch in Friedenszeiten konnte
ein Gau ſeinen eignen erwehlten Richter haben;
wozu gemeiniglich ein Mann von Jahren und Er-
fahrung genommen wurde, der ſchon, wie wir noch
jetzt ſagen, in Geſchaͤfften grau geworden war,
und daher mit dem Namen Grau, Grave, (Gra-

vio,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0042" n="8"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Alte Zeiten bis 888.</hi></fw><lb/>
deren jedes &#x017F;einen eignen Regenten gehabt hat,<lb/>
jedoch dem Teut&#x017F;chen Reiche in der Folge unter-<lb/>
wu&#x0364;rfig gemacht worden i&#x017F;t.</p><lb/>
          <note place="left"> <hi rendition="#aq">XI.</hi> </note>
          <p>Was aber jene ur&#x017F;pru&#x0364;nglich Teut&#x017F;che Vo&#x0364;lker<lb/>
betrifft, da mochte zwar ein jedes der&#x017F;elben im Kriege<lb/>
gegen einen dritten Feind gemeine Sache machen,<lb/>
und einem gemein&#x017F;amen Heerfu&#x0364;hrer folgen, der<lb/>
alsdann als Herzog (<hi rendition="#aq">Heertog,</hi> Anfu&#x0364;hrer des<lb/>
Heers,) oder als Fu&#x0364;r&#x017F;t (d. i. der Vorder&#x017F;te, der<lb/>
Er&#x017F;te, wie noch jetzt im Engli&#x017F;chen <hi rendition="#aq">the fir&#x017F;t,</hi> Hol-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;ch <hi rendition="#aq">de Voor&#x017F;t</hi>) oder auch unter dem Namen<lb/>
eines Ko&#x0364;niges zu befehlen hatte. Allein &#x017F;obald der<lb/>
Krieg ein Ende nahm, ho&#x0364;rte auch die&#x017F;e Befehls-<lb/>
habung auf. In Friedenszeiten war jeder Stamm,<lb/>
ja jedes freye Ge&#x017F;chlecht, oder jeder <hi rendition="#fr">Gau,</hi> (d. i.<lb/>
jeder nach gewi&#x017F;&#x017F;en Gra&#x0364;nzen von Gebirgen, Gewa&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern, oder Himmelsgegenden abgetheilter Di&#x017F;trict<lb/>
von einer oder etlichen Quadratmeilen,) worin etwa<lb/>
mehrere freye Ge&#x017F;chlechter in gewi&#x017F;&#x017F;er Verbindung<lb/>
lebten, wieder ganz fu&#x0364;r &#x017F;ich. Selb&#x017F;t einzelne<lb/>
Sta&#x0364;mme oder Gaue konnten wieder mit einander<lb/>
in Krieg gerathen; alsdann konnte jeder Stamm<lb/>
oder Gau wieder fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;einen eignen Befehls-<lb/>
haber haben. So machten zwar die Franken ein<lb/>
Teut&#x017F;ches Hauptvolk aus; aber Salier, Ripua-<lb/>
rier, Cenomannier, Moriner, waren ver&#x017F;chiedene<lb/>
Sta&#x0364;mme der&#x017F;elben. Auch in Friedenszeiten konnte<lb/>
ein Gau &#x017F;einen eignen erwehlten Richter haben;<lb/>
wozu gemeiniglich ein Mann von Jahren und Er-<lb/>
fahrung genommen wurde, der &#x017F;chon, wie wir noch<lb/>
jetzt &#x017F;agen, in Ge&#x017F;cha&#x0364;fften <hi rendition="#fr">grau</hi> geworden war,<lb/>
und daher mit dem Namen <hi rendition="#fr">Grau, Grave,</hi> (<hi rendition="#aq">Gra-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">vio,</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[8/0042] I. Alte Zeiten bis 888. deren jedes ſeinen eignen Regenten gehabt hat, jedoch dem Teutſchen Reiche in der Folge unter- wuͤrfig gemacht worden iſt. Was aber jene urſpruͤnglich Teutſche Voͤlker betrifft, da mochte zwar ein jedes derſelben im Kriege gegen einen dritten Feind gemeine Sache machen, und einem gemeinſamen Heerfuͤhrer folgen, der alsdann als Herzog (Heertog, Anfuͤhrer des Heers,) oder als Fuͤrſt (d. i. der Vorderſte, der Erſte, wie noch jetzt im Engliſchen the firſt, Hol- laͤndiſch de Voorſt) oder auch unter dem Namen eines Koͤniges zu befehlen hatte. Allein ſobald der Krieg ein Ende nahm, hoͤrte auch dieſe Befehls- habung auf. In Friedenszeiten war jeder Stamm, ja jedes freye Geſchlecht, oder jeder Gau, (d. i. jeder nach gewiſſen Graͤnzen von Gebirgen, Gewaͤſ- ſern, oder Himmelsgegenden abgetheilter Diſtrict von einer oder etlichen Quadratmeilen,) worin etwa mehrere freye Geſchlechter in gewiſſer Verbindung lebten, wieder ganz fuͤr ſich. Selbſt einzelne Staͤmme oder Gaue konnten wieder mit einander in Krieg gerathen; alsdann konnte jeder Stamm oder Gau wieder fuͤr ſich ſeinen eignen Befehls- haber haben. So machten zwar die Franken ein Teutſches Hauptvolk aus; aber Salier, Ripua- rier, Cenomannier, Moriner, waren verſchiedene Staͤmme derſelben. Auch in Friedenszeiten konnte ein Gau ſeinen eignen erwehlten Richter haben; wozu gemeiniglich ein Mann von Jahren und Er- fahrung genommen wurde, der ſchon, wie wir noch jetzt ſagen, in Geſchaͤfften grau geworden war, und daher mit dem Namen Grau, Grave, (Gra- vio,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/42
Zitationshilfe: Pütter, Johann Stephan: Historische Entwickelung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reichs. Bd. 1: Bis 1558. Göttingen, 1786, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/puetter_staatsverfassung01_1786/42>, abgerufen am 26.04.2024.