ken, ihm die Hand reicht, und ihm zuruft: Nun, was machst Du Esterhazy? Das Weibchen, welches sich unter diesen Tyroler Wunderthieren befindet, kam heute auch auf mich zu und sagte: Dich habe ich mir schon lange angesehen, denn Du siehst meinem lieben John so ähnlich, daß ich Dir einen Kuß geben will. Die Offerte war eben nicht sehr einladend, denn das Mädchen ist häßlich, da sie aber auch Se. Majestät geküßt hat, auf welche Scene eine gute Carrikatur in den Handel gekommen ist, so findet man jetzt die Zumuthung schmeichelhaft.
Den 26sten.
Der Herzog von Northumberland hatte die Güte, mir diesen Morgen seinen sehenswerthen Palast en detail zu zeigen. Ich fand hier etwas, was ich lange vergebens zu sehen gewünscht, nämlich ein Haus, in dem, bei hoher Pracht und Eleganz, das Größte wie das Kleinste mit völlig gleicher Sorgfalt und Voll- kommenheit ausgeführt ist -- ou rien ne cloche.
Ein solches Ideal ist wirklich hier erreicht. Man findet auch nicht die geringste Kleinigkeit vernachläs- sigt, keine schiefe Linie, keinen Schmutzfleck, nichts Fanirtes, nichts aus der Facon Gekommenes, nichts Abgenutztes, nichts Unächtes, kein Meuble, keine Thüre, kein Fenster, das nicht in seiner Art ein wahres Mei- sterstück der Arbeit darböte.
Diese außerordentliche Gediegenheit hat freilich mehrere Hunderttausend Pfd. St. und gewiß nicht ge-
ken, ihm die Hand reicht, und ihm zuruft: Nun, was machſt Du Eſterhazy? Das Weibchen, welches ſich unter dieſen Tyroler Wunderthieren befindet, kam heute auch auf mich zu und ſagte: Dich habe ich mir ſchon lange angeſehen, denn Du ſiehſt meinem lieben John ſo ähnlich, daß ich Dir einen Kuß geben will. Die Offerte war eben nicht ſehr einladend, denn das Mädchen iſt häßlich, da ſie aber auch Se. Majeſtät geküßt hat, auf welche Scene eine gute Carrikatur in den Handel gekommen iſt, ſo findet man jetzt die Zumuthung ſchmeichelhaft.
Den 26ſten.
Der Herzog von Northumberland hatte die Güte, mir dieſen Morgen ſeinen ſehenswerthen Palaſt en detail zu zeigen. Ich fand hier etwas, was ich lange vergebens zu ſehen gewünſcht, nämlich ein Haus, in dem, bei hoher Pracht und Eleganz, das Größte wie das Kleinſte mit völlig gleicher Sorgfalt und Voll- kommenheit ausgeführt iſt — ou rien ne cloche.
Ein ſolches Ideal iſt wirklich hier erreicht. Man findet auch nicht die geringſte Kleinigkeit vernachläſ- ſigt, keine ſchiefe Linie, keinen Schmutzfleck, nichts Fanirtes, nichts aus der Façon Gekommenes, nichts Abgenutztes, nichts Unächtes, kein Meuble, keine Thüre, kein Fenſter, das nicht in ſeiner Art ein wahres Mei- ſterſtück der Arbeit darböte.
Dieſe außerordentliche Gediegenheit hat freilich mehrere Hunderttauſend Pfd. St. und gewiß nicht ge-
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ken, ihm die Hand reicht, und ihm zuruft: Nun,
was machſt Du Eſterhazy? Das Weibchen, welches
ſich unter dieſen Tyroler Wunderthieren befindet, kam
heute auch auf mich zu und ſagte: Dich habe ich mir
ſchon lange angeſehen, denn Du ſiehſt meinem lieben
John ſo ähnlich, daß ich Dir einen Kuß geben will.
Die Offerte war eben nicht ſehr einladend, denn das
Mädchen iſt häßlich, da ſie aber auch Se. Majeſtät
geküßt hat, auf welche Scene eine gute Carrikatur
in den Handel gekommen iſt, ſo findet man jetzt die
Zumuthung ſchmeichelhaft.
Den 26ſten.
Der Herzog von Northumberland hatte die Güte,
mir dieſen Morgen ſeinen ſehenswerthen Palaſt en
detail zu zeigen. Ich fand hier etwas, was ich lange
vergebens zu ſehen gewünſcht, nämlich ein Haus, in
dem, bei hoher Pracht und Eleganz, das Größte wie
das Kleinſte mit völlig gleicher Sorgfalt und Voll-
kommenheit ausgeführt iſt — ou rien ne cloche.
Ein ſolches Ideal iſt wirklich hier erreicht. Man
findet auch nicht die geringſte Kleinigkeit vernachläſ-
ſigt, keine ſchiefe Linie, keinen Schmutzfleck, nichts
Fanirtes, nichts aus der Façon Gekommenes, nichts
Abgenutztes, nichts Unächtes, kein Meuble, keine Thüre,
kein Fenſter, das nicht in ſeiner Art ein wahres Mei-
ſterſtück der Arbeit darböte.
Dieſe außerordentliche Gediegenheit hat freilich
mehrere Hunderttauſend Pfd. St. und gewiß nicht ge-
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Pückler-Muskau, Hermann von: Briefe eines Verstorbenen. Bd. 4. Stuttgart, 1831, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pueckler_briefe04_1831/78>, abgerufen am 13.11.2024.
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